Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 1.173 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (6. November 2020 um 21:16) ist von potamogeton.

  • Hallo ich schreib grad nen Artikel für Tageszeitung über Pilze (nichts spezielles einfach über das Modethema Pilze) hab deswegen mit einem Pilzberater von der DGfM gesprochen er hat mir gesagt der Pilzreichtum nähme sowohl was Vielfalt als auch was Masse betrifft seit Jahren stetig ab (beruft sich dabei auch auf Zahlen der DGfM) nennt Klimaveränderung und Versauerung der Waldböden als Gründe. Jetzt habe ich grad in einer Zeitung einen Artikel gesehen in dem es heisst von Versauerung würden viele Pilze profitieren so auch der Steinpilze. Vielleicht muss man sagen die Überdüngung der Böden schade den Pilzen und nicht die Versauerung. Was meint ihr zu den Aussagen des Pilzberaters ?

    Vielen herzlichen Dank im Voraus

    Franz V

  • Hallo,

    das z.B Steinpilze (B. edulis) durch die Versauerung der Böden profitieren ist richtig. Die wachsen ja eher auf diesen aber dafür verschwinden viele Arten, die eher neutrale und leicht kalkhaltige Böden mögen. Ich denke eher, dass der Rückgang der Pilzvielfalt eher an der Trockenheit und an der Zerstörung des Lebensraumes vieler Pilzarten liegt.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Franz!

    Jein. Es gibt eben ein Artenspektrum auf sauren Böden, und ein anderes auf kalkhaltigen Böden. Die Artenvielfalt auf Kalk ist oft höher als auf saurem Ausgangsgestein - aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Wo es "richtige" Wälder auf saurem Ausgangsgestein gibt, ist die Artenvielfalt annähernd so hoch wie in einem urwüchsigen Kalk - Buchenwald. Das Problem bei der Sache: Ein Wald muss sich entwickeln. Je weiter entwickelt er ist, und je gesünder, desto höher die Artenvielfalt (wichtigste Ressource für unsere Existenz). Zum entwickeln braucht er Zeit und möglcihst gleich bleibende Verhältnisse.
    Wenn ein ursprünglich basischer Wald versauert, ist das Gift für viele dort heimische Arten und somit sinkt die Artenvielfalt. Wenn man aber einen ursprünglich sauren Wald kalkt - hat man den selben Effekt. Man bringt haufenweise Organismen um, die ein bestimmtes Millieu brauchen. Bis sich andere organismen ansiedeln, die besser mit den veränderten verhältnissen umgehen können, braucht es wieder Zeit. Wenn sich in der Zeit die verhältnisse wieder ändern, ist wieder essig mit dem Aufbau von Vielfalt (und damit einem gesunden und wiederstandsfähigen Waldsystem).

    Stickstoffverbindungen sind grundsätzlich aber noch schlimmer: Die machen so gut wie alles kaputt, unabhängig vom ph - Wert des Untergrundes. Und die Stickstoffe kommen halt von der massiven Überdüngung. Das ist also auf jeden Fall korrekt, aber auch andere Gifte aus Gärten & Landwirtschaft (bzw. Agrarindustrie, auch da muss man differenzieren) wie Glyphosat & co. sind Artenkiller und vernichten lebensnotwendige Vielfalt - nicht nur da, wo sie eingesetzt werden, sondern überall (das Zeugs ist halt flüchtig und somit überall, auch wo es nicht eingesetzt wird).
    Im Zusammenhang mit den Gefahren durch Bodenvergiftung (Nitrate und Pflanzenschutzmittel = Artenvernichtungsmittel) und rasche, künstliche Veränderungen von Biotopmilieus wirkt der Klimawandel eigentlich nur als ein Beschleuniger des Artensterbens bzw. der Verringerung der Individuenanzahl.

    Je Artenreicher und gesünder ein Wald, desto besser seine Anpassungsfähigkeit auch an veränderte klimatische Bedingungen. Rotbuchen zB kommen bisher mit dem Klimawandel wunderbar zurecht - sofern sie in einem gesunden, artenreichen Biotop angeschlossen sind.

    ich weiß, das wird vielfach anders propagiert, ist aber so. Wenn man sich artenreiche Buchenwälder anguckt, auch in trockenen, heißen Gegenden: Die sind zwar auch teils gestresst, aber längst nicht so wie in Baumplantagen, wo sie eben ohnehin schon am existenziellen Minimum sind, weil ihnen wichtige Ressourcen an systemischer Vielfalt fehlen. Das Hauptproblem der Rotbuchen ist (nur vom klimatischen Aspekt her) auch nicht die Temperatur, sondern die Trockenheit. Die können aber Mykorrhizapilze durchaus kompensieren, nur brauchen die Buchen halt dann mehr Mykorrhizapartner (vor allem mehr verschiedene).
    Bei Fichten ist das ähnlich, wobei die es auch nicht gerne warm mögen, und ihre ursprünglichen mykorrhizapartner eben noch weniger.
    Da kommt man zu einem weiteren Problem unserer "Wälder": Nämlich die Abnahme von Artenvielfalt und damit Wiederstandskraft durch betriebsblinde Bewirtschaftung. Wenn man Bäume irgendwo hin pflanzt, wo die gar nicht hingehören, hat man immer das Problem, daß sich nur sehr bedingt ein funktionierendes Ökosystem bilden kann. Weil die Bäume eben ein spezifisches Srtengeflecht benötigen, das sich unter Umständen gar nicht bilden kann. Beispiel: Ein Fichtenwaldim Hochschwarzwald auf Hochmoortorf funktioniert ausgezeichnet. Die Fichten wachsen und gedeihen, selbst in den letzten drei extrem rockenen und warmen Jahren. Zumindest die meisten Bestönde sind relativ gut in Schuss.
    Jetzt hat sich aber jemand in den Kopf gesetzt, im Kraichgau auch Fichtenwald aufzuziehen. Und da sind sämtliche Bestände im Eimer. Waren sie aber grundsätzlich schon immer, bzw. haben die es nie bis zum Status "Wald" geschafft, weil sich in dem Bereich nie ein passendes Ökostystem (Bakterien, Schleimpilze, Pilze, Pflanzen & Tiere) bilden konnte, das ihnen bei einer lang anhaltenden Dürre wie jetzt das Leben rettet.
    Die verheerten Fuchtenbestände im Harz sind da nochmal ein anderes Thema, da fehlte einfach wirklich viel zu viel Wasser in den letzten Jahren.

