Rißpilze vom Friedhof

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.381 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. Juni 2021 um 18:45) ist von Clavaria.

  • Hallo Pilzler,

    ein heutiger Rundgang auf dem Friedhof ergab Überraschendes. Sieht aus wie rötende Rißpilze. Ich kenne drei Arten, aber sind das? Sie standen zu mehrere auf einer von Linden gesäumten Wiese, wahrscheinlich ehemalige Gräberfelder.

    Gruß - Franz

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Franz!


    Es gibt eine ganze Reihe von rötenden Risspilzarten. Wie Inocybe erubescens sieht das hier in der Tat nicht wirklich aus, auch wenn ich es nicht ausschließen kann. Inocybe godeyi kenne ich kleiner und mit recht deutlichem Knöllchen an der Stielbasis, Inocybe bresadolae könnte hier noch hinkommen, aber der hat auch in der Regel eine deutlich knollige Stielbasis.

    Die Frage ist: Rötet hier wirklich der Risspilz selbst oder ist das eine pathologsiche veränderung, zB ausgelöst durch einen Bakterienbefall?

    Typische Inocybe erubescens sind mir erst kürzlich in schöner Anzahl begegnet (Bilder komplett unbearbeitet):

    Ich mikroskopiere die nach wie vor jedes Mal um sicher zu gehen bei der Bestimmung, einfach weil es halt viele Risspilzarten mit ähnilchem Fruchtkörperverhalten gibt, die ich noch nicht kenne.


    LG, Pablo.

  • Servus Franz,

    das Röten gehört sicher zum Pilz, sage ich einfach mal so. Deine Beschreibung ist aber ein bisserl unvollständig. Wonach hat er denn gerochen?

    Mich erinnert dein Fund sehr an Inosperma pisciodorum. Der muss nicht nach Fisch riechen, macht es aber gerne. Ich zeige mal eigene Bilder von Inosperma pisciodorum:

    Meine sind schon recht alt und haben nicht so stark gerötet. Die Farbgebung von Hut und Lamellen ist aber sehr ähnlich. Die Artenb rund um Inosperma bongardii können ja alle mehr oder weniger stark röten (ein bisserl röten sie immer, manchmal aber auch sehr deutlich).

    Inosperma gerniodorum würde nach Pelargonium riechen und hat dunklere Hutfarben.

    Inosperma cervicolor ist mehr rötlichbraun-fuchsig und riecht aromatisch erdig.

    Inosperma bongardii ist blasser und riecht intensiv nach Kloseife / Birnenblüten, das wöre dir aufgefallen (und passt wie gesagt makroskopisch nicht).

    Inosperma monastichum ist viel zarter gebaut und reicht nur schwach aromatisch, etwas unangenehm.

    Inosperma sulcatum schuppt stärker auf und ist blasser gefärbt.

    Inosperma erubescens, der Ziegelkrote Russpilz, kann durchaus auch mal mehr ins Bräunliche gehen, aber so stark, ich weiß nicht - zudem kenne ich das mehr mit einem untermischten Olivton in den Hutfasern. Das kräftige Röten würde da aber passen. Der Geruch wäre dann für mich eine Mischung aus Sperma und Obst. Ich zeige mal Fotos von einem am Hut stärker pigmentierten Fund (frisch durchgeschnitten, rötet daher hier noch nicht):

    Inosperma adaequatum wäre mehr wenrötlich-braun und riecht intensiv nach Obst (ohne Spermaanteil, jedenfalls, was ich bisher hatte) und der Hut ist gröber faserig-schuppig. Ich zeige mal akte Fruchtkörper:

    Liebe Grüße,

    Christoph

    • Offizieller Beitrag

    Morgen!

    Klar, all die Arten, die früher mal Cervicolores waren (nun Inosperma oder Pseudosperma), die röten können, darf man micht vergessen. :thumbup:

    So zum allgemeinen Verständnis: Das sind schon alles Risspilze. Die Gattung "Inocybe" wurde in letzter Zeit ein wenig zerlegt - man darf und soll das aber gerne weiterhin als "Risspilze" bezeichnen.

    Ergänzend noch ein paar Bildchen zu Inocybe bresadolae:

    Der sieht mikroskopisch übrigens komplett anders aus als alle anderen hier erwähnten Arten.

    Inocybe (Inodsperma) bongardii:

    Und nochmal Inocybe (Inosperma) pisciodora:

    Man sollte natürlich beachten, daß das hier nur ein paar Bilder einzelner Kollektionen sind, und die tatsächliche Variationsbreite der Arten größer ist.
    Ich selbst traue mir eine makroskopische Bestimmung bei solchen Risspilzen nicht zu.


    LG; Pablo.

  • Mich erinnert dein Fund sehr an Inosperma pisciodorum.

    Hallo Christoph,

    danke für Deinen Beitrag. Inosperma pisciodorum hatte ich noch nie gehört und mußte erst gokeln. In der Tat, meine Funde (heute war ich nochmal dort und habe abermals welche mitgebracht) sieht dieser Art sehr ähnlich. Aber meine Sporen sind im Durchschnitt nur 12,8µ lang(Quotient = 2,0). Inosperma pisciodorum sollte damit ausscheiden. Ich halte nach langer Recherche die Art inzwischen für Inocybe patoullardii. Beim vorletzten Fund hatte mich nur das intensive Rot etwas irritiert, jetzt irritiert etwas Michael/Hennig, Bd 1: "Sporenpulver ockerbraun".

