Spaziergang am Helfenberg

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 1.074 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. März 2023 um 17:23) ist von KaMaMa.

  • Hallo!

    Ich war gerade auf dem Helfenberg, wo auch die Lobothallia wächst und anderes mehr.

    Heute morgen hat es etwas geregnet, deshalb sind die Flechte angeschwollen und besonders farbenfroh.

    Ein paar Eindrücke, ohne Kommentar:

    Bild 1 Burgruine

    Bild 2 Flechtegesellschaft auf Baumrinde

    Bild 3

    Bild 4 eine orangefrüchtige Caloplaca (Schönfleck)

    Bild 5 Lecanora-Dublette (ev. L. campestris)

    Bild 6 Unbekannte, weiße Krustenflechte

    Bild 7 Lecanora muralis und L. cf. campestris (unten wieder die orangefrüchtige Caloplaca)

    Bild 8 Moose und Flechten auf den verwitterten Sandsteinen der Mauer am Wegesrand

    Bild 9 Das Sandsteinmäuerchen, unten schräge Betoneinfassung (darauf viele L.muralis, aber auch Lobothallia radiosa)

    Bild 10 Große, weiße Krustenflechte mit eingesenkten Apothecien - ich wüsste zu gerne, was das ist!

    Bild 11 Diverse Schönflecke - eine graue Caloplaca mit orangeroten Apothecien (C. cf. teicholyta), eine kräftig orange Caloplaca, fast nur aus Apothecien bestehend (C. cf. dolomiticola agg.), die zitronengelbe, sorediöse Caloplaca decipiens links unten und eine braune Krustenflechte (ev. Verrucaria)

    Bild 12 Flechtenmosaik

    Bild 13 Interessant und unbekannt!

    Bild 14 Eine feinkörnige Becherflechte (Cladonia cf. chlorophaea?)

    Bild 15 Peltigera praetextata mit stellenweise stark isidiösen Thallusrändern

    Bild 16 Nieswurz

    Bild 17 Blick gegen Südwesten

    Ein schöner Ort, nicht nur für Flechten!

    Dann war es leider wieder Zeit zu gehen.

    LG, Martin

    Einmal editiert, zuletzt von KaMaMa (10. März 2023 um 19:09)

  • Hallo Martin,

    das ist ja wieder irre was dir so vor die Linse kommt, ich glaube ich sollte in deine Gegend umziehen.

    Einen herrlichen Frühblüher hast du ja auch erwischt, sollte ein Nieswurz - Helleborus foetidus sein denke ich :agree::agree:.

    Die Flechtenvielfalt in deiner Gegend ist ja super!!

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    ich zeige von meinen Spaziergängen die schönen Orte und die schönen Funde.

    Die meisten Stellen sind leider anders.

    So außergewöhnlich kommt mir das gar nicht vor - aber das Gewohnte hält man schnell für gewöhnlich.

    In der Ecke dort gibt es genau eine Peltigera, und ich habe genau einen kleinen Flecken Cladonien gesehen.

    Die Krustenflechten dort halte ich schon für spektakulär.

    Ich liebe es, sie vergrößert zu betrachten.

    Ich habe einige Proben mitgenommen, aber ich hänge schon bei der ersten Flechte (Bild 10) fest und bekomme bisher nicht mal die Gattung raus...

    Oh je, wenn sie nur nicht so schwierig zu bestimmen wären!!! :confused:

    Mit der Stinkenden Nieswurz hast du natürlich Recht.

    LG, Martin

  • Hallo Bernd, Bemoeh ,

    die weiße Flechte aus Bild 10 ist ganz anderes als die Flechte auf Bild 4.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Bild 4 und 10 heweils eine Pyrenodesmia/Caloplaca teicholyta zu sehen sein könnte.

    P. teicholyta hat einen graue, körnig- blastidiate Thallusoberfläche. Sie wird zwar als meist steril beschrieben, hier finde ich sie aber meistens orangerot fruchtend.

    Flechte 4 ist fast kreideweiß und hat unförmige, eingesenkte Fruchtkörper, die hellbraun wirken.

    LG, Martin

  • Hallo KaMaMa,

    vielen Dank für die Vorstellung deines wunderbaren Flechtenparadieses Helfenberg.