    Also: In dem Moment, wo man "Wald" zu "Holzplantagen" degradiert, sind solche Ausfälle natürlich vorprogrammiert, weil keine Kompensationsmechanismen mehr greifen zB im Falle von Dürrekatastrophen wie den letzten drei Jahren (oder im Grunde schon länger, normale Niederschläge gibt's ja seit fast einem Dutzend Jahren nicht mehr).
    Noch schlimmer wird's, wenn man dann im Unverstand anfängt Bäume anzupflanzen, die sich noch weniger in die Bestehenden Ökosysteme integrieren können. Douglasien sind so ein Beispiel. Die werden hier auch nicht lange überleben, und angesichts der tatsache, daß jede Douglasienschonung innerhalb weniger Jahre komplett tot, also nichts anderes als eine Agrarwüste ist, verstärkt sowas natürlich auch noch den Effekt auf die übrigen, ohnehin schon geschädigten Wälder, weil der Artenpool und auch der Individuenpool weiter abnimmt.
    Was wirklich wichtig wäre, sind eben solche Reservate, wo sich möglichst ursprüngliche und damit auch artenreiche Wälder halten und entwickeln können, dadurch hat die Natur viel bessere Anpassungsmöglichkeiten vor allem an den Klimawandel. "Reservat" meint hier nicht, daß dort keine Waldwirtschaft betrieben werden könnte. Im Gegenteil: Man kann Wälder auch so bewirtschaften, daß die Artenvielfalt nicht beeinträchtigt wird. Es lässt sich damit nur eben kein börsenrelevanter Reibach machen.
    PS.: In dem Zusammenhang spielt genau das eine Rolle, was Jörg auch schreibt: "Zerstörung des Lebensraumes".

    Soweit mal stark verkürzt und zusammengefasst das allgemeine Problem, oder besser gesagt: Die allgemeinen Probleme. Soll heißen: Es einfach nur auf Klimawandel und versauerung der Böden zurück zu führen, ist schlichtweg zu kurz gefasst. Die Wirklichkeit ist sehr viel komplexer. Und klar, Pilze spielen eine entscheidende Rolle - aber als Marker für Artenvielfalt oder Gesundheit eines Waldes sind sie nur sehr eingeschränkt zu gebrauchen. Weil man die meiste Zeit von ihnen einfach nichts sieht, und die Mycelien durchaus aktiv im Untergrund wirken können, auch wenn sie mal drei bis fünf Jahre keine Fruchtkörper bilden.

    Man muss schon sehr viel Erfahrung haben (nicht nur von Pilzen, sondern auch von Wäldern an sich, und wie das da alles im Untergrund funktioniert) um beim Betreten eines Waldes - auch anhand der vorhandenen Pilzruchtkörper - erkennen zu können, ob das ein einigermaßen gesunder / artenreicher Wald ist oder nicht.


    LG; Pablo.

    Das Internet ist "Hilfe zur Selbsthilfe" und kann nur Vorschläge zu Bestimmung von Pilzen bieten. Eine Verzehrfreigabe ist online nicht möglich, die gibt's beim >Pilzsachverständigen<.

  • Vielen lieben Dank Pablo und Jörg, Gut dass ich noch mal nachgefragt hab will euren Kollegen ja nicht mit missverständlichen Aussagen zitieren. Ich weiss Pablo dass Forstwirtschaft und Gifteintrag aus Landwirtschaft Verkehr und Verbrenne von Fossilen Brennstoffen ne große Rolle spielen beim Waldsterben bzw beim Artenrückgang in unseren Wäldern und die Art und Weise wie bei uns vor allem der Staatsforst und seine Forstbeamte auf das Waldsterben vor allem in der Rheinebene reagieren ist erschreckend, (Douglasien sind für die ja nur eine Möglichkeit die planen ja den Wald ja so umzubauen dass er fast nur noch aus fremdländischen Arten besteht). aber meine Aufgabe ist es einen Fachmann zu fragen und zu zitieren ich kann nicht mich selbst zitieren das heisst ich bin auf das angewiesen was mir ein Fachmann liefert. Glücklicherweise habe ich selbst ein wenig Ahnung von der Materie und kein Interesse irgendjemand in der Zeitung mit falschen Aussagen zu zitieren. Ich werde mich auf die Überdüngung konzentrieren, weil die bei uns in den Wäldern mit dichtem Brombeergestrüpp Brennesseln deutlich sichtbar ist und in solcherart dicht bewachsenen Waldböden ja wirklich kaum noch Pilze zu finden sind

    Herzlichen Dank nochmals für die sehr informativen Anworten Pablo und Jörg