Stinkende Elfenbeinschnecklinge???

Es gibt 18 Antworten in diesem Thema, welches 971 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. Oktober 2024 um 06:13) ist von MisterX.

  • Guten Tag,

    ich habe heute im Mischwald (hauptsächlich Buchen, Eichen und Hainbuchen) Schnecklinge gefunden. Diese sind hell, nur am Stiel haben sie eine ockerliche Komponente. Hut und Stiel sind stark schleimig. Besonders auffällig war der Geruch: er wurde übereinstimmend als unangenehm chemisch empfunden.

    Bilder aus dem Wald:


    Daheim habe ich mich mit dem Winkler an die Bestimmungsarbeit gemacht und die Sache scheint schnell klar zu sein: schleimige Schnecklinge ohne Ring und goldgelben Hutrand im Laubwald muß man mit Kalilauge traktieren. Das habe ich getan. Am Hut und an den Blättern ergibt sich keine Verfärbung. An der Stielspitze gibt es eine hellockerliche Verfärbung und am Stielgrund eine orange Verfärbung, die später hellockerlich ausblasst (nicht rotbraun wird!).

    Hier die Fruchtkörper unter Kunstlicht. Die dunklen Flecken am Stiel sind durch KOH:


    Mit diesen KOH-Reaktionen hat Winkler nur noch einen Kandidaten: Hygrophorus eburneus, den Elfenbeinschneckling. Auch die Sporenform und Sporengröße passen. Das, was mich stört, ist der Geruch! Wir haben ihn als stark unangenehm chemisch empfunden. Im Winkler steht: "etwas obstartig, angenehm" und bei 123Pilze steht: "Eigenartig süßlich-obstartig, orangenartig, nach Mandarinenschale." Das kann ich so nicht unterschreiben. Aber andere Kandidaten finde ich zumindest im Winkler nicht.


    Drei Fragen:

    - Sollte ich den Geruch nicht überbewerten? Kann es Menschen geben, die Chemiegestank als "angenehm obstartig" empfinden?

    - Hat mir jemand einen Alternativvorschlag? Oder ist es der Elfenbeinschneckling?

    - Beim Blick auf die Sporen habe ich im Mikroskop ganz viele, winzige, kreisrunde Gebilde gesehen. Dem habe ich keine große Bedeutung beigemessen. Aber dann war ich erstaunt, daß genau dieselben winzigen Kreise bei den Mikrobildern auf 123Pilze zu sehen sind, zum Beispiel hier: https://www.123pilzsuche.de/daten/details/…cklingmicro.jpg. Was ist das? Ist das typisch für Schnecklinge?

    Vielen Dank für jede Antwort.

    Viele Grüße,

    Benjamin

  • Hallo Ben,

    mit den von dir beschriebenen (auf deinen Fotos freilich nicht klar erkennbaren) KOH-Reaktionen kann es eigentlich nur Hygrophorus eburneus sein. Daran, dass sich die Pilze schon etwas gelb verfärbt haben, kann man sehen, dass sie alt und nicht mehr wirklich frisch sind. H. eburneus ist normalerweise reinweiß. Vielleicht kommt daher der schlechte Geruch?

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Hallo Ben,

    mit den von dir beschriebenen (auf deinen Fotos freilich nicht klar erkennbaren) KOH-Reaktionen kann es eigentlich nur Hygrophorus eburneus sein. Daran, dass sich die Pilze schon etwas gelb verfärbt haben, kann man sehen, dass sie alt und nicht mehr wirklich frisch sind. H. eburneus ist normalerweise reinweiß. Vielleicht kommt daher der schlechte Geruch?

    FG

    StephanW

    Das müsste sich in den nächsten Tagen überprüfen lassen. Von diesen Schnecklingen gab es mehrere. Dann versuche ich, jüngere zu finden und zu beschnuppern...

    Dankeschön.

  • Und zeig vielleicht noch mal die KOH-Reaktion auf Huthaut und Stielbasis unmittelbar nach dem Auftragen.
    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Ich hatte auch schon meine Begegnungen mit diesen weißen Schnecklingen und wie Stephan schon sagt, die KOH Reaktion ist, was man beim Elfenbeinschneckling erwarten würde. Allerdings kommt mir die Verfärbung in der Stielbasis bei deinen Bildern recht wenig deutlich vor. Bei mir war die viel stärker.:

    MisterX
    8. November 2022 um 19:32

    Ich frage mich daher, ob vielleicht auch der Nichtverfärbende Schneckling (Hygrophorus cossus) denkbar sein könnte, die am gesamten Fruchtkörper nicht oder kaum mit KOH reagiert. Der Geruch wird mit der Raupe des Weidenbohrers (Cossus cossus) verglichen.

    Alle meine Aussagen in diesem Forum sind nur als Bestimmungshilfen und keinesfalls als Verzehrfreigabe zu verstehen.