    Da du dich zu Foto 3 bisher noch nicht geäußert hast, möchte ich fragen, ob es sich vielleicht um Parmelia tiliacea handeln könnte? Oder sogar um die seltene Parmelia pastillifera, sofern die Kuppen der Isidien eingedellt sind. Kann ich auf dem Foto nicht erkennen.

    Besonders angetan hat es mir aber die Flechte von Foto 10. Sie hat mich angeregt, erste Gehversuche durch die Bestimmungsschlüssel von WHS 2013 zu unternehmen.

    Gestartet bin ich nach einigen erfolglosen Anläufen mit Aspicilia (S.187) und dort bis Nr. 21 gekommen. Hier ging es nicht weiter, da ich die K-Reaktion des Marks nicht kenne.

    Falls das Mark K- oder bei K+ gelb bleibt, geht es weiter zu Circinaria mit möglichen Arten.

    Sollte das Mark aber K+ erst gelb dann bleibend rot werden, so müsste es Aspicilia cinerea sein. Leider konnte ich dazu bei WHS kein Bild finden, obwohl es durch ein Quadrat vor dem Namen angekündigt wird. Fotos, die ich an anderen Stellen finden konnte, waren vielversprechend.

    Ich hoffe, dass ich nicht zu früh falsch abgebogen und daher nicht im Flechtenparadies geblieben bin, sondern im Dschungel der Bestimmungsschlüssel verloren ging.

    Gruß, lulich

  • Hallo Julich,

    die kleine hellgraue Flechte in der Bildmitte von Bild 3 ist sicher Parmelina tiliacea, eine Flechte die ich hier oft an Baumstämmen und dicken Ästen finden kann. (Bilder 2+3 sind an Baumstämmen aufgenommen, das hatte ich oben nicht erwähnt).

    P. pastilifera habe ich in den Vogesen finden können (auf Gestein), sie kommt hier am mittleren Neckar wahrscheinlich nicht vor, jedenfalls habe ich sie bisher nicht gesichtet.

    Zum der weißen Flechte kann ich später schreiben, aber leider nicht auswendig.

    LG, Martin

  • Hallo!

    Ich hätte einen Nachtrag zur den Flechten oben: Die Flechte auf Bild 13 ist bestimmt als Lobothallia cf. (prae)radiosa.

    Eine kleine Probe vom leicht abstehenden Thallus war schnell genommen.

    Die Färbereaktionen und die Sporen führen über den Schlüssel schnell zu Aspicilia, dort weiter zu Lobothallia radiosa / praeradiosa.

    - diskokarpe Krustenflechte mit angedeuteten Randlappen, ohne Isidien, ohne Sorale auf Gestein

    - Apothecien mit Thallusrand, aufsitzend bis eingesenkt

    - Sporen farblos, einzellig, zu 8 in den Schläuchen, Abmessung um 12,5 x 8,5 µm

    - Thallus K+ orangerot, aber nicht tiefrot

    - Epihymenium olivgrün, K+ rot

    - Paraphysen perlschnurartig, leicht verzweigt, nicht stark vernetzt

    => Aspicilia

    dort weiter:

    - Mark und Sporen inamyloid (IKI-)

    - Thallus P+ gelb, C-, K+ gelb

    - keine Isidien oder Sorale

    - Epihym. olivbraun

    - coccoide Grünalgen

    - Paraphysen perlschnurartig septiert

    - Randlappen vorhanden

    - Thallus areoliert (gefeldert)

    => Lobothallia

    Von den drei jetzt zur Auswahl stehenden Flechtenarten erscheint mir in der Gesamtheit Lobothallia radiosa am plausibelsten und am besten zu den Merkmalen übereinzustimmen.

    Zudem ist sie die häufigste Art und auch im Hügelland bekannt.

    (Hat vielleicht jemand Erfahrung mit Lobothallia praeradiosa und oder Lobothallia alphoplaca?)

    Die Flechte hätte ich ohne weiterführende Untersuchung nicht bei Lobothallia einsortiert!

    LG, Martin

    Bilder:

    Bild N1 So werden die Pröbchen später nicht verwechselt (Döschen mit 3,0 cm Außendurchmesser)

    Bild N2 Olivbraune, eingesenkte, dicht gedrängt unförmig polygonale Apothecien mit Thallusrand

    Bild N3 Einzelnes, junges und in Aufsicht rundes Apothecium, etwas hochstehend; Thallusdicke 0,5-0,6 mm

    Bild N4 Tüpfeltests mit den gängigen Chemikalien; das Epihymenium färbt sich in KOH ebenfalls rot!

