Gerüche von Pilzen...?

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 1.771 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. Oktober 2022 um 00:09) ist von huehnchen69.

  • Heute hat mir ein Bekannter den Karbol-Champignon per Foto vorgestellt, er sagte, er rieche nach "Bahnschwelle". Damit konnte ich nichts anfangen. Genauso wenig kann ich mit der Beschreibung zum Karbol-Egerling wenig anfangen: Geruch unangenehm tintenartig, karbolartig (= nach Phenol), urinartig, nicht pilzartig wie bei den Wiesenchampignons. Der Karbongeruch kann bei jungen Exemplaren oft nicht richtig wahrgenommen werden. Deswegen gilt: Besondere Vorsicht, wenn der Geruch nicht eindeutig ist. Spätestens beim Kochen verfärbt sich der Pilz intensiv gelb (kanariengelb) und er strahlt einen intensiven Phenolgeruch aus.

    Aber ich kann mit der Beschreibung Teerartiger Geruch etwas anfangen und das kennen wahrscheinlich alle. Das Teer wie Urin riecht, wäre mir neu.

    Was ist Phenolartiger Geruch? Gibt es da einen Geruch aus dem Alltag?

    Was ist ein pilzartiger Geruch? Das kann ja jeder Geruch sein, wenn man sich nicht auskennt...

    Sollte man hier nicht die Geruchsbeschreibungen allgemein etwas an alltägliche Gerüche - die viele kennen - anpassen?

    Viele Grüße

    Mahatma

    4 Mal editiert, zuletzt von Mahatma Gamsbichler (25. Oktober 2022 um 20:33)

  • Wenn Du einmal an einer Bahnschwelle sägst oder mit grobem Schleifpapier dran schrubbst, dan weißt Du was der Geruch ist. Teerartig ist nicht weit genug.

    Aber Du hast Recht, die Geruchsempfindungen sind zu unterschiedlich und es wäre schön, wenn man die eindeutiger und deutlicher machen könnte.

    Die Bezeichnung "obstartig" bei Rotfußröhrlingen ist ja auch sehr weit gefasst, aber dennoch gut nachzuvollziehen.

    Gruß Bernhard

  • Ich kam noch nie in die Verlegenheit, an Bahnschwellen zu schruppen und wenn ich mal auf die Bahnstrecke gehe und an den Bahnschwellen riechen sollte und der Zug gerade einfährt, wer würde glauben, das ich ein "Pilzinteressierter" war? ;)

    Obstartiger Geruch ist auch weit gefasst. Rieche ich Apfel, Kiwi oder eine Orange?

    Viele Grüße

    Mahatma

  • Hallo Mahatma,

    denkst du denn an Teer, wenn du Karbolegerlinge riechst?

    Für mich riechen die nicht nach Teer. Wie Karbol riecht, weiß ich nicht. Tinte passt für mich auch nicht.

    Ich denke, es wird eigentlich immer versucht, Geruchsbeschreibungen zu finden, bei denen die meisten Leute sagen: "Oh, ja, na klar!". Aber bei manchen ist das wohl nicht so einfach.

    Ich weiß weder wie eine Weidenbohrerraupe riecht, noch wie Lerchensporn riecht. Aber für die Elfenbeinschnecklinge bzw. die Weißen Raslinge fällt mir auch keine bessere Beschreibung ein.

    Das liegt oft auch daran, dass die zündende Idee einfach fehlt.

    Jahrelang habe ich versucht, den Geruch des Violetten Rötelritterlings zu beschreiben, und nichts Passendes gefunden. Bis Pablo mal Multivitaminsaft ins Spiel brachte. Da hat es sofort Klick gemacht. Ein solches Klicken habe ich beim Teer jetzt nicht.

    Beste Grüße

    Sabine

  • Liebe Sabine,

    es ist also schwer, Pilze am Geruch zu bestimmen, sehe ich das richtig?

    Ich habe den Karbolegerling noch nicht gefunden, nur Champis nach Anis riechend.

    Ich bin der Meinung, das deshalb auch die Geruchsbeschreibungen überarbeitet werden sollten und in direkte Richtungen weisen sollten, Geruchsbeschreibungen die die Mehrzahl der Menschen kennen sollten?

    Also nicht nach "Karbol" oder "Tinte", Tinte hat für mich keinen Geruch, Jod dann eher. Phenol sagt eher was den Chemikern, nicht mir, usw.

    Viele Grüße

    Mahatma

  • Das mit der Bahnschwelle war eine Erfahrung, als ein Kunde von uns ein Stück Bahnschwelle mitgebracht hatte und was draus gesägt haben wollte. Die Schreinerei roch 3 Tage noch danach. Vielleicht kennst Du ja noch Karbolineum, einem Mittel, mit dem man früher Gartenzäune und Balkongeländer gestrichen hat. Giftig wie so vieles früher.