  • Ich hatte auch schon meine Begegnungen mit diesen weißen Schnecklingen und wie Stephan schon sagt, die KOH Reaktion ist, was man beim Elfenbeinschneckling erwarten würde. Allerdings kommt mir die Verfärbung in der Stielbasis bei deinen Bildern recht wenig deutlich vor. Bei mir war die viel stärker.:

    MisterX
    8. November 2022 um 19:32

    Ich frage mich daher, ob vielleicht auch der Nichtverfärbende Schneckling (Hygrophorus cossus) denkbar sein könnte, die am gesamten Fruchtkörper nicht oder kaum mit KOH reagiert. Der Geruch wird mit der Raupe des Weidenbohrers (Cossus cossus) verglichen.

    Die Verfärbung hat zuerst genauso ausgesehen, wie auf deinem Bild, ist dann aber blasser geworden. Ich habe das Kunstlichtbild aus meiner Ursprungsnachricht etwa eine halbe Stunde oder Stunde später gemacht, dann war die Verfärbung blaß. Wegen der anfänglich orangenen Verfärbung hätte ich H. cossus eigentlich ausgeschlossen.


    Ein Fragezeichen, das bei mir noch besteht, ist, daß bei 123Pilze steht, die KOH-Verfärbung am Stielgrund gehe bei H. eburneus später ins Rotbraune über. Das ist ja das Gegenteil von dem, was bei mir passiert ist. Winkler erwähnt das allerdings nicht. Falls H. eburneus doch stimmt, könnte das eventuell auch am Alter der Fruchtkörper liegen (wobei sie mir im Wald nicht soooo alt vorgekommen sind).


    In ein paar Tagen kann ich nochmal an die Stelle gehen und versuchen, junge Fruchtkörper zu finden. Bis dahin bin ich mir nicht ganz sicher, was ich gefunden habe...


    Benjamin

  • Wegen der anfänglich orangenen Verfärbung hätte ich H. cossus eigentlich ausgeschlossen.

    Das würde ich genau so sehen, der sollte sich lt. Literatur eigentlich überhaupt nicht verfärben.

    Ein Fragezeichen, das bei mir noch besteht, ist, daß bei 123Pilze steht, die KOH-Verfärbung am Stielgrund gehe bei H. eburneus später ins Rotbraune über. Das ist ja das Gegenteil von dem, was bei mir passiert ist. Winkler erwähnt das allerdings nicht. Falls H. eburneus doch stimmt, könnte das eventuell auch am Alter der Fruchtkörper liegen (wobei sie mir im Wald nicht soooo alt vorgekommen sind).

    Ich habe das bei H. discoxanthus (im verlinkten Thread) gemerkt, wobei ich es eher so beschrieben hätte, dass das Orange halt eintrocknet und nachdunkelt. Das kann man aber durchaus auch mit "Rotbraun" beschreiben. Vielleicht hängt es auch mit der Konzentration des KOH zusammen. Ich habe mit 40% im Thread eine ziemlich hohe Konzentration benutzt. Vielleicht ist die spätere dunklere bzw. Rotbraune Verfärbung davon abhängig.

    Das Alter der Fruchtkörper kann natürlich auch eine Rolle spielen. Beim Rotrandigen Baumschwamm hatte ich z.B. mal ältere Exemplare gefunden, wo die weinrote Reaktion auf der Röhrenschicht gar nicht mehr auftrat, egal mit welcher KOH-Konzentration. Ich denke, das kann schon das Ergebnis beeinflussen.

    In ein paar Tagen kann ich nochmal an die Stelle gehen und versuchen, junge Fruchtkörper zu finden.

    Wäre auf jeden Fall interessant, das nochmal zu testen 👍

    Alle meine Aussagen in diesem Forum sind nur als Bestimmungshilfen und keinesfalls als Verzehrfreigabe zu verstehen.

  • Ich hab meine Hausaufgaben gemacht, aber zu einer eindeutigen Lösung bin ich nicht gekommen. Ich habe heute mehrere junge bis sehr junge Fruchtkörper aufgesammelt. Auch die waren nicht reinweiß, sondern hatten meist in der Hutmitte einen Hauch von Gelbfärbung.


    Bilder:


    Der Geruch war bei den jüngeren Fruchtkörpern weniger unangenehm als vorgestern. Dennoch wurde er von vier Personen als unangenehm empfunden. Zwei Kinder haben bei dem Geruch an Kot gedacht, ein Erwachsener an Fisch und ein Erwachsener an Chemie. Ich, der ich durch die Pilzbücher beeinflußt bin, könnte mir vorstellen, daß man bei dem eigenartig herben Geruch (für mich: "Chemie") auch an Mandarinenschalen denken könnte. "Obstartig angenehm" finde ich ihn aber nicht.