    Bild N5 Apothecien erscheinen nass durchscheinend bräunlich

    Bild N6 Algenschicht unterhalb des Hymeniums - das ist nicht die Norm und hier mit bestimmungsrelevant

    Bild N7 Breit-elliptische, einzellige, farblose Sporen (12-13,5 x 8-9 µm, zu 8 in Schläuchen)

    Bild 8 Paraphysen in Kongorot angefärbt: perlschnurartig septiert, schwach verzweigt, etwas köpfig

    Bild N8 Farbloses Hymenium mit Epihymenium (olivbraun) links oben; Paraphysen schwach vernetzt (Bildeinsatz); kleine Kristalle im Epihymenium

    Einmal editiert, zuletzt von KaMaMa (25. März 2023 um 15:51)

  • Hallo Martin,

    ich kann nur sagen: exzellent beschrieben immer wieder klasse anzusehen.:claps:

    Endlich hast du die Flechte entschlüsselt, da kommt Freude auf.

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    danke für das Lob, aber - Vorsicht!

    100% sicher ist der Abschluss nicht, es kommen 3 Lobothalliae lt. Schlüssel in Betracht.

    Ich hatte bei Lobothallia abgebrochen und aus Plausibilitätsgründen mich auf zu schnell L. cf. radiosa festgelegt.

    Irgendwie sieht die Flechte aber anders aus, als die L. radiosae, die ich bisher gesehen hatte - mir ist unwohl bei der Sache!

    Ehrlich gesagt, könnte ich mir hier eine L. praeradiosa besser vorstellen, aber die gilt als extrem selten und ich traute ich mich deshalb nicht recht sie so zu bezeichnen.

    Beim nochmaligen Betrachten meiner Aufzeichnungen und Fotos und Abgleich mit dem Schlüssel bin ich mit L. radiosa nicht mehr zufrieden und muss mich umentscheiden!

    -Die bräunlich graue, sehr stark weiß-grau bereifte Thallusoberfläche,

    - eine Ascuslänge von deutlich über 50µm

    - der stellenweise dicke Thallus, der vor allem nicht überall am Substrat befestigt ist, sondern bereichsweise hochsteht (!) und sich deshalb komplett ablösen lies,

    - die eventuell eher sitzend als eingesenkt zu bezeichnenden Apothecien

    - sogar die sich leicht überlappenden Randläppchen, die für L. praeradiosa typisch sein sollen und bei L. radiosa nicht, sind zu sehen:

    Bilds N1 - Bildausschnitt mit überlappenden Randläppchen

    Das alles zeigt eher in Richtung Lobothallia praeradiosa!

    Auch die Fundumstände passen besser zu L.prearadiosa: Während L. radiosa auf Kalkstein, insbesondere reine Kalken, vorkommt, war mein Fund auf Sandstein, was ev. auch in Richtung L. praeradiose zeigen sollte!

    L. praeradiosa bevorzugt eher basische Silikatgesteine (z.B. kalkgebundener, ausgewaschner Sandstein), wie ich lesen kann.

    Selbst die Abbildung von L.praeradiosa im Flechtenbuch (Wirth) würde besser passen!

    Wer weiß...

    Ich hoffe ja durchaus auch auf den Deus-ex-machina, der hier auftaucht und das Rätsel löst!

    LG, Martin

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    auf den wartest du also: unerwarteter, im richtigen Moment auftauchender Helfer in einer Notlage; überraschende, unerwartete Lösung einer Schwierigkeit.:wink: Spaß muss sein, bei allen Schwierigkeiten!!

    Hänge noch ein Foto + eine Beschreibung von L-praeradiosa an, hast du vermutlich alles.

    Ich hoffe das einfügen hat geklappt.

    LG

    Bernd

    A2-L-praeradiosa.pdf

  • Hallo Bernd,

    manchmal lassen sich hier Leute blicken, die wirklich was von Flechten verstehen.

    Hier jedenfalls ein verlinkter Schlüssel von Paukov zum Thema Lobothallia.

    Ich gelange auch mit diesem Schlüssel zu L. praeradiosa.

    Könnte also stimmen!

    LG, Martin