Mein Wald hat sich verabschiedet...

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 8.076 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Juni 2015 um 20:51) ist von Schnuedel.

  • ...aber vorher nicht Bescheid gegeben, vielleicht auch gut so (sonst hätte es mit Sicherheit noch mehr weh getan!)

    :noway:

    Hallo Pilzfreunde,

    Ja, nun ist es passiert, auch mein gutes Stück Wald wurde grausamst, brutal und ohne Mitspracherecht aller Beteiligten gemeuchelt!

    Ich hatte es bereits beim Thema "Ausflug zum Inn-Auwald, Teil II" so befürchtet, aber niemals so wirklich dran glauben wollen. Am gestrigen Feiertag hatte ich mir dann doch Zeit und genügend Kraft genommen, um der Sache auf den Grund (der vielen am Wegesrand lagernden Baumstämme) zu gehen.

    Wie ich den langen Lagerplätzen der Baumstämme entlang schritt, fiel mir sofort wieder dieses Thema von Boletus / Hans ein. Wie sich doch alles immer wieder gleicht und wiederholt!


    Je länger ich diesen Stapeln entlang ging, desto stiller und nachdenklicher wurde ich...

    Im Gedanken war ich wirklich an all den schönen Plätzen mit den Rotkappen, Steinpilzen und Hainbuchen-Röhrlingen, die ich noch letztes Jahr von dort mitnehmen habe dürfen!

    Ich glaube, ich wollte anfangs garnicht mehr meine alten Wege, die eigentlich keine Wege waren, sondern viel mehr kleine Pfade durch dicht stehendes Kleingehölz, gehen... Von daher ging ich zuerst nur die unzähligen 'Rand-Fundorte' um die eigentlichen Fundplätze an. Hier, an den lichteren Stellen am Übergang vom Dickicht zum Hochwald, fanden sich jedes Jahr die grüngefelderten Täublinge, der eine oder andere Fliegenpilz, manches mal zusammen mit einzelnen Steinpilzen, später dann im Jahr kamen die Trompetenpfifferlinge an den selben Stellen durch den Waldboden! Tja, wie auch immer: was die Holzerntemaschinen ausgelassen hatten, wurde vermutlich von Wildschweinen bearbeitet!

    DAS kann doch kein Zufall sein, oder? dieses kleine Hochwald-Waldstück misst vielleicht 150 x 50 Meter, UND EXAKT an der einzigen Stelle wo ich die letzten Jahre immer wieder zuverlässig Pilze fand, haben sie den Waldboden umgewühlt! Es scheint, als hätte sich dieses Jahr einiges gegen mich und meine Sammelleidenschaft verschworen:angry:


    Irgend wann kam ich dann doch noch durch 'den Hintereingang' zu meinen ehemals sorgsam und mit Mühe gesuchten Plätzen und Wegen. Mir stockte wirklich der Atem, Herz schlug noch schneller und fast bekam ich ne Schlappatmung, DAS DARF DOCH ALLES WIRKLICH NIE UND NIMMER WAHR SEIN!. Ich träum' doch das alles nur, oder?

    Alles was einmal war ist nicht mehr, wird auch nie mehr so sein! Krampfhaft suche ich nach Orientierungspunkten, die ich doch immer da und dort hatte! Ein Chaos nach dem anderen. Pfade wurden zu tiefen und breiten, mit Ästen und Zweigen gefüllten Furchen. Im durch geforsteten Waldstück liegt alles kreuz und quer, auch nicht wirklich entspannt dort vorwärts zu kommen...


    Eigentlich wollte ich nur nach denen sehen:

    Ok, habe die Georgiritterlinge / Mairitterlinge dann doch noch nach längerer Suche unter allem möglichen Geäst und Holzabfall ausmachen können, wird aber heuer das letzte mal gewesen sein befürchte ich fast. Wie mit den anderen Arten auch.

