Bodenflechten in den Hohen Tauern

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 117 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (15. September 2024 um 18:02) ist von Bemoeh.

  • Hallo zusammen,

    Hallo Bernd - Bemoeh

    mein letzter Flechtenbeitrag ist schon eine Weile her. Da ich zwischenzeitlich ein paar Tage in den Alpen am Fuß des Großglockners zwischen 1600m und 2600m unterwegs war, möchte ich gerne einige Fotos der dortigen Flechten einstellen. Da die Auswahl sehr groß ist, beschränke ich mich dabei auf Bodenflechten, und hierbei wiederum bis auf einige Ausnahmen auf Krustenflechten. Bodenflechten werden nicht so oft gezeigt, sind aber nicht minder schön und interessant!

    Zuerst einige Flechten aus dem Kalser Tal und dem Ködnitztal südlich des Großglockners. Der Boden ist hier kalkfrei und sauer, lokal mäßig basenreich.

    Bild 0 Das Ködnitztal


    Bild 1 Hübsches Hochgebirgs-Ensemble aus Isländisch Moos (Cetraria islandica), Würmchenflechte (Thamniola vermicularis) und Rentierflechten (Cladonia spec.) zwischen Moos auf Rohhumus in einer Felsspalte.


    Bild 2 Diese Kruste kenne ich tatsächlich von Zuhause und aus dem Schwarzwald: Die unscheinbare Moor-Schwarznapfflechte (Placynthiella uliginosa) kommt auf sauren Mineralböden vor.


    Bild 3 Die Heideflechte (I. ericetorum) mit beige-apricot Apothecien und graugrünem, körnigem Thallus auf feuchtem Boden über Silikat.


    Bild 4 Eine Blattflechte mit dunklen Apothecien tief in taschenförmigen Vertiefungen sitzend erweist sich als Zweisporige Sackflechte (Solorina bisora var. macrospora). Die ausgeschleuderten, dunklen, zweizelligen Sporen sind so groß, dass sie schon mit der Lupe erkannt werden können.


    Bild 5 Diese meist sterilen Cladonienkissen sind überall auf der dünnen Humusauflage auf den Silikatblöcken zu finden. Die senkrecht aufsteigenden Grundschuppen sind namensgeben für die Aufsteigende Becherflechte (C. symphycarpia).


    Bild 6 Diese Cyano-Flechte mit reichlich Apothecien stellt sich als Blaualgen-Erdschüssel (Protopannaria pezizoides) heraus. Der Rand der planen Apothecien ist glatt, geschlossen, flach. Die Sporen haben ein ornamentiertes Epispor. Nicht zu verwechseln mit...


    Bild 7 ... der Grünalgen-Erdschüssel (Psora hypnorum). Der Rand der becherförmig vertieften Apothecien dieser Flechte ist auffallend körnig. Trotz ihres Namens beherbergt sie nicht nur Grünalgen, sondern auch Blaualgen (Cyanobakterien) in besonderen Thallusabschnitten, den dunklen Cephalodien. Im nassen Zustand fallen sie zwischen den grüpnen Thallusschuppen gut auf.


    Bild 8 Genau so hält es auch die Schwamm-Sackflechte, auch sie bevorzugt eine Doppelpartnerschaft mit Algen und Bakterien: Sie besitzt einen sehr schmalen Thallusrand mit Grünalgen um ihre Apothecien. Die weiträumig erkennbaren, graubraun krümeligen Strukturen um die grünen Thallusabschnitte herum sind Cephalodien der Flechte, in denen Cyanobakterien anstatt Grünalgen als Symbiosepartner dienen. Die Asci dieser Flechte sind 4-sporig.


    Bild 9 Die Fels-Tuchflechte (Fuscopannaria praetermissa) ist klein und unscheinbar braun. Die Schüppchen wirken wie kleine Flechtenlager. Sie stehen dicht gedrängt, sich gegenseitig überlappend auf offener Erde am Wegrand.


    Bild 10 An den gleichen Stellen kann auch Peltigera venosa, die adrige Schildflechte, gefunden werden. Feucht wird die Flechte grün, da diese Flechte Grünalgen beherbert. Blaualgen finden sich in Cephalodien an der Unterseite (!) der Flechte. Die einzelnen Thalli sind nur so groß wie ein kleiner Fingernagel.


