Pilze aus dem Altdorfer Riesensandkasten

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 1.155 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. November 2022 um 08:55) ist von Fuddler.

  • Liebe Pilzfreunde,

    wie in jedem Jahr stattete ich dem Altdorfer Riesensandkasten (Teil des Lorenzer Reichswaldes ca. 15 km östlich von Nürnberg, zu erreichen über die BAB A6, Ausfahrt Altdorf/Leinburg) einen Besuch ab. Hierbei handelt es sich um einige Hektar nährstoffarmen Flechtenkiefernwald über lockerem Sandboden. Der Sandboden ist dort an vielen Stellen nackt, ähnlich wie in einem Kindersandkasten, und die Pilze schauen nur mit den Hutspitzen aus dem Sand heraus und sind ansonsten "vergraben", also ein richtiger Extremstandort, den man in dieser Art im Umkreis von mehreren hundert Kilometern meist vergeblich sucht.

    Bevölkert wird der Riesensandkasten von eher trivialen Arten mit Mykorrhizabindung an Kiefer, dazu kommen allerdings etliche Stachelinge (Kork-, Duft- oder Braunsporstachelinge) und die so selten anzutreffende "Ritterlingsflöte" des Flechtenkiefernwaldes, z. B. der Grünling, der Weißbraune Ritterling, der Getropfte Ritterling, der Halsbandritterling usw., also Pilzen, die es in den meisten Gegenden Deutschlands gar nicht gibt, und die die weite Fahrt normalerweise lohnen.

    Es zeigte sich wieder, wie seltsam dieses Jahr die Erscheinungszeiten der Pilze sind. Obwohl ich den Spätherbstaspekt dieses Waldes wieder gut getroffen zu haben glaube, hatten die meisten Grünlinge ihre gute Zeit schon hinter sich und gammelten herum. Weißbraune Ritterlinge, eines meiner Hauptforschungsobjekte, waren fast gar nicht zu sehen und wenn, dann nur in einer sehr unansehnlichen Qualität, die diesmal keine Erforschung erlaubte. Schwarzfaserige Ritterlinge, Seifenritterlinge, Halsbandritterlinge oder Frostschnecklinge gab es auch nur in recht homöopathischen Dosen. Dennoch musste ich nicht enttäuscht die Heimreise antreten, denn schöne Arten findet man dort trotzdem.

    Hier z. B. Tricholoma avernense, der Kiefernwald-Doppelgänger des Gelbgrünen Ritterlings (Tricholoma sejunctum), welcher ein Pilz mit Mykorrhizabindung an Buche ist. Zwei noch sehr frische Exemplare:

    und zwei schon etwas ältere Exemplare, die ihre leuchtenden Farben schon verloren haben.

    Der Pilz hat typischerweise einen auffallenden Hutbuckel und einen weißen Stiel ohne Schuppen, Pseudoringzone, Farbübergang oder dergleichen. Er schmeckt mild und riecht mehlig. Im Alter werden die Lamellen offenbar grau, wodurch die super-seltene Art Tricholoma luridum vorgetäuscht wird. Ich selber bin darauf auch schon hereingefallen.

    Am meisten habe ich mich über den Wiederfund des Königs-Stachelings (Sarcodon regalis) gefreut, den ich dort trotz alljährlicher Besuche vor elf Jahren das letzte Mal gesehen habe (außerhalb dieses Standortes übrigens noch nie!).

    Das rechte, voll ausgewachsene Exemplar hatte einen Hutdurchmesser von ca. 25 cm, also etwa so groß wie ein riesiger Habichtspilz-Schlappen. Sarcodon regalis, wie man hier sieht, hat eine blaugrüne Stielbasis. Laut Literatur gibt es keinen anderen blaufüßigen Sarcodon, der so groß werden kann. Die Hutoberfläche ist im Vergleich zum Fichten-Habichtspilz (Sarcodon imbricatus) recht feinschuppig und erinnert eher an den Kiefern-Habichtspilz (Sarcodon squamosus). Sarcodon regalis schmeckt aber im Gegensatz zum völlig milden Sarcodon squamosus arg bitterlich und hat wie schon gesagt eine blaugrüne Stielbasis, wie man hier noch einmal sieht.

    Immer wieder schick ist der Rosenrote Schmierling (Gomphidius roseus), der mit dem Kuhröhrling vergesellschaftet ist.

    Außerdem fand ich noch eine Trüffel, von der ich glaube, dass es eine Rhizopogon-Art ist. Da ich von Trüffeln nicht so viel verstehe, überlasse ich die Artdiskussion anderen mit mehr Fachwissen. Auffallend ist mMn die schon bei Jungexemplaren graugrüne Gleba, das Entwickeln rötlicher Flecken nach Luftkontakt sowie das offensichtliche Fehlen von Rhizomorphen.

    Also hat sich die Fahrt nach Altdorf wieder mal gelohnt.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Hallo StephanW

    Sehr schön beschrieben und dokumentiert, liest sich wie ein Beitrag aus meiner Lieblings-Zeitschrift Tintling.

    Allesamt noch nie gefunden.......

    BG Andy

  • Moin Stefan,


    Ich hab mal eine Frage: forschst du beruflich mit entsprechender Anbindung an Universitäre (o.ä.) Arbeitsgruppen oder hobbymässig?

    (Oder kannst du Beruf und Berufung nicht mehr klar abgrenzen?)


    Was tust du da genau?


    Viele Grüße

    Bernhard

  • Hallo Stephan,

    vielen Dank fürs Mitnehmen in dieses besondere Habitat. Außer dem Rosenroten Schmierling habe ich von deinen Funden noch nie etwas gesehen, und vom Königs-Stacheling und der Trüffel sogar noch nie gehört.

    Wenn der Königs-Stacheling dem Kiefern-Habichtspilz so ähnlich ist, könnte ich mir vorstellen, dass auch er ein wunderbarer (Blau-)Färbepilz ist. Aber wenn er so selten ist, wäre das natürlich ein Frevel.

    Beste Grüße

    Sabine

  • Ich hab mal eine Frage: forschst du beruflich mit entsprechender Anbindung an Universitäre (o.ä.) Arbeitsgruppen oder hobbymässig?

    (Oder kannst du Beruf und Berufung nicht mehr klar abgrenzen?)


    Was tust du da genau?

    Hallo Bernhard,

    es ist Hobbypilzforschung, immer mit dem Ziel, in der Pilzberatung stark zu sein. Also z. B. die Braunsporstachelinge oder die Ritterlinge auseinanderzuhalten, von denen es jeweils von Superlecker bis Bäbä alles gibt. Ich habe immer das Ziel, die Pilze, die man zwar in der Fachliteratur beschrieben bekommt, aber nie selber findet, doch noch aufzuspüren. Im Berufsleben bin ich Oberbeamter und habe mit Pilzen nichts am Hut, außer ich veranstalte vielleicht mal eine Exkursion für meine Kollegen.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Hallo Stephan,


    danke fürs zeigen der tollen Funde und deinen Bericht.

    Schade, dass es bei mir nicht geklappt hat sonst hätte ich sie auch zu Gesicht bekommen. Bestimmt nächstes mal.

    LG Thiemo

    Bestimmungsvorschläge anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Eine Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben! -> Pilzsachverständige finden

  • Respekt! Das ist ja schon n committment für ein Hobby.