    Ich wollt es gestern nicht mehr hier einstellen, zu viele Gedanken gingen noch bis spät in die Nacht durch meinen Kopf... zuerst wollte ich schon überhaupt nicht mehr Pilze suchen gehen, dann nur noch Tier- und Landschaften fotografieren (bestimmt mit weniger Ärger behaftet dieses Hobby!), kurze Zeit war auch eine meiner Überlegungen gewesen, mich der Mikroskopie zu widmen (da kannste in jedem Wald was finden und mitnehmen, Hauptsache es ist was 'pilziges'...)

    Aber nach einer gewissen Zeit sieht auch vieles wieder anders aus, und jeder Abschied (oder jede Veränderung in diesem Falle) bedeutet auch immer einen neuen Anfang, oder eine neue Chance für andere Gattungen und Arten :)

    Mal sehen, was dieser Herbst noch hervor bringt in dem Waldabschnitt, bis dahin ist der Schmerz auch ein gutes Stück weniger geworden. Der Mensch ist doch immer wieder ein Gewohnheitstier!


    Ich bleib da natürlich dran, wie immer eben :wink:


    VG
    Claudia

    Meistens fange ich dort mit der Suche an wo andere aufgeben :happy:

  • Hallo Claudia,

    Deine Beschreibung von den Veränderungen der Waldkultur und -bewirtschaftung (so nenne ich es halt) ist immer wieder zu sehen.
    LEIDER :(

    Ich kann Deine Gefühle sehr gut nachvollziehen, da ich ähnliches schon seit Jahren beobachte.

    Die Wälder, an denen ich etliche Schwammerlplätze hatte, sind von Menschen total vernichtet worden.

    Ich habe auch einige Fotodokumentationen in den letzten Jahren getätigt und wenn ich sie mir anschaue, überkommt mich auch eine Traurigkeit und Hilflosigkeit, so wie Du sie zuvor beschrieben hast.

    Was mich letztendlich immer wieder tröstet, ist die Tatsache, dass der Mensch gegenüber der Natur nur ein Hanserl ist :D

  • Hallo Claudia,
    Herzliches Beileid für deinen Schönen Wald.
    ABER : Man sollte nie vergessen , dass der deutsche Wald keine Natur , sondern eine Anpflanzung ist , zumindest zu ca. 95%.
    Und wie der Bauer im Frühjahr sät und wir uns nicht beschweren , dass die wogenden Kornfelder im Herbst abgemäht werden, so pflanzt der Waldbesitzer und später (von den Nachfolgern) wird geerntet.
    Und wenn es uns Naturfreunden auch nicht gefällt , danach fragt niemand und es ist auch nicht zu ändern , ausser in begrenzten Schutzgebieten.
    Kopf hoch , alles wird gut.
    Gruß Norbert

    Das Pilzwissen kriecht mir nach , hoffentlich holt es mich mal ein .

  • Zumindest auf den Bildern sehe ich keinen Grund warum Du nicht auch weiterhin die gleichen Arten dort finden solltest.

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo Claudia,

    die Geldgier kennt leider keine Grenzen aber so wie es jetzt dort aussieht stimme ich Thomas zu. Das ist zum Glück kein Kahlschlag und der Wald wird sich erholen. Ich hatte das vor einigen Jahren auch bei mir und nach fünf Jahren war alles wieder da. Nur die Fundplätze hatten sich etwas verlagert. Einige verschwanden und neue kamen hinzu.

    Mit etwas Glück kannst Du in diesem Jahr auch noch an den alten Plätzen fündig werden.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten

  • Hallo Claudia,

    ich kann das so gut nachvollziehen und habe das schon öfters erlebt, es ist jedes Mal wieder schlimm, aber die Natur hat einen längeren Atem, es verändert sich, aber nicht immer zum negativen.
    Ich habe z. B. einen Wald, der brutal niedergemacht wurde ( wie es heute ja "wirtschaftlich" Usus ist), und nebenan im Wald war in den nächsten Jahren (eventuell durch mehr Lichteinfall) eine Steinpilzhochburg.
    Ich möchte da nichts schönreden, aber die naturnahe Waldnutzung und der immer größer werdende Maschineneinsatz stehen im krassen Gegensatz zu einander. Daran werden wir uns gewöhnen müssen oder die entsprechenden Gegenintiativen durch Verbände etc. ergreifen müssen. Hier in den Websites der Bayerischen Forstverwaltung kann man ganz rührende Bekenntnisse zur naturnahen Forstwirtschaft lesen, aber wenn man die Realität vor Ort sieht, kann man nur lachen oder besser weinen . . .

