Grau-weiße Buelli-Scheibenflechte (Diplotomma hedinii) & Gefurchte Felsenflechte (Dirina stenhammarii)

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 526 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (11. November 2023 um 19:26) ist von KaMaMa.

  • Hallo Flechtefreude!

    Aus dem Labyrinth der Felsengärten konnte ich eine hübsche weiße Krustenflechte bestimmen.

    Eigentlich bin ich auf der Spur der sterilen weißen Kristenflechte, die dort in großer Zahl wächst - hier blieb mir bislang der Erfolg versagt.

    Bild 1 Kalkfelsen, links stets beschattete Ostseite mit großflächigen, weißen Überkrustungen durch Flechten

    Bild 2 Die Grauweiße Buelliflechte (D. hedinii) mit eingesenkten, schwarzen, leicht bereiften Apothecien

    Bild 3 Die dominierende Krustenflechten-Art ist steril und besitzt hellgraue Sorale. Im Bild überwächst sie mehrere kleine Buellflechten, die am Thallusrand durch ihre schwarzen Apothecien auffallen.

    Bild 4 Vergößerter Ausschnitt mit kleiner Grauweißer Buelliflechte in der Bildmitte.

    Ein kleines Probenstückchen auf einem auf dem Weg liegenden Felsbrösel der Buelliflechte (D. hedinii) erweist sich als reaktionslos mit den üblichen Färbechemikalien (C-, K-, P-, L-).

    Bild 5 Rissig areolierter Thallus, kreidig weiß; Apothecien schwarz, bereift, flach, in Thallus eingesenkt bzw. sehr flach aufsitzend

    Bild 6 Phycobiont sind coccoide Grünalgen

    Bild 7 Querschnitt durch Apothecium: Epihymenium braun, Hymenium weiß und 50-70µm dick, Hypothecium braun; Schläuche 8-sporig; Sporen braun (100x in Wasser)

    Die Paraphysen (sterile Hyphen zwischen den Schläuchen in der Fruchtschicht / Hymenium) sind septiert, am Ende häufig verzweigend, am Ende leicht kopfig verdickt; Endzellen mit dunkelpraunem Piment inkrustiert:

    Bild 8 Braune Paraphysenköpfe, die Sporen 4-zellig

    Die Sporen sind zuerst farblos, jung graugrünlich und reif braun.

    Bild 9 Hymenium mit unreifen Sporen in Schläuchen, Schläuche mit großem Tholus im Schlauch-Scheitel

    Bild 10 Reife, braune, 4-zellige Sporen außerhab der Schläuche (bissle croissant-artig) zwischen dunkelbraunen Paraphysenköpfen

    Bild 11 Hymenium amyloid (in Lugol blau), insbesondere die Tholi färben sich an der Schlauchspitze kräftig blau (Bildeinsatz)

    Die Flechte hätte ich bereits makroskopisch als D. hedinii einsortiert, aber erst die Mikroanalyse bestätigt den Verdacht.

    Die Grauweiße Buelli-Scheibenflechte kommt auf Kalkstein und kalkhaltigen Silikatgestein vor, bevorzugt trocken-warme, mäßig bis sehr lichtreiche Standorte (Blöcke im Magerrasen), verträgt Trockenheit gut (xerophil), ebenso Stickstoffeintrag (z.B. Vogelkot).

    Die Flechte gilt zwar als selten, ist aber großen Teilen Deutschlands nachgewiesen, insbesondere auch hier am (mittleren) Neckar, in der Muschelkalkregion.

    LG, Martin

    Einmal editiert, zuletzt von KaMaMa (6. März 2023 um 06:55)

  • Hallo Martin,

    mir scheint du hast einen ertragreichen Fundort seltener Flechten in den Felsengärten gefunden, das macht Freude:smile1:, aufzuschlüsseln.

    Habe mir die Flechte mal angeschaut, passt alles, gut zu erkennen Foto 10 die 4 zelligen braunen Sporen :thumbup:.

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    ja die Felsengärten sind gar nicht schlecht!

    Aber leider ist es wie überall - zu viele Menschen - mich natürlich eingeschlossen.

    Ich fahre diese Tage nach der Arbeit nochmal hin, um einen UV-Test vor Ort zu machen (vielleicht bringt mich das weiter mit dieser verflixten, sterilen Kruste), dann war's das wieder für eine ganze Weile und ich wende mich mal wieder den Weinbergsmauern zu.