    Aber das meinte ich ja, weitgefasst kann schon aber durchaus gut nachvollziehbar sein.

    Ich kann zum Beispiel mit Karbolgeruch nichts anfangen, aber mit Tinte.

    Ist wohl ein Problem der eigenen Erfahrungswelt

  • Das mit der Bahnschwelle war eine Erfahrung, als ein Kunde von uns ein Stück Bahnschwelle mitgebracht hatte und was draus gesägt haben wollte. Die Schreinerei roch 3 Tage noch danach. Vielleicht kennst Du ja noch Karbolineum, einem Mittel, mit dem man früher Gartenzäune und Balkongeländer gestrichen hat. Giftig wie so vieles früher.

    Aber das meinte ich ja, weitgefasst kann schon aber durchaus gut nachvollziehbar sein.

    Ich kann zum Beispiel mit Karbolgeruch nichts anfangen, aber mit Tinte.

    Ist wohl ein Problem der eigenen Erfahrungswelt

    Tinte wäre das nächste Geruchsproblem für mich :) Tinte rieche ich als neutral.

    Viele Grüße

    Mahatma

  • Sorry verstehe mich nicht falsch, aber ich kann mich noch gut an "Tintenfässer " erinnern, ist allerdings auch schon ca. 50 Jahre her, dass ich dran geschnüfffelt habe.

    Sch... Schulzeit

  • Hallo Mahatma,

    es ist also schwer, Pilze am Geruch zu bestimmen, sehe ich das richtig?

    dann habe ich mich anscheinend unverständlich ausgedrückt.

    Obiges kann man so allgemein nicht sagen. Ich finde beispielsweise, eine Krause Glucke kann man blind erkennen, wenn man sie einmal gerochen hat. Ebenso Elfenbeinschnecklinge (zumindest die Verwandtschaft), Weiße Raslinge, Nadelholzröhrlinge, und sicherlich noch einige mehr. Das Kuhmaul kann man mE schon beinahe daran erkennen, dass es einer der wenigen Pilze ist, die nach absolut gar nichts riechen.

    Andere Gerüche sind möglicherweise zwar intensiv, aber nicht sonderlich spezifisch. Alles Mögliche riecht nach Anis oder nach "Pilz".

    Aber bei vielen Gerüchen ist es eben nicht einfach, einen passenden Vergleich zu finden. Und Gerüche spezifizieren geht mE nur über Analogie.

    Ich habe noch nicht so ganz verstanden, wo der Teer herkommt - im Moment erinnert mich das an die Geschichte vom Betrunkenen, der nachts seinen verlorenen Schlüssel unter einer Straßenlaterne sucht. Obwohl er den woanders verloren hat, aber da kann er ja nichts sehen.

    Anders ausgedrückt: Wieso soll ich die Geruchsbeschreibung vom Karbolegerling von Karbol auf Teer ändern, obwohl er nicht nach Teer riecht, nur weil man sich darunter etwas vorstellen kann?

    Beste Grüße

    Sabine

    edit für Nachtrag: Ich glaube, eine Geruchsbeschreibung, die für den Karbolegerling für mich ganz gut passt, ist Heftpflaster.

  • Bei mir wachsen jedes Jahr ganz viele Karbolegerlinge im Garten.

    Also mit Tinte würde ich den Geruch nicht vergleichen, ich finde Tinte riecht nicht abstoßend. Ich finde sie riechen auch nicht nach Urin.

    Aber der Geruch von meinen Karbolchampignos ist wirklich abstoßend. Um nicht zu sagen widerlich... Ich weiß, damit kann man auch

    nicht wirklich etwas anfangen. Aber wenn man einmal an einem stark riechenden Karbolegerling gerochen hat, prägt sich der Geruch

    wirklich richtig ein. Er ist nicht angenehm... Dummerweise kann ich ihn auch nicht näher beschreiben. Du kannst mich gerne im nächsten

    Jahr mal besuchen um an einem zu schnuppern :wink:

    Obstartig hingegen ist ein Geruch, der für mich süßlich, fruchtig ist. Ob jetzt Apfel, Kiwi oder Orange, die riechen alle frisch und Süßlichsauer....

    Das mit der Geruchsbeschreibung beim Violetten Rötelritterling mit Multivitaminsaft trifft es auf jeden Fall wie Faust auf's Auge! Auch bei

    mir.

    Aber Gerüche sind immer sehr individuell....