    Viele Grüße
    Luzia

  • Hallo Claudia,

    du bist nicht allein und die Galerie der schrecklichen Bilder könnte ich noch beliebig erweitern. Unser Pilzrevier ist weiträumig gerodet und die Vollernterspuren sind einfach nur entsetzlich anzuschauen. Ich frage mich, warum die schönen Worte wie Naturschutz, Biodiversität, Naherholung, Bestandschutz usw. usf. nur noch Worthülsen sind und zu Floskeln werden, wenn es der Forstwirtschaft um den brutalen Profit geht. Über Kanada oder Brasilien braucht sich hier niemand mehr aufzuregen - wir sind im kleineren Maßstab keinen Deut mehr besser.

    Grüße Astrid

  • Hallo liebe Forianer,

    Ich war auch nicht mehr dort gewesen seither, aber eure Kommentare helfen mir schon ein wenig wieder Mut zu fassen. Danke euch dafür!

    Muss dann wirklich bis zum Spätsommer oder Herbst abwarten was noch kommen möge, aber viel Hoffnung habe ich ehrlich nicht mehr für dieses Waldstück. Jedenfalls nicht mehr die nächsten Jahre...

    Aber: dann eben wieder andere Wälder aufsuchen und evtl. auch wieder Neues im Reich der Pilze entdecken! Hat durchaus auch seine Reize! Mit der Zeit wird's schon wieder werden...

    VG
    Claudia

    Meistens fange ich dort mit der Suche an wo andere aufgeben :happy:

  • Hallo Claudia,

    sicher ist dieses Chaos für uns "ordnungsliebenden" Menschen schwer zu ertragen und anzuschauen. Und schön dort laufen kann man auch nicht.

    Aber: Die Natur holt sich alles wieder zurück! Ich kenne auch so ein Waldstück - nach ein paar Jahren ein guter Platz für Flockis! Die lieben die Feuchte in den Rinnen und werden besonders groß.

    Ein anderes Waldstück hat die besten Pfifferlingsplätze in (sehr alten)
    Fahrrinnen von Erntemaschinen. Die Rinnen sammeln nach Jahren im verdichteten Untergrund immer noch viel Feuchte, und das lieben die Pfifferlinge (und Fichtenreizker).

    Die abgesägten Baumstümpfe werden ebenfalls besiedelt - frühe Perlpilze, Stockschwämmchen, später Hallimasch, Glucken und Maronen wachsen dort je nach Holzart gerne, im Spätjahr auch viele Trompetenpfifferlinge.

    Das alles dauert seine Zeit - aber in ein paar Jahren wird das viele Totholz zum "Pilzparadies".

    Erfahrungswerte einer alten "Pilzhexe".

    LG

    PilzHex`

    _________________________________________

    rolleyes.gif Lieber in die Pilze als ins Fitness-Studio! ;)

  • Hallo Claudia,

    ich war heute in "meinem" Gebiet in den Hassbergen unterwegs.
    Die Bayerischen Staatsforsten haben dort in einem Teilgebiet ebenfalls ganze Arbeit geleistet und ich musste sofort an Deinen Beitrag denken.
    Die Bilder dazu habe ich mir - und Euch - erspart (wären wie Kopien Deiner Fotos gewesen)
    Doch dann bekam ich zwei Motive vor die Linse, bei denen ich mir dachte "Vielleicht ein kleiner Trost" ...


    Beste Grüße aus Unterfranken


    Klaus