Polyporus = Stielporlinge

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 13.882 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (4. Juni 2014 um 23:24) ist von Ehemaliges Mitglied 02.

    • Offizieller Beitrag

    Stielporlinge = Polyporus P. Micheli ex Adanson s.str.

    Kurzbeschreibung für die mitteleuropäischen Arten:
    Einjährige Porlinge, abgestorbene Fruchtkörper können wegen der im Alter sehr zähen Fleischkonsistenz auch deutlich länger als ein Jahr zu sehen sein;
    Zersetzer (Saprobionten), seltener Wund- oder Schwächeparasiten an Laub und (selten) Nadelholz;
    Fruchtkörper deutlich gestielt (zentral bis seitlich);
    Hutunterseite mit sehr weiten bis sehr feinen Poren;
    Fleisch weißlich, schwammig - brüchig bis korkig hart;
    Sporenpulver weiß;
    Sporen zylindrisch bis allantoid, glatt, dünnwandig, inamyloid;
    Basidien meist 4-sporig; keine Zystiden vorhanden;
    Hyphenstruktur dimitisch
    Die Typusart der Gattung ist Polyporus tuberaster (Sklerotienporling)
    Als Speisepilze kommen in der Gattung eigentlich nur der Sklerotienporling und der Schuppige Porling in Frage, solange sie jung sind. Die anderen Arten sind zu zäh. Sehr junge Kastanienbraune sind bisweilen auch noch recht weich.
    Einige Arten können aber auch bitter schmecken.
    Giftpilze gibt es in der Gattung nicht.

    Artenliste:

    • Polyporus alveolaris / mori = Bienenwabenporling
    • Polyporus arcularius = Weitlöchriger Porling
    • Polyporus badius = Kastanienbrauner Stielporling
    • Polyporus brumalis = Winterporling
    • Polyporus ciliatus / lepideus = Maiporling
    • Polyporus leptocephalus / varius = Löwengelber Stielporling
    • Polyporus melanopus = Schwarzfußporling
    • Polyporus squamosus = Schuppiger Porling
    • Polyporus tuberaster = Sklerotienporling
    • Polyporus umbellatus = Eichhase

    Achtung: Das sind nur die wichtigsten, in Mitteleuropa vorkommenden Arten.
    In Südeuropa, vor allem aber in subtropischen und tropischen Regionen kommen viele weitere Arten vor, die hier nicht berücksichtigt sind!


    Provisorischer Bestimmungsschlüssel für die oben genannten Arten:

    1a) Fruchtkörper büschelig mit mehreren Einzelhüten aus einem Strunk entspringend, Stiele teils verzweigt ---> Polyporus umbellatus (Eichhase)
    1b) Fruchtkörper einzeln oder in lockeren Gruppen, selten und nur wenige Exemplare mit zusammenwachsender Stielbasis ---> 2

    2a) Hutoberfläche grobschuppig ---> 3
    2b) Hutoberfläche glatt, filzig oder sehr fein schuppig ---> 5

    3a) Fruchtkörper ausgewachsen zentrisch bis schwach exzentrisch gestielt ---> Polyporus tuberaster (Sklerotienporling)
    3b) Fruchtkörper ausgewachsen seitlich gestielt oder zumindest deutlich exzentrisch ---> 4

    4a) mit Mehlgeruch ---> Polyporus squamosus (Schuppiger Porling)
    4b) ohne Mehlgeruch ---> Polyporus alveolaris / mori (Bienenwabenporling)

    5a) Poren mittelmäßig fein bis sehr weit (generell weniger als 4/mm) ---> 6
    5b) Poren fein bis sehr fein (generell mehr als 4/mm) ---> 7

    6a) Poren sehr groß (meist mehr als 1mm lang); deutlich langgezogen rauten – oder rhombenförmig ---> Polyporus arcularius (Weitlöchriger Porling)
    6b) Poren selten (erst im Alter) langgezogen; rundlich bis eckig; ca. 1-3/mm ---> Polyporus brumalis (Winterporling)

    7a) Hutoberfläche filzig, faserfilzig oder feinschuppig, Stieloberfläche schuppig bis faserfilzig (Schuppen und Stielgrund kontrastierend), Stiel idR. nicht schwärzend ---> Polyporus ciliatus (Maiporling)
    7b) Hutoberfläche radialfaserig, glatt oder glänzend, nicht filzig oder schuppig, Stiel ebenfalls nicht schuppig, gelegentlich sehr fein filzig, dann aber auch schwarz (Filz nur in schwarzem Bereich) ---> 8