    Die sind auch sehr schön.

    LG, Martin

  • Hallo!

    Durch Zufall weiß ich seit heute auch, um welche Flechte es sich bei der häufig vorkommenden, grauweiß gefärbten, sterilen Krustenflechte von Bild 3 handelt.

    Beim Blättern durch meine neues Flechtenbuch ("Die Flechten Mitteleuropas"), stieß ich auf eine Abbildung genau dieser recht auffälligen Flechtenart.

    Sie dominiert in den Felsengärten große Flächen, insbesondere die der schattigeren, und damit kühleren und feuchteren nordlich ausgerichteten Felswände.

    Bild N1 Felswand mit großen Flächenbereichen, die von grauweißen Krustenflechten bewachsen sind.

    Bild N2 Blick von anderer Seite auf die Muschelkalkwand

    Die Flechte besitzt einen sehr dicken, kreidigen Thallus (mehrere Millimeter dick) mit einer unebenen Oberfläche, die feinrissig areoliert ist.

    Die Flechte ist steril und besitzt auffällige, kreisförmige, erst weiße, später graubraune Soredien, die allmälich zusammenwachsen.

    Der Vorthallus ist weiß.

    Die Ritzspur war grün (was Trentepohlia aber nciht ausschließt).

    Bild N3 Kleiner Flecken mit zusammenwachsenden Thalli.

    Die Bilder zum Betrachten bei voller Auflösung durch anklicken öffnen!

    Bild N3A Detail

    Bild N4 Hier habe ich mich lange täuschen lassen und Grünalgen vermutet, was aber falsch ist - der Algenpartner ist Trentepohlia!

    Bild N5 Auffällig intensive C-Reaktion (C+rot)

    Schlüsselt man korrekten Algenpartner Trentepohlia, gelangt man sehr schnell zu Dirina stenhammarii!

    Es handelt sich um die einzige Flechtenart ihrer Gattung in Deutschland.

    Sie kommt an regengeschützen, tendentiell lichtarmen, luftfeuten Vertikalflächen bis in die montane Stufe vor, meist in Wäldern und/oder Tälern.

    Da sie nur auf Kalkstein vorkommt, ist sie auf die Regionen mit entsprechenden Aufschlüssen und Felsen beschränkt.

    LG, Martin


    Bild N6 Von Kletterern polierte Flechte

    Bild N7 Exemplar mit ausgeprägten Soralen

  • Hallo Martin,

    dahast du ja ein tolles Erfolgserlebnis:good:. Das sind auch für mich interessante Mikrofotos, zum erkennen der Sporen und Hymenium usw., davon erkenne ich noch zu wenig.

    Diese dicke weiße kreidige Flechte habe ich auch bei uns an Steilwänden schon gesehen und versucht mal eine Probe zu entnehmen, zerbröselt beim Berühren sofort. Ist wohl ein neuer Versuch angesagt.

    Wie ich auf Bild 5 sehe, hast du deine Chemie auch unterwegst dabei;).

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    die Chemie habe ich normalerweise NICHT dabei - ist mir zu heikel, falls man was auslaufen sollte.

    Das brauche ich nicht in der Tasche!

    Die Flechte hat mich lange gefuchst.

    Ich bin drei Mal hin und beim dritten Mal hatte ich dann die Chemie mitgenommen, um die Flechte vor Ort zu testen.

    Man kann ja schlecht dort mit Hammer und Meisel Felsstücke abschlagen.

    Das Ergebnis hat mir dann aber auch nicht weitergeholfen, weil ich von den falschen Algen ausgegangen bin...

    Also, sterile Flechten sind schon fordernd!

    Mehr oder minder durch Zufall bi ich auf ein Foto im Buch gestoßen und habe die Flechte sofort erkannt.

    Beim Rückwärtsschlüsseln bin ich auf meinen Fehler gestoßen: die Algen! Tja...

    Die Diplotomma ganz oben dagegen war relativ leicht, da reichen 1-2 Apothecien aus, um sie zu bestimmen.

    LG, Martin

  • KaMaMa 11. November 2023 um 19:27

    Hat den Titel des Themas von „Grau-weiße Buelli-Scheibenflechte (Diplotomma hedinii)“ zu „Grau-weiße Buelli-Scheibenflechte (Diplotomma hedinii) & Gefurchte Felsenflechte (Dirina stenhammarii)“ geändert.