Die Geschichte eines Lycoperdon utriforme- Irrtums mit interessanten, nichterwarteten Nebeneffekten

  • Es ist Winterzeit. Draußen rieselt der Schnee. Die warme Stube verströmt Behaglichkeit für Mensch und Haustier-kurzum, es ist Zeit für Geschichten. Meine heutige Geschichte ist die eines Irrtums, fast schon blamablen, aber letztlich lehrreichen; und am Ende kann man selbst darüber lachen.

    Mitte Oktober fand ich am grasigen Waldboden (Kiefern, Eichen) einen seltsamen Pilz in Glockenform (Höhe ca. 9 cm, dünne, pergamentartige Außenhaut). Die Basis war geschlossen. Es war kein Erdstern, aber diesem ähnlich waren „Lappen“ ausgeprägt, die dem Gebilde zusätzliche Stabilität verliehen. Auch die Spitze erinnerte an ein Peristom, das man bei Erdsternen findet. Das Innere war angefüllt mit einer watteähnlichen braunen Masse, nicht mit pulverförmigen Sporen. Ich hatte so etwas noch nie vorher gefunden. Ich machte Fotos, stellte ihn auf einem Stubben ab wegen eines zwischenzeitlichen Umweges und dann fand ich ihn nicht wieder.

    Bild 1

    Erst nach zweimaliger Nachsuche an den Folgetagen konnte ich ihn wiederfinden. Diese Nachsuche erbrachte den ersten positiven Nebeneffekt. 100 m entfernt in einer kleinen Kieferngruppe im Laubholzwald fand ich eine neue Stelle mit insgesamt 18 frischen, nichtmadigen Steinpilzen.

    Bild 2

    Eine Anfrage hier im Forum erbrachte den Vorschlag von Andy für einen vertrockneten Hasenstäubling. So eine triviale Lösung wollte mir aber noch nicht in den Kopf. Im Hinterkopf steckte auch noch eine Abbildung eines Gasteromyceten aus dem Internet mit ähnlicher Wuchsform zumindest. Es war schwierig. Dann aber lenkte der Pilzgott ein paar Tage später meine Schritte zu frisch gewachsenen Hasenstäublingen.

    Nun wachsen Hasenstäublinge zunächst als helle 15cm-Kissen (ca., oft) heran.

    Bild 3

    Es bildet sich eine zylindrische Basis und auch die Kissenform geht mehr in eine im Querschnitt kreisrunde Form über. Mit der Reifung der Sporenmasse verändert sich auch äußerlich die Färbung des Pilzes.

    Bild 4

    Bild 5

    Irgendwann reißt die obere Pilzhaut ein und gibt die Sporen zur Verbreitung frei. Bei Regen entsteht ein mit Wasser gefüllter „Pokal“.

    Bild 6

    Bild 7

    Entnimmt man einen alten Hasenbovist, so ist von der ursprünglichen Wurzel (Ich nenne es mal so) oft nichts mehr vorhanden und man vergisst über die Jahre sie zu verinnerlichen, was sich hier als schwerer Fehler erwiesen hatte. Die genaue Analyse der frisch gewachsenen Exemplare zeigte jedoch kräftige, mehrere cm lange Wurzeln. (Der zweite positive Nebeneffekt in dieser Geschichte) In einem Fall besaß der Pilz sogar zwei starke (oder eine stark geteilte) Wurzeln.

    Bild 8

    Bild 9

    Zu meiner Entlastung muss ich aber sagen, dass die Wurzeln in der Literatur oft nicht erwähnt werden. Wikipedia sagt zudem, dass die Hasenstäublinge keine echten Stiele ausbilden. An anderer Stelle wird von einem Stielteil (Unterteil des Fruchtkörpers) gesprochen. Der Fund und die Untersuchung der Frischpilze war daher ein echter Wissenszuwachs für mich.

    Was ist nun die Moral vons Janze, um Fontane sprechen zu lassen. Wo Leidenschaft existiert, kommt es auch zu Fehlern. Man muss aber selbstkritisch mit diesen umgehen und der Erkenntnisgewinn kann dabei groß sein.

    Und trotzdem war der Fundpilz etwas Besonderes, weil untypisch konserviert. Vor Ende der Sporenreifung muss die obere Außenhaut (Exoperidie) aufgerissen sein, wobei die Haut nach Innen fiel und wie eine „Platte“ einen flachen Abschluss des oberen Pilzkörpers bildete. Der Fruchtkörper muss dann von seinem Standort samt Wurzel entfernt worden sein (Sturm ?) und relativ rasch abgetrocknet sein. Weiteres Wachstum war nicht mehr möglich, das Innere „hermetisch“ abgeschlossen, was die gute Qualität der Mumie ohne Sporenpulver ermöglicht haben muss.

    Und das ist das Ende der Geschichte mit ihren vielen, anfangs nicht vorhersehbaren Facetten.

    LG Henry

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