    "Was die Raupe Ende der Welt nennt, nennt der Rest der Welt Schmetterling."
    (Laozi 老子)

  • Hallo zusammen,

    der letzte Satz von Rendel sagt eigentlich alles. Geruchsassoziationen werden in die Welt gesetzt, damit sie dem einen oder anderen beim Bestimmen helfen können. Die Schwierigkeit besteht zumindest bei den meisten Menschen nicht im Erfassen des Geruchs, sondern in der Beschreibung desselben in Worten. Ein Unverschämter Ritterling riecht exakt nach Unverschämtem Ritterling, aber nicht exakt nach Bahnhofsklo (es gibt schließlich auch gut geputzte!), ein Karbolchampignon exakt nach Karbolchampignon, aber nicht exakt nach Karbol, ein Violetter Ritterling exakt nach Violettem Ritterling, aber nicht exakt nach Multivitaminsaft. Aber Pilze wie diese riechen eben nicht nur "nach Pilz", "pilzig" oder "unangenehm", sondern tatsächlich nach etwas, das man aus seinem Leben kennt.

    Na toll, sagen jetzt die Leute, und wie soll ich nun bei einem persönlichen Erstfund den Unverschämten Ritterling erriechen? Im Pilzbuch findet man die verbale Geruchsassoziation. Man wendet sie nicht so an, dass man an einem komplett unbekannten Pilz riecht und seinen subjektiven Geruchseindruck in Worte fasst. So würde man sich später im Pilzbuch nach dem Geruch totsuchen. Stattdessen muss man zuvor die Beschreibung des Pilzes im Buch und damit die Geruchsbeschreibung lesen, später dann bei einem Pilzfund sich dieser Beschreibung erinnern, und dann bei erfolgtem Fund prüfen, ob man sich mit der Geruchsbeschreibung im Buch arrangieren kann. Am besten funktioniert das mit der Geruchsassoziation also, wenn man sich vorgenommen hat, den Unverschämten Ritterling zu finden (was ja momentan ziemlich leicht ist) und ihn dann tatsächlich findet und an ihm riecht. Oder aber, wenn ein erfahrener Pilzfreund sagt: da, riech mal an diesem Pilz, das ist der Geruch, der im Pilzbuch mehlig-ranzig oder chemisch-metallisch ("cristatoid") genannt wird.

    Vor Jahren hatte ich das Erlebnis mit Cortinarius callisteus, einem Raukopf, der laut Pilzbuch nach Dampflokomotive riecht. Ich fand den Pilz und rätselte herum, bis einer von uns auf die Idee kam, den Pilz aufzuschneiden und an der Schnittfläche zu riechen. Wir alle staunten, wie ähnlich der Pilz nach einer vorbeifahrenden, ihren Dampf ablassenden Dampflokomotive roch, und in dieser Sekunde wussten wir, welchen Pilz wir vor uns hatten, und welcher Realgeruch mit der Geruchsassoziation Lokomotive gemeint war. Das war natürlich nur möglich, weil wir zuvor von einem Pilz gehört hatten, der nach Lokomotive riechen sollte. Am gleichen Tag fanden wir noch einen weiteren Raukopf, der tatsächlich nach Petersilie roch, wie wir es zuvor im Buch gelesen hatten. Es war nicht exakt Petersilie, es war sozusagen ein schlecht nachgeahmtes Petersilienaroma, dem man aber anroch, was es darstellen sollte.

    Selbstverständlich braucht es für solche Eindrücke eine wirklich gute Nase, die nicht chronisch verschnupft oder gar durch ständigen Zigarettenkonsum zugeteert ist. Und natürlich sollte man sich auch schon lange vorher angewöhnt haben, an den verschiedensten Sachen zu riechen, soll heißen das Riechen und das In-Worte-Fassen der Assoziationen muss wie fast jede besondere Fähigkeit trainiert werden. Es ist nicht etwas, das man "einfach so mal" kann. Zu diesem Zweck bietet z. B. unser Pilzverein ab und zu "Riechseminare" an, bei denen gezielt Pilze mit markantem Geruch gesucht und jeweils passende Geruchsassoziationen verbalisiert werden sollen.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Stephan, das hast du aber schön beschrieben :)

    Und zu dem "man muss wissen, was man riechen soll" bekomme ich alljährlich eindrückliche Beispiele geliefert: Bei meinen Pilzwanderungen finden wir regelmäßig Zitronengelbe Knollenblätterpilze. Die reiche ich auch immer zum Schnuppern durch, und fast alle sagen: "Oh, ja, total speziell, aber ich komm' nicht drauf". Wenn ich dann sage: "Kartoffelkeime/Kartoffelkeller" macht es sofort bei allen "klick".

    Wenn man mit dem Verdacht rangehen würde, dass es nach Kartoffeln riechen könnte, erkennt man das natürlich sofort.

    Beste Grüße

    Sabine