2 labyrinthische Porlinge: Irpex lacteus & Cartilosoma rene-hentic

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 1.570 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. Januar 2022 um 20:44) ist von KaMaMa.

  • Hallo miteinander!

    Gestern im Laubwald fand ich zwei hübsche, weiße Porlinge mit auffällig labyrinthischen Poren, die auf den ersten Blick ähnlich wirkten.

    Noch nach dem Sporenabwurf hoffte ich es wäre der gleiche Pilz:

    - gleiche Porenmuster (labyrinthisch)

    - gleiche Porengröße (2-3/mm)

    - gleiche Sporenform (würtchenförmig = allanthoid)

    - gleiche Sporenmaße (etwa 6,5-7 x 2,5 µm²)

    Dann stellt sich mikroskopisch heraus, dass sie sich deutlich unterschieden.

    Ich habe leider gar keine Ahnung, wo ich die beiden unterschiedlichen Pilze einordnen könnte.

    Ich hatte zuerst gehofft es wäre der gleiche Pilz - Pustekuchen! Problem verdoppelt!

    Wahrscheinlich suche ich ganz falsch.

    Sind labyrinthische Poren überhaupt ein vernünftiges Bestimmungsmerkmal?

    Bei der Schmetterlingstramete (Trametes versicolor) ist ja beides möglich.

    Vielleicht hat jemand Antworten?

    Ich würde mich darüber sehr freuen!

    LG, Martin

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    1. PILZ

    Der erste weiße Porling wuchs an der Unterseite von kleineren Ästen, die auf dem Waldboden - aber ohne Bodenkontakt - lagen.

    Die Poren sind auffällig labyrinthisch.

    Porendichte 2-3/mm.

    Dicke etwa 1mm, davon 3/4 Poren.

    Der Geruch ist angenehm und intensiv champignongartig (zuhause im Warmen).

    Die Größe der inamyloiden Sporen beträgt 5,3-7,2 x 2,0-2,5 µm² (N=4), die Sporenausbeute war sehr mager.

    Der Pilz scheint (fast) steril.

    Der Porenquerschnitt zeigt sehr luft-locker gepackte Hyphen, wie das Makro schon erkannen ließ.

    Ich erkenne dünn- und dickwandige Hyphen.

    Basidien sind nicht zu finden.

    Schnallen sind nirgends zu erkennen.

    Es gibt auffällige kristall-besetzte Zystiden (Meruloide).

    Bild A1 von unten

    Bild A2 von der Seite

    Bild A3 von oben

    Bild A4 von der Seite, kopfüber

    Bild A5 Querschnitt

    Bild A6 Querschnitt in verdünntem Kongorot gefärbt

    Bild A7 Kristalltragende Zystide

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    2.PILZ

    Einige Meter weiter habe ich eine weitere Probe von einem auf den ersten Blick ähnlichen Pilz genommen:

    Er wuchs unter der Borke eines liegenden Baumstammes hervor, zeigt ebenfalls etwas labyrinthische Poren.

    Porengröße: etwa 2-3/mm.

    Probendicke bis etwa 2mm, Hutfleisch wieder sehr dünn; etwa 90% machen die Poren aus.

    Der Geruch ist auch hier würzig pilzig, wie oben.

    Die Größe der inamyloiden Sporen beträgt 6,2-7,8 x 2,3-2,7 µm² (N=10).

    Hier war die Ausbeute recht ergiebig, der Pilz ist fertil!

    Die Probe schneidet sich korkig, mikroskopisch sind die Hyphen sehr dicht gepackt.

    Fleisch ist weiß, unter dem weißen Hymenium eine dünne transparente Schicht, die sich auch weniger gut einfärben lässt.

    Es lassen sich Schnallen erkennen. Es sind keine Zystiden erkennbar.

    Die Basidien sind 4-sporig, mit wenigen Kristalliten besetzt.

    Bild B1 Fund B

    Bild B2 von oben

    Bild B3 von unten

    Bild B4 Querschnitt zeigt transparenten Bereich unter Hymenium

    Bild B5 Porenquerschnitt nach Kongorot (Skalp)

    Bild B6 1000x Ölimmersion in Kongorot

  • Hallo,

    ich habe nach geforscht und einen allgemeinen Porlings-Schlüssel gefunden, der eventuell weiterhilft.

