Tricholoma spec. ?

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 1.330 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (5. November 2024 um 19:57) ist von ibex.

  • Hallo Raphael

    Danke für den Link und die Infos.

    Warum der Name bei Gminder/Karasch nicht übernommen wurde? Also entweder haben die das nicht mitbekommen, was ich aber bei zwei so erfahrenen Mykologen bezweifeln möchte. Oder sie sind einfach anderer Meinung und bevorzugen die Verwendung der Varietät, was ja auch nicht falsch ist.

    Vielleicht schon mitbekommen, aber vergessen im Buch anzupassen? Bei so vielen Arten ist es ja eigentlich kaum möglich ein Buch ohne Fehler herauszugeben (wie man ja auch am Fehlerthread des anderen Forums sieht). Aber wir können hier nur spekulieren, was der Grund dafür ist. Aber falls sie anderer Meinung sind und die Verwendung der Varietät bevorzugen, wäre das dann nicht auch irgendwie seltsam, wenn, wie du schreibst in diesem Fall die Trennung genetisch untermauert ist? Jedenfalls würde ich es dann nicht gut finden, wenn in so einem Fall immer noch verschiedene Suppen gekocht werden, das macht doch dann alles nur unübersichtlicher (ausser natürlich es gibt berechtige Zweifel an der Arbeit von Bendisken & Dima 2021).

    Was ich mich ja auch frage: Wenn, wie Christoph schriebt Index fungorum oder Mycobank nicht dafür verwendet werden sollte, um nach dem aktuell gültigen Namen zu suchen, was soll man sonst benutzen? Dazu schreibt er in seinem Text nämlich nichts. Wo soll ein Hobbymykologe den aktuell gültigen Namen sonst nachschauen bzw. wie findet eigentlich ein Mykologe heraus, was der aktuell gültige Name ist? Bzw. wie zauberst du selbst immer solche Artikel aus dem Ärmel und weisst so gut Bescheid, was aktuell ist? ^^

    Vielen Dank im Voraus und LG
    Benjamin

    Mit meinen Beiträgen gebe ich lediglich meine persönliche Einschätzung/Meinung ab. Sie sind nur als Vorschläge zu werten und es gibt damit insbesondere keine Verzehrsfreigaben meinerseits. Eine sichere Bestimmung sowie Verzehrsfreigabe kann nur der Pilzkontrolleur bzw. Pilzsachverständige vor Ort geben.

  • Aber falls sie anderer Meinung sind und die Verwendung der Varietät bevorzugen, wäre das dann nicht auch irgendwie seltsam, wenn, wie du schreibst in diesem Fall die Trennung genetisch untermauert ist? Jedenfalls würde ich es dann nicht gut finden, wenn in so einem Fall immer noch verschiedene Suppen gekocht werden, das macht doch dann alles nur unübersichtlicher (ausser natürlich es gibt berechtige Zweifel an der Arbeit von Bendisken & Dima 2021).

    Hallo Ben

    Es gibt immer wieder die Erwartung, dass in jedem neuen Buch die "richtigen" Namen stehen müssen. Aber die älteren Namen werden nicht falsch, wenn ein neuerer Name publiziert wird. Das sind alles nur Vorschläge an die Fachwelt. Jeder Name, der einmal formell korrekt publiziert wurde, darf grundsätzlich auch weiterhin genannt werden. Folglich hätten die Autoren die Art auch Collybia asema (Fr.) Gill., Marasmius asemus (Fr.) P. Karst. oder sogar Agaricus leucophyllus var. asemus Fr. nennen können. Natürlich hätten sie damit viel mehr Kritik geerntet ;)

    Wie schnell sich das alles ändern kann, sieht man jetzt bei den neuen Cortinarius-Gattungen, die von der Fachwelt durchwegs abgelehnt wurden, und nun von immer mehr Autoren verworfen werden. Das geht aber natürlich nur mit einer entsprechend seriösen Publikation, wo dies ausreichend begründet wird.

    Was ich mich ja auch frage: Wenn, wie Christoph schriebt Index fungorum oder Mycobank nicht dafür verwendet werden sollte, um nach dem aktuell gültigen Namen zu suchen, was soll man sonst benutzen? Dazu schreibt er in seinem Text nämlich nichts. Wo soll ein Hobbymykologe den aktuell gültigen Namen sonst nachschauen bzw. wie findet eigentlich ein Mykologe heraus, was der aktuell gültige Name ist? Bzw. wie zauberst du selbst immer solche Artikel aus dem Ärmel und weisst so gut Bescheid, was aktuell ist?

