Eine spannende Blattflechte

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 534 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. Oktober 2024 um 12:23) ist von Bemoeh.

  • Hallo KaMaMa

    Hallo Martin,

    von dieser sehr spannenden Flechte leider nur Fotos, NSG-Jägers Weinberg (hat nichts mit Weinberg zu tun) bei Willingen, Feuchtgebiet, Buschwerk aus Birke/ Weide usw. an deren Rind diese Flechte. Erst jetzt am PC erkenne ich die Details dieser Flechtenfotos die mir trotz genauer Betrachtung viele Rätsel aufgeben. Bin dann aber mit viel Unsicherheit bei Parmotrema perlatum gelandet!? :hmmm: Oder mehrere Arten? :hmmm:

    Schau bitte einmal über die Fotos, bin gespannt was du zu der Flechte sagst.:happy:

    LG Bernd

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  • Hallo Bernd,

    P. perlatum ist das nicht, da wachsen zwei Flechtenarten durcheinander:

    erstens eine rundlich, blasige Hypogymnia physodes mit Lippensoralen und schwarzen Pyknidien:

    zweitens eine Blattflechte mit kantigen Lappenrändern, weißlichen länglichen Pseudocyphellen und schwarzer Unterseite mit schwarzen, (zwar in den Fotos nicht erkennbar, aber verzweigenden) Rhizinen bis zum Rand, was sehr für die alte, gute Parmelia sulcata spricht:

    Gesamtschau:


    Parmotrema perlatum hingegen hat randlich braune, rhizinenfreie Unterseiten. Mittig ist die Unterseite schwarz und besitzt schwarze Rhizinien. Oft (nit immer) zeigt sie lange, schwarze Cilien an den Lappenrändern. Die Sorale sind randlich und kopfig. Sie folgen dem Wellenrhytmus des Lagers und wirken damit wie eine Perlenkette. Die Buchten zwischen den Lappen sind auffällig rund, ebenso wie die Lappen selbst.

    Kleiner Thalli der Flechte erinnern mich immer etwas an schwimmende Meeresnachtschnecken. Bei dem folgenden kleinen Exemplar erkennt man schön die "Perlenkette" der Sorale an den etwas älteren, lagermittigen Thallusrändern und auch die braune Unterseite an den Rändern:

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    ich habe es geahnt, dieses Zusammenspiel der Flechten mit den verschiedenen Merkmalen hat mich völlig irritiert, nach schwarzen Cilien habe ich auch gesucht aber nicht gefunden (klar keine da).

    Ganz klar eine prächtige H. physodes mit P.sulcata, ich wollte es nicht erkennen.:cool:

    Danke für deine Richtigstellung und gute Darstellung. Habe jetzt deine Lieblingsflechte :wink: eine Cladonia in Arbeit, wird spannend.

    LG Bernd

  • Hallo Bernd,

    ja das Durcheinander der einzelnen Flechten an einem Ast kann verwirrend sein, zumal die großen Blattflechten häufig die gleiche Färbung aufweisen. Da muss man für aufpassen! Das gilt um so mehr bei Probennahme und weiterführenden Untersuchungen: Immer nur genau einen Thallus untersuchen, um nicht Merkmale mehrerer Flechten(arten) zu kombinieren.

    Sonst kann nichts Rechtes dabei herauskommen..

    LG, Martin

  • Hallo KaMaMa

    Hallo Martin,

    wie schon gesagt bin ich dabei eine Cladonia-Art zu schlüsseln, wichtige Details habe ich schon gespeichert. Es geht noch nicht um die Artenbestimmung aber ich habe eine Hilfsfrage zu den Pyknidien (sind hoffentlich Pyknidien) an den Enden der winzigen Podetien: ist die Farbe braun (noch junge Pyknidien) oder noch rot werdend? Wie kann ich die Pyknidien unterm Mikro noch weiter untersuchen?

    Martin, hast du einen Tipp für mich?

    In meinen Proben gibt es nur diese eine Podetien-Probe die ich nicht unnütz kaputt machen möchte. Fotos im Anhang.

    LG Bernd

    1 Flechtenfund auf verrotten Nadelholz

    2 Pyknidien?

    3 Pyknidien?

  • Hallo Bernd,

    was du da zeigst sind schon Pyknidien - braune Pyknidien. Du wirst wahrscheinlich eines davon mikroskopieren und dafür zerquetschen. Wenn beim Quetschen rotes Gel austritt, kannst du von einer rotfrüchtigen Art ausgehen - das glaube ich aber nicht. Es gibt sowieso viel weniger rote Arten als braune.

