Ein paar Krustenflechten

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 425 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (1. Dezember 2022 um 09:51) ist von KaMaMa.

  • Hallo Flechtenfreunde!

    Am Freitag war mein letzter Arbeitstag vor einer Woche Urlaub und ich habe mich nach der Arbeit noch ein wenig in Heilbronn umgeschaut, ehe ich nach Hause fuhr.

    Jetzt habe ich die mitgebrachten Proben durch und wollte die Gelegenheit nutzen, die Funde hier einzustellen.

    Wenn jemand Einwände zu den Bestimmungen oder Korrekturvorschläge anbringen möchte - immer her damit, so lerne ich am Besten!

    Eine wenig erbauliche Grünfläche mit einigen Bäumen in der Nähe der Sportstätten ist mit diversen, kreativ gewählten Steinbrocken (alles was verfügbar war: Sandstein, Granit, Betonabfall, etc.) eingefasst.

    Auf einem Teil der Steinblöcke aber wachsen dichte Flechtenbeläge!

    Bild 1 Grünfläche mit locker gereihtenSteinblöcken als Einfassung nach Regen

    Von meinem letzten Besuch wusste ich, dass hier mitten in der Stadt hübsche Krustenflechten zu finden sind.

    Morgens hatte es geregnet, weshalb die Flechten auf den Fotos feucht sind, zumindest die Probennahme ist dadurch etwas erleichtert.

    Gleich auf einem der ersten Sandsteinblöcke eine durch die Feuchtigkeit grüne, sehr körnige Kruste ohne Randlappen und vielen dunklen Apothecien.

    Apothecien mit Thallusrand, Rand ebenso körnig wie der Thallus selbst.

    Hier habe ich Proben mit dem Messer abgehoben für die Analyse zuhause.

    (Die Sandkörner in den Proben sind die Rache der Flechten und kosten mich einige Deckblättchen)

    Der Thallus ist R-. Die Sporen erweisen sich als 2-zellig, mit sehr dünnem Septum und messen um 12-15 x 5-6 µm².

    Das Hymenium ist etwa 80 µm dick, die Paraphysen sind am Ende etwas aufgedickt um 2-3 µm im Durchmesser.

    Ich schlüssle mich zu Lecania erysibe durch, was ich für plausibel erachte.

    Bild 1 Rasen von Lecania cf. erysibe, Körnige Blassrandflechte - dazwischen eine (nass!) dunkelgrüne (trocken hellbraune), pyrenocarpe Schuppenflechte (vgl. Bild 2)

    Ein Stück weiter Krusten- oder Schuppenflechten, ein davon grau-weiß, mit dunklen, eingesenkten Perithecien auf den Areolen.

    Die Farbe der Flechte ist im trockenen Zustand unverändert grau-weiß, allerdings reißen die Areolen auseinander und breite Spalte klaffen dazwischen.

    Die Sporen sind einzellig, es lassen sich allerdings auch 2-zellige finden (gealterte?).

    Die Sporen messen 16-20 x 6,5-7,5 µm² und sind in Lugol dextrinoid, wie auch die Hymenialgallerte.

    Die Asci selbst reagieren nicht auf Lugol.

    Ich würde hier Catapyrenium cinereum vermuten, bin mir aber nicht abschließend sicher mit der Zuordnung.

    Denn was bei dieser Zuordnung stört, sind die teilweise 2-zelligen Sporen!

    Die Flechte wächst zusammen mit Lecania cf. erysibe aus Bild 1, einer schwarzfrüchtigen Rinodina (am unteren Bildrand links der Mitte) und anderen mehr.

    Bild 2 Die hellgraue Catapyrenium cinereum, Aschgraue Lederflechte, zwischen diversen anderen Krustenflechten

    Es finden sich auch farbenfrohere Flechten wie die folgende Anhäufungen von gelben Apothecien (Bild 3).

    Die 2-zelligen Sporen mit dickem Septum weisen in Richtung Caloplaca.

    Die Sporenmaße betragen 15-20 x 7,5-9 µm.

    Der Thallus reagiert nicht auf die Färbereagenzien (R-).

    Mikroskopisch färbt sich das Epihymenium in KOH violett!

    Die Hymenialgallerte ist amyloid (L+ blau).

    Der Bestimmungsschlüssel führt mich zu Caloplaca crenulatella agg.

    Neben der Caloplaca wachsen noch kleinere Thalli von Collema crispum auf dem gleichen Steinblock (auf Foto 3 nicht zu sehen).

    Bild 3: Caloplaca crenulatella, Feingekerbter Schönfleck, auf grobem Sandstein

    Ansonsten konnte ich noch eine hübsche Melange aus vermutlich der Zerstreuten Kuchenflechte (Lecanora dispersa) zusammen mit gelben Caloplacen / Candelariellen (nicht weiter untersucht) finden:

    Bild 4 Lecanora dispersa und gelbe Krustenflechten (ev. Caloplaca oder Candelariella)

    Auch schön - etwas größere Flechtenthalli nebeneinander:

    Bild 5 Physcia caesia, die Blaugraue-Schwielenflechte (links) mit einer jungen und noch sterilen, Gewöhnlichen Mauerflechte (Lecanora muralis, rechts).

    Darunter eine feucht dunkelgrüne Krater-Kragenflechte (Aspicilia contorta) mit schwarzen Apothecienscheiben.

    Bild 6 Farbenspiel aus Gelb (Gewöhnliche Gelbflechte, Xanthoria parmelia), Blaugrün (Gewöhnliche Mauerflechte, Lecanora muralis) und Orange (Zierliche Gelbflechte, Rusavskia elegans)

    Gut für die Flechten ist, dass sie sich schwere Steine als Substrat ausgesucht haben und nur sehr schwer davon abzulösen sind, sonst hätte ich mehr Pröbchen oder gar den ganzen Stein mitgenommen. ;)

    So blieben mir nur die Fotos und die Flechten dürfen ungestört von mir weiterwachsen!

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    sensationell was bei dir zu finden ist und deine tolle Arbeit wie du das alles entschlüsselst, meine Bewunderung!!!:shy: Ich werde noch sehr viel über Flechten lernen müssen.

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    vielen Dank für das Lob!

    Ob überhaupt stimmt, was ich da schreibe, ist allerdings eine offene Frage.

    Häufig/meistens ist nur eine (idealerweise begründete) Vermutung möglich, mir mangelt es da an Erfahrung.

    Auch ich werde noch sehr viel lernen müssen.

    Aber das ist ja gerade auch das Schöne daran: es gibt immer Neues zu entdecken und zu lernen! :happy:

    LG, Martin