    Gruß - Franz

  • Hallo Franz

    Ah, du hast mikroskopiert? Dann steigen die Chancen einer halbwegs sicheren Bestimmung von 0% auf deutlich mehr.

    Hast du zufällig Mikrobilder von den Sporen und Zystiden, oder kannst du die ein wenig beschreiben oder zeichnen?

    Bei den Sporen braucht es nicht nur den Durchschnitt, sondern von/bis Werte für Länge und Breite Quotient.

    Auch die Zystiden grob ausmessen, wobei das in dieser Gruppe nicht so entscheidend ist.

    Wichtig wären dann noch:

    - Geruch (wie Christoph schon schrieb), ohne den geht in der Gruppe gar nichts

    - Verfärbung beim Reiben und im Schnitt

    I. erubescens (= I. patouillardii) halte ich anhand der Bilder gar nicht für so unwahrscheinlich.

    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,

    anbei ein Sporenbild (vermeintlich Inócybe patouillárdii). Zystidenbilder sind so eine Sache. Häufig zweifle ich ob das, was ich im Mikro sehe Zystiden sind oder Basidien. Kennt wer ein sicheres Unterscheidungsmerkmal? Ähnlich ist es mit Geruchsvergleichen.

    Gruß - Franz

  • Hallo Franz

    Bei den Zystiden ist es nicht immer ganz einfach, sie von den Basidien zu unterscheiden.

    Meistens haben sie aber eine spezielle Form, während Basidien (bei Lamellenpilzen) meistens irgendwie keulenförmig sind.

    Reife Basidien erkennst du problemlos an den Sterigmen, heikel sind junge Basidien (Basidiolen).

    Bei den Risspilzen in dieser Gruppe müssten die Zystiden irgendwie so aussehen (hier I. erubescens):

    Die Sporen passen nicht schlecht zu deinem Bild:

    Zur Vollständigkeit noch der Pilz dazu:

    Zum Geruch: So alltägliche Gerüche wie fruchtig oder fischig sollten ja schon erkennbar sein, zumindest wenn du den Pilz anschneidest und reibst.

    Bei sehr spezifischen Gerüchen tue ich mich dann auch manchmal schwer, das ist einfach Übungssache.

    Wenn im Buch steht "Geruch nach Lerchensporn" habe ich halt das Problem, dass ich noch nie bewusst an Lerchensporn gerochen habe.

    Nun ja, alles in allem reichen die Infos wohl nicht für eine sichere Bestimmung.

    Gruss Raphael

  • Hallo Raphael,

    danke für die Info. Frage: Wie legst Du Zystiden so frei, daß auch bei vielen Exemplaren die Länge gemessen werden kann. Ich bekomme es einfach nicht hin. Wenn ich sie in Wasser quetsche, ist alles Brei, und ohne quetschen stecken sie in der Regel nur ihre Köpfe aus dem Pilzgewusel.

    Gruß - Franz

  • Hallo Franz

    Ich habe zwei Methoden. Beides vermutlich nicht die letzte Weisheit, aber meistens genügt es:

    Schnell und einfach, nur für Cheilozystiden:

    1. Einen schmalen Streifen der Schneide mit der Pinzette entnehmen

    2. In eine geeignete Flüssigkeit tun. Ich färbe gerne, je nach Gattung mit KOH, Ammoniak, Kongorot oder Baumwollblau. Aber Wasser geht auch.

    3. Dann erstmal nur schwach quetschen, damit man sicher ein paar Bilder von einzelnen unbeschädigten Zystiden hat und einen Gesamteindruck gewinnt

    4. Dann richtig gut quetschen, oder auch mit einer Nadel oder Pinzette zerkleinern.

    Beim Quetschen passiert den Zystiden meistens nichts, nur ein paar Gattungen haben leicht kollabierende Zystiden (z.B. Psathyrella, Coprinus s.l.).

    Es kann einzig vorkommen, dass man sie etwas breiter misst als sie tatsächlich sind. Darum ist Schritt 3 wichtig.

    Meistens ist aber die Form der Zystiden wichtiger als die Breite auf 1-2 µm genau.

    Etwas umständlicher, dafür sieht man auch Pleurozystiden:

    1. Lamellenschnitt machen, z.B. mit zwei Rasierklingen

    2-4 wie oben, wenn man wirklich gut geschnitten hat kann man sicher aber 4 sparen.

    Dann sieht man zusätzlich auch die Struktur des Lamellentramas und kann dort nach Schnallen suchen (wichtig bei einigen Gattungen wie z.B. Entoloma).

    Der Nachteil ist, dass man so nur wenige Cheilozystiden sieht.

    Ein gutes Quetschpräparat gelingt oft nicht beim ersten Versuch und es braucht wie alles etwas Übung.

    Es gibt auch Literatur zum Thema, z.B. Erb/Matheis. Das ist zwar schon etwas älter, aber das Handwerk für (für uns Laien) das gleiche geblieben.

    Gruss Raphael