    Kalilauge habe ich auf mehrere Fruchtkörpern angewandt.

    Sehr leichte Gelbfärbung rechts der Hutmitte:


    Sehr leichte Gelbfärbung im oberen Stieldrittel (da, wohin der Spatel zeigt):


    Etwas stärkere Gelbfärbung am Stielgrund (da, wohin der Spatel zeigt):


    Orangefärbung dort, wo der Stiel nach unten ausläuft:


    Zwei weitere Fruchtkörper - einer mit leichter Geldfärbung im oberen Stieldrittel, einer ohne Verfärbung, beide mit Orangefärbung am Stielgrund:


    Ist euch damit alles klar? Mir nicht. :(


    Benjamin

  • Hallo Ben,

    Hygrophorus eburneus, wie schon vermutet.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Hallo Ben,


    ist der Geruch allein das entscheidende Merkmal? Gibt es noch einen anderen rein weißen Schneckling? Ich würde beide Fragen mit nein beantworten.

    Mir ist aufgefallen, dass hier zunehmend mit Chemie gearbeitet wird. Ist das zwingend erfoderlich? Und vor allen Dingen bei jedem Pilz? Der ohne Chemie auch bestimmt werden könnte?


    Fragen über Fragen.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

    Von mir gibts hier im Forum auch keine Verzehrfreigabe.

  • Hallo Murmel,

    es gibt eine ganze Reihe weißer Schnecklinge, die zusammen eine Schnecklings-Sektion bilden. Die meisten kennen halt nur den Elfenbeinschneckling und die anderen nicht, weil die relativ selten und in den meisten Pilzbüchern nicht gelistet sind. Ob die alle reinweiß sind, liegt im Auge des Betrachters. Mit KOH kann man in dieser Sektion die Bestimmungsarbeit deutlich abkürzen und vereinfachen. Aber es darf ja jeder so bestimmen, wie er es möchte.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Der Winkler frägt im Schlüssel in dieser Sektion auch die KOH-Reaktion ab, deshalb hab ich sofort zur Ampulle gegriffen.


    Vielen Dank für die hilfreiche Antworten. :)


    Viele Grüße

    Benjamin

  • Hallo Stephan,

    ok, ich rudere zurück.

    Hast Du eine Idee, wo ich rein weiße Schnecklinge sehen könnte?

    So bei Google werden mir der wohlriechende Schneckling und der trockene Schneckling angezeigt. Sind schon mal 2.

    Und schon wieder durfte ich was lernen Danke dafür.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

    Von mir gibts hier im Forum auch keine Verzehrfreigabe.

  • Hallo Ben,


    entschuldige bitte. Ich kannte die anderen rein weißen Schnecklinge gar nicht. Es tut mir leid.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

    Von mir gibts hier im Forum auch keine Verzehrfreigabe.

  • Hallo Murmel,

    Schnecklinge, die rein weiß sind, aber teilweise leicht andere Farbtöne haben können (gelblich, orange) sind:

    Elfenbeinschneckling, Verfärbender Schneckling, Nichtverärbender Schneckling, Eichenschneckling, Trockener Schneckling.

    Alle meine Aussagen in diesem Forum sind nur als Bestimmungshilfen und keinesfalls als Verzehrfreigabe zu verstehen.

  • Hallo Bihlerben,


    Ich habe auch Elfenbeinschnecklinge gefunden (auch mit KOH abgetestet).

    Die Tage war ich nochmals an der Stelle und hab ein etwas älteres größeres Exemplar mitgenommen und war über den Geruch auch etwas verwundert, - für mich roch es etwas nach "Kamille". Meine Frau fand aber den Geruch auch etwas unangenehm.


    Lg

    Austria

  • Die KOH-Reaktionen bei älteren Fruchtkörpern sind definitiv nicht konstant. Habe gestern einen alten Karbolchampignon getestet (in der Pilzkontrolle von PSV bestimmt) und der reagierte auf dem Hut eher blass orange als leuchtend gelb.

    Alle meine Aussagen in diesem Forum sind nur als Bestimmungshilfen und keinesfalls als Verzehrfreigabe zu verstehen.

  • Zwei weitere Fruchtkörper - einer mit leichter Geldfärbung im oberen Stieldrittel, einer ohne Verfärbung, beide mit Orangefärbung am Stielgrund:

    Hallo Benjamin,

    das war auch so bei mir hier:

    MisterX
    8. November 2022 um 19:32

    Für mich beweist das H. eburneus. Den angeblichen Geruch nach Mandarinenschalen habe ich nie wahrgenommen. Für mich riecht der pilzig, unauffällig oder sogar ein bisschen muffig.

    Alle meine Aussagen in diesem Forum sind nur als Bestimmungshilfen und keinesfalls als Verzehrfreigabe zu verstehen.