    Wenn du tatsächlich nur dieses eine Schrumpf-Podetium auf deiner Probe hast, würde ich als erstes den Unterschlüssel für Cladonien ohne Sekundärthallus (Podetien) bemühen. Hier musst du natürlich den Primärthallus, die Grundschuppen, sehr genau beurteilen und vermessen - sehr viel mehr hast du ja nicht und der entsprechenden Schlüssel geht im besonderen Maße darauf ein. Anschließend eventuell den Schlüssel für braunfrüchtige (bzw. rotf.??) Cladonien mit dem Ergebnis abgleichen.

    Wenn dur nur ein Podetium hast, weißt du nicht in welchem Entwicklungsstadium dieses ist, ob es also typisch ist etc. Wenn deine Proben von dem Thallus aus dem ersten Bild stammt, darfst du ruhig von einer Cladonie ohne Podetien ausgehen und den entsprechenden Schlüssel verwenden!

    Die Pyknidien und Pyknosporen werden, wenn ich mich richtig erinnere, nur zur Feinabstimmung beim Schlüsseln herangezogen.

    Ich kann nur sagen: Viel Erfolg mit der Cladonie ohne Podetien! Da brauchst du eine hohe Frustrationstoleranz, wenn du was erreichen willst. :confused:

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    habe noch keine Frustation bin noch voller Hoffnung :happy:. Einige Details ( gemessen/gefärbt/Makrofotos/Blättchen usw.) habe ich schon. Mal schauen was noch geht, wenn alles komplett ist bekommst du mein Ergebniss. 8|

    LG Bernd

  • Hallo Martin,

    vorab ganz kurz, habe eine Pyknidie gequetscht + mikroskopiert, dein Glaube ist bestätigt es ist eine braune Pyknidie, kein rotes Gel zu erkennen. Ganz viele Merkmale habe ich nun versucht herrauszufinden und mit den Schlüsseln verglichen. Ganz winzige Podetien (gemessen 2mm) sind mir noch liegend zwischen den Blättchen aufgefallen. Werde nun, immer noch ohne Frust:), eine Liste aller Merkmale erstellen um zu einem Bestimmungsergebnis zu kommen, bin gespannt wo ich lande, eine Vermutung ist schon im Kopf.

    Wenn fertig werde ich dir alle Merkmale senden.

    LG Bernd

  • Guten Abend Bernd,

    "... mir noch liegend... aufgefallen ": Hast du dich in bzw. vor die Cladonien gelegt? Das nenne ich Forschergeist! Bravo!

    Die runden, sorediösen Grundschuppen zeigst du absichtlich nicht von unten, oder? Du willst die Spannung aufrecht halten bis zum Finale, stimmt's?

    Wir sind gespannt!

    LG, Martin

  • ... sollte es auf diese Flechte hinauslaufen (Ausschnitt aus größerem Foto nur Grundschuppen zeigend):

    rundlich-muschelige Grundschuppen mit aufsteigenden Rändern, randlich sorediös und auch ...

    ... unterseits flächig sorediös, und ...

    ... und hier mit braunem Mini-Podetium auf Schuppe,

    dann würde ich nicht zu viel auf die Farbe der Pyknidien geben! Sie ist typisch für verrottende Baumstümpfe und die Stammbasis von Bäumen - in tiefen Lagen gerne an Kiefer und Birke. Ich kenne sie aber auch von Eiche.

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    jetzt gehts los, habe reichlich Testfotos gemacht, senden geht wohl nicht in einem Rutsch.

    Substrat: Morsche Holzreste vom Nadelholzstumpf.

    Thallus schuppig, Blättchen gerundet aufgerichtet, Rand nach hoch gebogen (Foto) mit weißen mehligen Bortensoralen, Oberseite grünlichgrau und die Unterseite hell mehlig sorediös teils zur Basis hin orangener Farbstich(Foto). Blättchen ca. 8-11 Ø (Foto).

    Podetien kaum, teils winzig zwischen den Blättchen, sind stift/stumpfförmig unregelmäßig mit braunen (jung) Pyknidien an den Enden (Foto). Podetien ca. 3-13 mm Lang und ca. 1mm dick (Fotos), Stämmchen sorediös grüngrau mit weißen Stellen, an Basis teils kleine Schuppen, hohl.

    Farbtest (Fotos vorhanden): Thallus + Podetie P+ gelborange, K+ gelb, C-negativ, KC-negativ. Bei dem Test mit KC, erst K etwas warten dann C, die Farbreaktion nach dem Träufeln mit C ging erst zu orange nach einer Weile wieder gelb, hat mich etwas irritiert ich denke ist dann aber negativ?