    8a) Hutoberfläche speckig glänzend ---> 9
    8b) Hutoberfläche matt ---> Polyporus leptocephalus / varius (Löwengelber Stielporling)

    9a) Wachstum direkt auf Holz, seltener an vergrabenem Holz (dann scheinbar auf Erdboden); generative Hyphen ohne Schnallen ---> Polyporus badius = Kastanienbrauner Porling
    9b) Wachstum meist auf Erdboden (bzw. an vergrabenem Holz); generative Hyphen mit Schnallen ---> Polyporus melanopus (Schwarzfuß – Porling)

    Anmerkung zum Schlüssel:
    Wegen der großen Variationsbreite der hier behalndelten Arten kann es insbesondere bei der Beurteilung von zu jungen (noch nicht alle Merkmale entwickelt) oder zu alten (überständig, Merkmale teils schon verfallen) Einzelfruchtkörpern zu falschen Ergebnissen kommen. Darum sollte wenn möglich immer eine Kollektion von mehreren Fruchtkörpern in veschiedenen Entwicklungszuständen untersucht werden. Dabei sollte man auch auf die Beschreibungen der Arten achten (Gesamtbild) und ggfs. Das Schlüsselergebnis noch mal mit einem anderen Fruchtkörper der selben Kollektion nachvollziehen.


    Gattungsabgrenzung / ähnliche Arten:
    Die Gattung Polyporus war früher wesentlich umfangreicher, da sehr viele holzbewohnende Pilze mit Röhren und Porenschicht hier zusammengefasst waren. Mittlerweile enthält die Gattung (in Mitteleuropa) nur noch klar gestielte Arten.
    Gestielte „Porlinge“ kommen allerdings auch in anderen Gattungen vor:
    - Podofomes: monotypische Gattung mit nur einer Art ---> Podofomes trogii = Tannen – Stielporling; mitzumindest im Alter krustenartiger Hutoberfläche
    - Grifola: monotypische Gattung mit nur einer Art ---> >Grifola frondosa = Klapperschwamm<
    - Boletopsis (Rußporlinge): mit zwei Arten in Mitteleuropa, monomitischer Hyphenstruktur und eckigen Sporen; Bodenbewohner; Beispiel: >Boletopsis leucomelaena = Schwarzweißer Rußporling<
    - Albatrellus (mit zB. >Albatrellus confluens = Semmelporling<, >Albatrellus cristatus = Kammporling<): Bodenbewohnende Porlinge mit monomitischerHyphenstruktur und breit ellipsoiden Sporen; Mykorrhiza – Pilze
    - Abortiporus (Saftwirrlinge): meist eher undeutlich gestielt und gerne mit mehreren Fruchtkörpern zusammenwachsend, zum Beispiel: >Abortiporus biennis = Rötender Saftwirrling<
    - Pelloporus mit einer gestielten Art: Pelloporus tomentosus = Gestielter Filzporling mit festem Fleisch und filziger Hutoberfläche
    - Coltricia (Dauerporlinge) mit 4 Arten in Europa, die sich meist nur mikroskopisch unterscheiden lassen. Am bekanntesten wäre >Coltricia perennis = Gebänderter Dauerporling<
    - Ganoderma: Als Arten mit Stiel wären in Europa vor allem >Ganoderma lucidum = Glänzender Lackporling< und >Ganoderma carnosum = Dunkler Tannen – Lackporling< zu berücksichtigen.

    Hallo, Leute!

    Ich hoffe, der eine oder die andere kann was damit anfangen.
    Feedback, Kritik und Ergänzungen erwünscht, ich will ja auch wissen was nicht funktioniert, wenn was nicht funktioniert.
    Und Polyporus melanopus ist absichtlich nicht verlinkt. "Under construction" sozusagen.

    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,

    vielen Dank für deine Mühe und den ersten Beitrag zum Thema GATTUNGSKUNDE. Für mich ganz schön viel Stoff. Aber schön ist ja, das ich auf deinen Beitrag zurückgreifen kann, wenn ich mich mal etwas intensiver mit diesem Thema beschäftigen will.