    Bild 11 Auf Pflanzenresten, wie hier auf Totholz, kommt diese Cremeflechte (Ochrolechia) vor. Der Apothecienrand ist dick und wie der Thallus weiß, die Scheibe tatsächlich zart cremfarben. Die Sorale mit Kragen, die C+gelbe Cortexreaktion, die KC+rote Reaktion am Epihymenium und andere Details zeigen, dass es sich um O. alboflavescens handelt (und nicht um O. upsalienseis, wie ursprünglich von mit vermutet).

    Bild 11a Details zu Ochrolechia alboflavescens in Bild 11


    In kalkhaltige Regionen der Hohen Tauern, nur ein Tal weiter, z.B. am Hochtor, finden sich ganz andere Bodenflechten:

    Bild 12 Am Hochtor


    Bild 13 Korallenflechten (Stereocaulon cf. alpinum?) ducken sich zwischen die kleinen Moospolster und Blümchen zum Schutz vor den heftigen Winden. Auch die Flechten der Gattung Stereocaulon verfügt über Cephalodien.


    Bild 14 Die kräftig gefärbte Gelbe Tartschenflechte (Vulpicida tubulosus) besitzt im Gegensatz zu ihrer rindenbewohnenden Cousine keine Sorale. Ihr Mark ist kräftig gelb.


    Bild 15a Zwischen den Blättchen heraus lugt ein kleines, koralloides Lager der Verzweigten Fingerflechte (Dactylina ramulosa).


    Bild 15b Diese Flechte (D. ramulosa) bildet horstartige Kissen aus, ist trocken sehr spröde. Bei Berührung zerbrechen die dünnen Abschnitte schnell in kleine Teilstücke. Aus jedem der Teile kann mit der Zeit ein neuer Flechtenthallus entstehen. Der Künstliche Horizont der Kamera hilft, das Bild horizontal auszurichten; beim Aufrichten in diesem Gelände hat der Flachlandtiroler große Probleme damit, nicht hinzufallen. Nirgends exisiteren hier über der Baumgrenze vertikalen Strukturen. ;)


    Bild 16 Gleich dahinter Kissen einer gelblich gefärbten Eingerollten Tartschenflechte, Flavocetraria cucullata. Der Name ist Programm: die aufgerichteten Thallusblättchen sind oft zu kleinen Röhren zusammengerollt.


    Bild 17 Eine weiße, noch unbestimmte Bodenkruste mit schwarzen Apothecien


    Bild 18 Die dunkelbraune, pieksige Tartschenflechte sollte Cetraria ericetorum sein, die Heide-Hornflechte ist die alpine Art Cetraria muricata, die Dornige Hornflechte.


    Bild 19 Winzig klein, aber über den Fund habe ich mich sehr gefreut: Gyalolechia/Fulgensia bracteata, die Kleinschuppige Feuerflechte lässt sich hier ebenfalls finden!


    Bild 20 Direkt daneben, wie es sich für die Bunten Erdflechtengesellschaften gehört - Rotschuppen (Psora decipiens).


    Bild 21 Mit von der Partie ist Protoblastenia terricola, die Erd-Kalksteinkruste.


    Tolle Flechten gibt es in diesen hochmontanen bis (sub)alpinen Regionen der Alpen. Ich habe nur einen geringen Bruchteil davon gesehen und einen kleinen Teil wiederum davon hier gezeigt. Das Finden so vieler bisher nur aus den Büchern bekannten Flechten hat mir viel Freude bereitet. Wenn jemand Ideen oder Korrekturen zu den gezeigten Flechten hat, sehr gerne melden. Es würde mich freuen!

    LG, Martin

    3 Mal editiert, zuletzt von KaMaMa (5. Oktober 2024 um 20:54)

  • Hallo Martin,

    du hast ein Wunderwerk der Natur vor deine Linse bekommen und auf Fotos festgehalten, einmalig schön. Habe alle deine Flechten bei Wirth + Italic nachgeschlagen, tolle Bestimmung.:claps:

    LG Bernd