    "Roy Cain's Field Key To Polypores" führt mich zu

    Pilz 1 - eventuell einer jungen Cerrena unicolor, einem Aschgrauer Wirrling

    und bei Pilz 2 zu Irpex lacteus, den Milchweißen Eggenpilz

    Der Schlüssel führt schrittweise über

    einjähriger Pilz - verworrene, krumme Poren - weißes Fleisch - (auch) auf Nadelholz - Porenoberfläche weiß oder cremefarben (nicht lila) - Poren 2-3/mm meist auf Laubholz

    zu Antrodia albida, der Weißlichen Braunfäuletramete, ... passt gar nicht, die hätte auch VIEL größere Sporen (10-13 x 5-7)!

    oder über:

    einjähriger Pilz - verworrene, krumme Poren - weißes Fleisch; NUR auf Laubholz - flaumig behaart - nie Lamellen - Poren 3-4/mm

    zu Cerrena unicolor, dem Aschgrauen Wirrling

    C. unicolor hat passende Sporenmaße (5-7 x 2,5-4)!

    Das Porenmuster passt mMn sehr gut, allerdings soll C. unicolor eher graue Poren haben.

    Vielleicht ist der gefundene Pilz noch ganz jung und deshalb noch cremefarben (in meinem Buch gilt er als mehrjährig)?

    Als makroskopischer Doppelgänger bei jungen Exemplaren soll Irpex lacteus, der Milchweiße Eggenpilz, gelten.

    Irpex lacteus hat lt. Buch (Fungi of temperate Europe)

    - ein labyrinthisches (!) bis zahnartiges Hymenophor

    - lange, am Ende kristallbesetzte Lamprozystiden (genau so bei Pilz 2 gefunden)

    - ferner dimitisches Fleisch mit Skeletthyphen (dünn- und dickwandige Hyphen bei Pilz 2 gefunden)

    - keine Schnallen (passt zu Pilz 2)

    - Sporen 5-6 x 2-3 (passt perfekt)

    - kommt auf Stubben oder gefallenen Ästen vor - gut, hier ist es ein gestürzter Stamm

    - gilt zudem als häufiger Pilz

    Könnten Cerrena unicolor und Irpex lacteus stimmen?

    Kennt jemand einen oder gar beide Pilze aus eigener Anschauung und kann meine Vermutung bestätigen oder entkräften?

    Vielen Dank für's d'rüberschauen!

    LG, Martin

  • KaMaMa 24. Januar 2022 um 18:37

    Hat den Titel des Themas von „2 labyrinthische Porlinge“ zu „2 labyrinthische Porlinge: Cerrena unicolor und Irpex lacteus?“ geändert.
    • Offizieller Beitrag

    Hallo, MArtin!


    Fund 1 ist Trichaptum abietinum (Gemeiner Violettporling). Den gibt's halt auch ohne violettes Pigment (im Alter verschwindet das sowieso, ist aber auch sonst nicht immer konstant so ausgebildet, daß man es auch sieht). Die schnallenlosen Hyphen schließen jede deiner genannten Optionen aus, kristallbesetzte Zystiden, Sporenmaße, schnallenlose Septen, Hütchenbildund, Porenform, Nadelholz als Substrat - das passt schon alles zu Trichaptum abietinum.


    Fund 2 ist >Cartilosoma rene-hentic<. Darauf zu kommen ist freilich etwas erschwert, weil diese Art in vielen gängigen Büchern nicht erwähnt wird.


    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,

    vielen Dank für deine Zeilen!

    Leider lag ich wohl mit keinem der Pilze richtig, oj!

    Die Zuordnung zu Trichaptum abietinum hätte ich mich nie getraut, da ich hier violette Poren erwartet hätte.

    Schade eigentlich, dass mein erster Trichaptum ein Weißling sein muss!

    Immerhin kam ich in die Nähe von Antrodia, wo Cartilosoma früher mal einsortiert war.