    Alle Merkmale deuten auf Cladonia digitata hin!? Hoffentlich habe ich beim Schlüsseln nicht zu dollll auf den Putz gehauen :/. Bin nun auf deine Meinung gespannt.

    LG Bernd

    0 Substrat

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    4 Blättchen aufgerichter mit umgebogenen weißen sorediösen Rand

    5a Blättchenunterseite

    5b Blättchenunterseite

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    7a Blättchenunterseite Basis teils orange Farbstich

    7b Blättchenunterseite Basis teils orange Farbstich

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    9 Blättchenrand hochgebogen weiß sorediös

    10 Blättchengröße variabel

    11Podetienlänge variabel

    12 Podetienbasis

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    14 Podetienbreite variabel

    15 Podetie innen hohl

    16a Thallus P+ gelborange

    16b Podecie P+ gelborange

    17 Podetie K+ gelb

    18 Blättchen C-negativ

    19 Thallus KC- negativ

  • Hallo Bernd,

    Cladonia digitata ist bereits ohne Podetien an den runden, randlich und unterseits mehlig sorediösen, machmal zudem unterseits zur Basis hin gelblichen bis orangen Grundschuppen gut erkennbar. Anfangs (#5) hattest du nur die Spitze eines Podetiums gezeigt, das kann noch alles Mögliche sein. Das Foto in #8 hingegen war eigentlich schon eindeutig, wenn man auf die Form der Grundschuppen achtet, eine mehlig sorediöse Unterseite, die zur Basis hin orange wird, hätte das Ganze abgesichert. Deshalb meinte ich, du solltest "nicht zu viel auf die Farbe der Podetien geben". Auch ich habe schon bei C. digitata kleine Podetien gesehen, die braune Fruchtkörperchen hatten (neben großen Podetien mit roten Fruchtkörpern).

    Kurz und gut: Die Flechte hast du meiner Meinung nach ganz richtig zugeordnet! :thumbup:

    Die gelb-orangen Stellen auf der Unterseite der Grundschuppen reagieren mit K übrigens rot. Gleiches gilt für die Unterseite von C. polydactyla, allerdings sind die Grundschuppen bei ihr ganz anders geformt.


    Zu deiner Frage mit der flüchtigen KC-Reaktion: Es muss eigentlich nicht verwundern - denn auch die C-Reaktion ist flüchtig: Wenn die K-Farbreaktion abgeschlossen ist und C zugegeben wird und dann eine weiterführende Farbreaktion stattfindet, so geht die weiterführende Farbreaktion natürlich auf C zurück. Diese Reaktion ist flüchtig. Nach dem Verflüchtigen der KC-Farbreaktion fällt die Farbe nicht einfach in den Zustand der K-Reaktion zurück, da das noch vorhandene, freie Chlor mit allem möglichen anderen Substanzen reagiert, diese zersetzt und entfärbt (Chlorbleiche!).

    Gleiches gilt für die C-Reaktion an sich (ohne vorherige K-Gabe) - nach einer Weile gewinnt die bleichende Wirkung des Chlors die Oberhand und die Farbwirkung verflüchtigt sich. Letztlich wird bei genügend Chlorzugabe die ganze Probe entfärbt.

    LG, Martin

    Übrigens ist das meine Lieblingscladonie: leicht kenntlich durch die Grundschuppen und wunderschön mit ihren roten Fruchtkörpern auf teils sehr skurrilen Podetien. Ich glaube, ich habe das Foto schon gezeigt, aber ich finde dieses Flechtenfoto zu schön, als dass ich es hier nicht nochmals zeigte.

    Übrigens sind auch hier kleinere Podetien mit brauen Fruchtkörpern zu entdecken, die aus dem Zentrum der runden Grundschuppen sprießen und zum gleichen Thallus gehören (teils etwas unscharf):

  • Hallo Martin,

    bin erfreut das sich meine Mühe gelohnt hat, Danke.:shy:. Somit kommt die C. digitata ins Archiv.

    Zu deinem Hinweis: Die gelb-orangen Stellen auf der Unterseite der Grundschuppen reagieren mit K übrigens rot. Diesen Test habe ich auch gemacht, passt.(Foto). Und noch ein Farbtest K+ gelb, Unterseite Blättchen.

    Auf zur nächsten Flechte, LG Bernd

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    21 Blättchenunterseite K+ gelb