Saftlinge züchten?

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.169 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (11. Mai 2020 um 21:30) ist von pilz_marie.

  • Hallo,

    mich als Fotografin interessieren vor allem Pilze, die auf den ersten Blick 'anders' aussehen. Auf meiner Liste ganz oben stehen Saftlinge, die ich unglaublich schön finde.

    Da die sehr selten sind, unter Schutz stehen und man die nicht mitnehmen darf, wollte ich mal in die Runde anfragen, ob jemand mal versucht hat, die Zuhause zu züchten.

    Da ich sehr pragmatisch veranlagt bin, interessieren mich vor allem die Essbaren; die würden dann gleich nach dem Fototermin verputzt werden. ;)

    Im Auge habe ich den Braungelben Saftling (Hygrocybe spadicea) und natürlich den Kirschroten Saftling (Hygrocybe coccinea).

    Meine Fragen dazu:

    Ist es prinzipiell möglich, die Zuhause zu züchten?

    Gibt es Online-Shops, die solche Sporen / Brut verkaufen? (Googlesuche leider keine Treffer)

    Fragen zu Details (Substrat, Temperaturen etc.) würden dann noch folgen, wenn alles weitere klar ist.

    Liebe Grüße

    Marie

    Einmal editiert, zuletzt von pilz_marie (11. Mai 2020 um 12:57)

  • Hallo Marie,

    deinen Wunsch kann ich durchaus verstehen. Aber Saftlinge sind eine Pilzart, die wahrscheinlich eine Symbiose mit bestimmten Gräsern eingehen. Sie wachsen ja hauptsächlich auf nährstoffarmen Wiesen und sind sehr farbenfroh. Du wirst kein Glück haben, Saftlinge zu züchten. Ich habe jedenfalls noch nichts darüber gelesen und Symbiospilze sind so gut wie nicht züchtbar, weil man den geeigneten Partner dazu braucht.

    Ich rate dir, genieße die Farbenpracht und freue dich an diesen Pilzen solange sie noch erscheinen, denn ihre Zukunft ist sehr ungewiss.

    Was das Verspeisen anbelangt - Hände weg! Die meisten sind auch giftig.

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • Hallo Veronika,

    danke für deine Antwort.

    Aber Saftlinge sind eine Pilzart, die wahrscheinlich eine Symbiose mit bestimmten Gräsern eingehen.

    Hm, das macht die Sache natürlich schwieriger. Ich dachte, Saftlinge seien Saprobionten, also Pilze, die sich von totem Material ernähren. Dass das Mykorrhiza-Pilze sind, ist mir neu.

    Was das Verspeisen anbelangt - Hände weg! Die meisten sind auch giftig.

    Hier liegt ein Missverständnis vor, ich käme niemals auf die Idee, welche aus der Natur zu entnehmen. Daher fragte ich ja nach Shops, die solche Brut verkaufen.

    Liebe Grüße

    Marie

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!


    Veronika hat das Wesentliche ja im grunde schon gesagt.
    Reproduziertbares Mycel von Saftlingen (Hygrocybe s.l. spec.) wird man nirgendwo kaufen können, weil es sich ohnehin nicht kultivieren lässt, oder bestenfalls unter erheblichem Aufwand.

    Saftlinge sind allerdings keine klassischen Ektomykorrhizapilze. Saftlingsmycelien können Verbindungen mit diversen Gräsern, Blütenpflanzen (Orchideen) und sogar Bäumen (?) eingehen, wobei es meistens eher die Pflanzen sind, die die Pilzmycelien "einfangen" und als Wasser- und Nährstofflieferanten nutzen.
    Trotzdem sind Saftlinge auf sehr spezielle und auch komplexe ökologische Bedingungen angewiesen. Die genauen Zusammenhänge sind mir nicht geläufig (vermutlich sind sie auch in größeren Teilen gar nicht bekannt), aber Saftlinge tauchen tatsächlich nur in hochspezialisierten Biotopen auf, brauchen insbesondere artenreiche und nährstoffarme Biotope. Es bestehen wohl etliche Wechselbeziehungen, die für die Pilze unerlässlich sind - nicht nur mit einzelnen (lebenden) Pflanzen, sondern wohl auch mit Bodenbakterien, Kleintierchen und anderen Pilzen. Saftlinge sind Netzwerkpilze, welche Artengemeinschaften aber unbedingt notwendig sind, ist wohl noch gar nicht im einzelnen bekannt.
    Je nach Art kann das auch mehr oder weniger spzifiziert sein.

    Um mal deine Beispiele zu verwenden: Hygrocybe coccinea (Kirschroter Saftling) als häufige Art hat wohl weniger komplexe ökologische Bedürfnisse, als Hygrocybe spadicea (sehr seltene Art). Wenn man in dem Bereich Kultivierungsversuche unternehmen wöllte, dann wären solche häufigen, ökologisch weniger anspruchsvollen Arten am aussichtsreichsten. Also idealer Einstiegspilz: Hygrocybe conica s.l. (= Schwärzender Saftling). Die Art ist in Deuschalnd weit verbreitet und sehr häufig (und übrigens absolut nicht schützenswert, leider aber auch giftig).Der taucht auch an ökologisch wenig komplexen Stellen auf, an Wegrändern, Gärten, Parks - eigentlich auf jeder Wiese, die längere Zeit nicht vergiftet (gedüngt) wird.

    Wenn man einen Garten mit einer Wiese drauf hat, klappt die Saftlingszucht übrigens folgendermaßen: Niemals (!!!) düngen, ab und an Mähen, nicht immer alles Laub wegräumen, Rasenfläche einfach ein Dutzend Jahre bis auf Mähen in Ruhe lassen. Wird recht moosig nach einer Weile (guuuuuuuut!) und nach und nach tauchen auch automatisch Saftlinge auf. :happy:

    Klingt komisch, aber das schceint in der Tat der entscheidende Faktor zu sein: Ein konstant artenreiches Biotop aufbauen, das von Eingriffen und unnatürlichen veränderungen verschont bleibt.


    LG; Pablo.

    Das Internet ist "Hilfe zur Selbsthilfe" und kann nur Vorschläge zu Bestimmung von Pilzen bieten. Eine Verzehrfreigabe ist online nicht möglich, die gibt's beim >Pilzsachverständigen<.

  • Vielen Dank Pablo für deine ausführliche Erklärung. Das wahr sehr aufschlussreich und hat alle meine Fragen beantwortet.

    Liebe Grüße

    Marie

    Einmal editiert, zuletzt von pilz_marie (12. Mai 2020 um 08:17)