    Mittlerweile habe ich einen umfangreicheren Schlüssel über Porlinge ("Polypores in British Columbia ") entdeckt, der mehr Porlinge schlüsselt als der oben zitierte und auch Gattungsschlüssel.

    Cartilosoma rene-hentic ist auch dort nicht enthalten.

    Die Beschreibung zu Cartilosoma rene-hentic, die du erstellt hast, ist klasse!

    Jetzt kann ich prima mit meinem Fund vergleichen, da ich weiß, um was es sich handelt.

    Umgedreht ist das leider sehr viel schwieriger, überhaupt in die Nähe des richtigen Porlings zu gelangen.

    Merke: Farbung des Pilzes kann bei der Bestimmung helfen, aber leider auch - so wie hier - in die Irre führen!

    LG, Martin

  • KaMaMa 24. Januar 2022 um 20:16

    Hat den Titel des Themas von „2 labyrinthische Porlinge: Cerrena unicolor und Irpex lacteus?“ zu „2 labyrinthische Porlinge: Trichaptum abietinum & Cartilosoma rene-hentic“ geändert.
    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!

    So auf den zweiten Blick...

    Meine Einschätzung deines ersten Fundes als Trichaptum war doch etwas vorschnell und vermutlich falsch.

    Jetzt würde ich eher behaupten, daß du schon auf der richtigen Spur warst. Erst im letzten Spätsommer hatte ich einen Fund von Irpex lacteus, der haargenau aussieht wie deiner und ebenfalls an einem dürren Nadelholzzweiglein (in einem Reisighaufen, da gab's auch Fruchtkörper an anderen Substraten)!

    Sieht so aus:

    Irpex hat ja auch keine Schnallen, und die von dir angegebenen Sporen würden dazu auch fast noch besser passen (Irpex etwas schmaler als Trichaptum).

    Allerdings sehen die großen, inkrustierten Pseudozystiden bei Irpex lacteus schon etwas anders aus, als das, was auf deinem Bild zu sehen ist.
    Aber: Vereinzelt gibt es zusätzlich auch kleinere Hyphenenden, und die können auch mal mit solchen Kristallen besetzt sein.

    Diese spezifischen, großen, grob inkrustierten "Pseudozystiden" würden idealerweise so aussehen:

    Das ist aber nicht immer so schön deutlich.

    Also Kommando zurück, dein Vorschlag mit Irpex lacteus ist definitiv passender als Trichaptum. :thumbup:


    LG; Pablo.

  • Uiuiui!

    Jetzt bin ich aber von den Socken!

    Das wäre, glaube ich, mein erster Pilz, den ich vollkommen alleine erschlüsselt hätte, nur wissend, es ist ein Porling.

    Lange, inkrustierte Hyphen (die Enden waren abgetrennt und offen, ev. von Pressen unter den Deckglas) hatte ich gefunden, aber nicht erwähnt. Vielleicht sind das ja die vermissten Pseudozystiden. Ich wollte nicht zuviel schreiben, sonst liest das eh keiner, dachte ich...

    Vielen Dank für deine Mühe, sogar das Thema ein zweites Mal aufzugreifen und zu überprüfen! Toll!!

    Die Überschrift ändere ich gerne noch ein weiteres Mal, damit sie zum Fund passt.

    LG, Martin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Martin!


    Ja, das sind Elemente, die gut zu Irpex lacteus passen können. :thumbup:

    Manchmal sind diese Pseudozystiden auch gar nicht inkrustiert (so wie die unter der INkrustierten in deinem Bild, die wiederum ungewöhnlich dünnwandig ist), dann sind die natürlich auch schwerer zu entdecken.


    Lg; Pablo.

  • Hallo, Pablo!

    Ja, das ist sehr interessant und es bleibt spannend: es gibt so viel zu sehen und zu lernen!

    Ich freu' mich schon auf's Wochenende, dann geht's wieder raus zu den Ästchen, Stubben und Bäumen! Hihi.

    Martin

  • KaMaMa 27. Januar 2022 um 18:30

    Hat den Titel des Themas von „2 labyrinthische Porlinge: Trichaptum abietinum & Cartilosoma rene-hentic“ zu „2 labyrinthische Porlinge: Irpex lacteus & Cartilosoma rene-hentic“ geändert.