    Ja das ist die grosse Herausforderung, wenn man aktuell bleiben will. Das geht nur, indem man neue Publikationen sammelt.

    Dabei ist insbesondere die Mycobank schon sehr hilfreich. Da kann man über die Advanced Search alle Namen raussuchen, die in einem Zeitraum publiziert wurden. Dabei ist es egal, ob diese Namen dort gerade als "Current name" vermerkt sind oder nicht. Über die Namen kommt man auf die entsprechenden Publikationen und kann diese studieren.

    Aber eine Datenbank, in der jeder Pilz mit dem "aktuellen" Namen drin ist, gibt es nicht und wird es nie geben. Das hat einen einfachen Grund: Diese Namen sind alle nur Vorschläge. Wer soll denn nun entscheiden, welcher dieser Namen "richtig" ist, und welcher verworfen wird. Dazu braucht es entweder ein übermächtiges, willkürlich entscheidendes Gremium, oder eine enorme Bürokratie, oder ein offenes "JeKaMi" wo jeder Mykologe seine Meinung reintut und der nächste macht sie wieder rückgängig. Das alles ist nicht zielführend.

    Aber falls sie anderer Meinung sind und die Verwendung der Varietät bevorzugen, wäre das dann nicht auch irgendwie seltsam, wenn, wie du schreibst in diesem Fall die Trennung genetisch untermauert ist? Jedenfalls würde ich es dann nicht gut finden, wenn in so einem Fall immer noch verschiedene Suppen gekocht werden, das macht doch dann alles nur unübersichtlicher

    Ja leider ist die Genetik nicht so eindeutig, sondern lässt auch wieder einen Spielraum offen. Die Mykologen bearbeiten nur kleine Ausschnitte der DNA, die sich als besonders "arttrennend" erwiesen haben. Wenn man andere Loci dazu nimmt, werden vielleicht (zum Glück nur selten) aus einer Art mehrere neue Arten. Und es gibt keine "Vorschrift", welche Loci berücksichtigt werden müssen. Man darf auch heute noch ohne Genetik neue Arten beschreiben oder Namen umkombinieren, zum Beispiel den hier: https://www.mycobank.org/details/708/598612
    Um die Verwandtschaft zweier Sippen zu beweisen oder zu widerlegen, muss man eine ganze Versuchsreihe von Interfertilitätstests machen (ein einzelner Versuch sagt nichts aus). Das ist natürlich um Welten aufwändiger als ein PCR-Test.
    Schlussendlich versuchen wir im Moment, in der Genetik ein 370 Jahre altes System von Gattungen und Arten "wiederzufinden". Leider hat Linnaeus seinerzeit nicht definiert, ab wieviel % ITS-Abweichung eine eigene Art oder Gattung besteht, oder welche Loci dafür zu verwenden sind. Wie also jetzt eine "Art" definiert ist, dazu gibt es wieder verschiedene Meinungen. Viele Mykologen vertreten zum Glück die Ansicht, dass eine genetisch abweichende Art nur dann mit einem Namen versehen wird, wenn sie sich auch morphologisch von allen anderen Arten unterscheiden lässt. Andere Mykologen stützen sich aber rein auf die Genetik und beschreiben alles als neue Art, auch wenn es keine morphologischen Unterschiede gibt.
    So tauchen im FE1-Agaricus-Schlüssel teilweise Fragen zur Sequenz auf, einige Champignons sind also nach diesem Buch ohne Sequenzierung gar nicht bestimmbar. Andererseits weiss man, dass Agrocybe praecox ein Komplex aus mindestens drei genetisch gut unterscheidbaren Arten ist. Aber weil noch keine klaren morphologischen Unterscheidungen bekannt ist, belässt man es im Moment bei Agrocybe praecox agg. Und hinter Rhodophana/Rhodocybe nitellina verbergen sich etwa 15 Arten, von denen nur wenige bisher einen Namen bekommen haben.

    In das ganze Thema wird nie Ruhe einkehren. Das ist nicht neu, es war schon immer so, daran ist nicht die Genetik schuld. Die Pilznamen wurden schon vor 150 Jahren immer wieder geändert, nur vielleicht nicht so schnell, weil es keine Elektronik und kein Internet gab. Schaut euch mal die Publikationen von Gray, Quélet oder Kuntze an, die haben im Abstand von wenigen Jahren einfach alles umgetauft und immer wieder andere morphologische Merkmale als "gattungs- und arttrennend" eingestuft. Selbst Singer, Kühner oder Romagnesi in den 1950er Jahren benutzten noch viele Gattungen und Namen, die heute niemand mehr kennt. Es ist durchaus denkbar, dass die aktuellen genetischen Ansätze mit dem Fokus auf ITS in 20 Jahren als veraltet gelten, und wir nochmal alles neu lernen müssen.