    Herzlichen Dank, und so stell ich mir das auch in einem freundlichen Pilzforum vor. Informativ und hilfreich.

    Fällt zwar unter Gattungsabgrenzung / ähnliche Arten[:
    Aber seit einiger Zeit mache ich jede Woche ein Foto von einem Glänzendem Lackporling. Mein Interesse geht in Richtung Wachstumsphasen/Wachstumsveränderungen/Farbveränderungen usw.
    Er wächst im Wurzelbereich einer alten Eiche. Welcher genau, weiß ich leider noch nicht.

    Hier das letzte Bild.

    Foto: Glänzender Lackporling.

    Gruss von der Wuhle. Heinz

    Einmal editiert, zuletzt von Ehemaliges Mitglied 02 (22. Mai 2014 um 22:43)

  • Hallo Pablo,

    dass du mit der Gattungskunde begonnen hast, finde ich großartig - vielen Dank für deine Mühe, vorallem die klare Sprache und ein gut verständlicher Inhalt sollte ungeübten Pilzbestimmern eine echte Hilfe bieten.

    Ein schönes Wochenende.

    Viele Grüße

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Heinz & Veronica!

    Danke für die Blumen.
    Wenn man was damit anfangen kann, freut mich das besonders.

    Das Lackporlings - Bild ist ein sehr hübsches, Heinz.
    Und eine kleine Kostbarkeit ist der Pilz auch. Es sollte schon der Glänzende / Reishi (Ganoderma lucidum) werden, denke ich.
    Die Unterscheidung zum Kupferroten (Ganoderma pfeifferi) ist teils nicht so einfach, wenn kein so deutlicher Stiel zu sehen ist, und da gibt es auch noch ungeklärte Fragen zur Artabgrenzung, aber das ist dann ein Thema für die Besprechung zur Gattung Ganoderma.


    LG, Pablo.

  • Hallo Zusammen,

    letztes Jahr fand ich im April die abgebildeten Pilze. Ich denke nunmehr, es dürften Porlinge gewesen sein.
    Annahme: Weitlöchriger Porling (Polyporus arcularius)

    Nähere Angaben kan ich leider nicht machen. Hab damals nur im Vorbeigehen diese Aufnahmen gemacht. Als ich ein paar Tage später noch einmal vorbeischaute, war der ganze Stamm verschwunden. Er lag am Wegesrand. Die Ränder des Wuhlewanderweges werden gemäht. Er lag wohl im Wege, und wurde weggeräumt.

    2 Bilder vom ?


    LG. Heinz

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Heinz!

    Porlinge sind's in jedem Fall. Allerdings ist es hier dann schwierig, die Grenze zwischen dem Winterporling (Polyporus brumalis) und dem Weitlöchrigen (Polyporus arcularius) zu ziehen.
    Da musste man nun mehrere Fruchtkörper in verschiedenen Altersstufen von unten angucken.
    Das von unten zu sehende Exemplar hat zumindest am Hutrand recht kleine, eher rundliche Poren. Wichtig wäre es nun, ob bei älteren Exemplaren dieses Merkmal immer noch ausgeprägt ist, oder ob dort die Poren überall groß und langgezogen sind. Bei jüngeren Fruchtkörpern sollte man mal schauen, ob sich da noch vermehrt feine, rundliche Poren finden.

    Das ist eben das Problem bei den beiden Arten, daß es immer wieder mal Fruchtkörper gibt, die sich schwer zuordnen lassen.
    Hier hätte ich von der Ansicht der Bilder und vom Gesamterscheinungsbild (u.a. auch geringe Bewimperung am Hutrand - "weiches" Merkmal) eine leihcte Tendenz zum Winterporling. Aber wie gesagt: Eine Tendenz. Mehr nicht. Kann gut sein, daß bei weiteren Ansichten von Hutunterseiten doch eher der Weitlöchrige rauskommt.


    LG, Pablo.

  • Hi Pablo,

    recht herzlichen Dank für die Informationen. So habe ich doch zumindest einen richtungsgebenden Hinweis. Und wieder etwas dazugelernt.

    Danke. Heinz

    Einmal editiert, zuletzt von Ehemaliges Mitglied 02 (5. Juni 2014 um 08:03)