    Also, einfach ein wenig verfolgen und damit leben. Aber habt nicht den Anspruch, überall immer den "aktuell gültigen" Namen zu kennen.

    So, genug geschrieben. Ich hoffe ich habe für genug Verwirrung gesorgt ^^

    LG Raphael

  • Hallo Raphael

    Ich danke dir vielmals, dass du dir die Mühe gemacht hast, so einen informativen Betrag zu verfassen. Solche Beiträge bereichern mMn das Forum ungemein. :thumbup:

    Jeder Name, der einmal formell korrekt publiziert wurde, darf grundsätzlich auch weiterhin genannt werden. Folglich hätten die Autoren die Art auch Collybia asema (Fr.) Gill., Marasmius asemus (Fr.) P. Karst. oder sogar Agaricus leucophyllus var. asemus Fr. nennen können. Natürlich hätten sie damit viel mehr Kritik geerntet ;)

    Das mag zwar sicher so sein, aber obwohl ich ein sehr freiheitsliebender Mensch bin, finde ich das in diesem Fall nicht gut. Ich lese momentan hin und wieder auch in einem englischsprachigen Pilzforum ein paar Beiträge und merke gerade wie hilfreich es ist, dass dort fast immer auch die wissenschaftlichen Namen genannt werden, ansonsten wüsste ich die meiste Zeit gar nicht von welchem Pilz gesprochen wird. Daher sollte dieses System mMn auch weltweit möglichst einheitlich sein.

    Wer soll denn nun entscheiden, welcher dieser Namen "richtig" ist, und welcher verworfen wird. Dazu braucht es entweder ein übermächtiges, willkürlich entscheidendes Gremium, oder eine enorme Bürokratie, oder ein offenes "JeKaMi" wo jeder Mykologe seine Meinung reintut und der nächste macht sie wieder rückgängig. Das alles ist nicht zielführend.

    Entscheiden sollten dies aus meiner Sicht die führenden Mykologen der Welt. Als Pluto der Planetenstatus entzogen wurde, hat dies auch die Internationale Astronomische Union so entschieden. Das fanden und finden sicher nicht alle toll, aber es ist damit wenigstens einheitlich. Warum soll das hier also nicht auch ein Gremium entscheiden, das aus den führenden Mykologen aus möglichst vielen Ländern der Welt besteht? Diese würden dann abstimmen und das Resultat ist dann offiziell und wird wissenschaftlich verwendet. Man kann es nie allen recht machen, aber ich würde es besser finden, wenn es einheitlicher werden würde und ich denke es wäre auch für das Verständnis und die Forschung weltweit besser.

    Viele Mykologen vertreten zum Glück die Ansicht, dass eine genetisch abweichende Art nur dann mit einem Namen versehen wird, wenn sie sich auch morphologisch von allen anderen Arten unterscheiden lässt. Andere Mykologen stützen sich aber rein auf die Genetik und beschreiben alles als neue Art, auch wenn es keine morphologischen Unterschiede gibt.

    Vielen Dank für die ganze Erklärung zur Genetik und Morphologie. Also ich würde die erste Variante besser finden. Dennoch wäre es mir lieber, wenn das, wie oben beschrieben, die führenden Mykologen entscheiden würden und man sich dann einheitlich an dieses System halten würde. Ich bin einfach der Meinung, dass zu viele verschiedene Ansichten hier die Forschung erschwert und behindert. Natürlich sollte das Gremium möglichst demokratisch aufgebaut sein, dass ein Mykologe z.B. eine Initiative einbringen könnte, damit etwas zur Abstimmung gebracht wird.

    Wie gut das funktionieren würde, kann ich natürlich nicht sagen und es wäre sicher nicht ganz einfach so etwas aufzubauen, ich würde es aber besser finden, als so wie es jetzt hin und wieder ist, wo es dann zig verschiedene Ansichten gibt. Die Ansichten dürfte es dann zwar weiterhin geben, aber es gibt eben einen Lenker, der vorgibt was offiziell verwendet wird.

    Nochmals vielen Dank und LG
    Benjamin

    Mit meinen Beiträgen gebe ich lediglich meine persönliche Einschätzung/Meinung ab. Sie sind nur als Vorschläge zu werten und es gibt damit insbesondere keine Verzehrsfreigaben meinerseits. Eine sichere Bestimmung sowie Verzehrsfreigabe kann nur der Pilzkontrolleur bzw. Pilzsachverständige vor Ort geben.