Unbekannter Pilz nahe Hexenröhrlingen

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 6.569 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (22. September 2016 um 17:14) ist von Heuler22.

  • Servus zusammen,

    hab vor Kurzem dieses Forum entdeckt und mich soeben für eine Anmeldung entschieden um mit euch zu diskutieren und meine schönsten Funde zu teilen.
    Seit Kindertagen sammle ich Pilze. Die letzten Jahre war ich diesbzgl. etwas eingeschlafen. Da ich nun umgezogen bin und die Pilzplätze der Chiemgauer Berge direkt zu Fuß erreichen kann (ohne Auto oder Rad) hat mich das Fieber wieder gepackt!

    Im Gegensatz zu den meisten Pilzsammlern die ich antreffe, möchte ich die volle Vielfalt genießen und nicht nur Steinpilze und Reherl sammeln ;)
    Hierzu habe ich nun gleich ein Foto bei dem ich euch interessehalber um Hilfe bei der Bestimmung bitte. Leider ist dieses schon ein paar Wochen alt, weshalb ich keine weiteren Details prüfen kann. :-s

    Folgende habe ich identifizieren können:
    Linksoben Flockenstieliger Hexenröhrling
    Rechtsoben Goldröhrling
    Linksmitte Netzstieliger Hexenröhrling
    Rechtsunten Herbsttrompete

    Nun der mir Unbekannte linksunten, bei dem jemand meinte es wäre ebenfalls ein Flockenstieliger Hexi mit variabler Hutfarbe. Ich finde hier zu viele Unterschiede um das zu glauben:
    Hut Purpur/rosa/rötlich
    Stiel nicht geflockt und nicht mit Netz sondern längsfaserig -
    rot - darunter gelblich
    kaum bauchig sondern eher gerade
    Röhren rot
    Fleisch weiß
    Durchgehend sehr starke, sofortige, dunkelblaue Verfärbung
    Standort Mischwald wie die Hexenröhrlinge, kann mich leider nicht mehr genau daran erinnern welche Bäume dort standen

    Merci schon mal,
    LG,
    Grafei

  • Ok danke für die Hinweise, leider kann ich ja nicht mehr im Detail prüfen ob doch eine Netzzeichnung erkennbar ist. Nächstes mal wend ich mich gleich hier an's Forum :)

  • Zitat von Heuler22 pid='32857' dateline='1472648598'


    das ist auch nur eine Netzhexe. Die sind ganz schöne Verwandlungskünstler wie hier zu sehen ist:

    https://www.123pilze.de/000Forum/showthread.php?tid=5197

    VG Jörg

    Hallo Jörg,

    ja, die "Netzhexe" (Suillellus luridus) ist eine gute Wahl!!!.

    ---> Denn im Schnitt kann man sehr gut die "Bataille-Line" (rote Linie zwischen Hutfleisch und Röhrenboden) erkennen.

    - Doch leider gibt es da noch einen neu (2014) beschriebenen Doppelgänger, der auch eine Bataille-Linie hat!!!

    ---> "Suillellus mendax" ---> http://www.pabb.de/dw/lib/exe/fetch.php?media=dokument2.pdf

    Anmerkung: Dieser Link enthält eine fehlerhafte Seitenangabe: Korrekt ist "Boletus Bd. 36/2: 165 - 175!!!

    Fazit:

    - Ob es nun "S. luridus" oder "S. mentax" ist. wage ich ohne Blick in's "Scharfe Auge" (Mikroskop) nicht zu entscheiden, da sich die makroskopische Merkmale leider überschneiden.

    - Denn beide Arten lassen sich leicht über

    "Q = mittlere Sporenlänge/mittlere Sporenbreite"

    trennen.


    Grüße

    Gerd F.

    Einmal editiert, zuletzt von Graubart (19. September 2016 um 18:21)

  • Hallo Gerd,

    was den ominösen S. mendax angeht so bezweifle ich die Häufigkeitsangaben in diesem Link. Der einzig mir bekannte Fund in D. wurde hier diskutiert:

    http://www.pilzforum.eu/board/thema-kl…39239#pid239239

    Ich hatte mir extra Heft 2, Band 36 vom "Boletus" besorgt um mich zu informieren. Ich sehe dort aber nur Netzhexen die als S. mendax tituliert werden. Nirgend ist dort die rote Fleischfarbe im Schnitt zu erkennen welche dieser zwingend haben muß.

    Zitat Pablo: Boletus mendax im Sinne der Originalbeschreibung bietet makroskopisch folgende Merkmale:
    - recht kleine, eher schlanke Fruchtkörper
    - tief dunkelrote Stielfarben, insbesondere zur Basis hin
    - dunkelrote Stielbeflockung im unteren Stieldrittel
    - weinrötliche Hutfarben (ähnlich Boletus queletii)
    - stark weinrot durchfärbtes Stielfleisch, bisweilen auch im Hutbereich
    - Stielnetz auch bei älteren Fruchtkörpern meist nur im oberen Stieldrittel, darunter rot beflockt

    Auch im Sinne der Originalbeschreibung sind diese Merkmale nicht immer konstant ausgeprägt. Wenn aber nur ein Merkmal von sechs ins Bild der Art passt, muss man aus einer Netzhexe keinen Boletus mendax machen.

    Das betrifft aber auch alle, die momentan fleißig Sporen vermessen, und jeden Boletus luridus, wo der Sporen - Quotient knapp über 2,5 liegt, als Boletus mendax bestimmen wollen. Es haut nicht hin. Je nach dem wie man misst, können auch Boletus luridus - Sporen mal einen höheren Quotienten haben.
    Man muss halt nur die ausreichend dünnen Sporen aussuchen.


    Mal sehen was da noch so alles herauskommt.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten

    Einmal editiert, zuletzt von Heuler22 (19. September 2016 um 21:58)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Gerd & Jörg!

    Das Problem bei dem angesprochenen Artikel (habe ich natürlich auch komplett gelesen) ist eben, daß die Bestimmungen sich auf ein einziges merkmal verlassen. Soweit ich mich erinnere (bin gerade nicht zuhause und kann es nicht nachschlagen) gibt es aber keinerlei genetische Daten. Was also Vizzini und Simonini zusammen mit den morphologischen Merkmalen (siehe Zitat bei Jörg) zur Trennung zweier Species in dem Fall veranlasst hat, sind die Unterschiedlichen ITS - Sequenzen. Sämtliche in der Originalbeschreibung vorgestellten Funde sind sequenziert.

    Die wesentliche Arbeit, die nach so einer Neubeschreibung also anfällt, wäre
    - erstens: Kollektionen zu finden, die in allen morphologischen merkmalen der neu beschriebenen Art entsprechen und diese dokumentieren.
    - zweitens: Kollektionen finden, die morphologisch nur bedingt zu der neu beschriebenen Art passen, diese aber sequenzieren, um das Bild der neuen Art zu erweitern und zu vervollständigen.

    Ich habe mir ab und an schon den Spaß gegönnt, von netzhexen einen Sporenabwurf anzufertigen und einfach mal pro Fruchtkörper zwei Dutzend Sporen durchzumessen. Das ist ganz interessant. Sicher, die meisten sind einfach Netzhexen, aber es ist immer auch eine Frage der Auswahl und des Zufalls, ob man nicht mal ein grenzwertiges oder ein mendax - ergebnis erhält.
    besonders lustig, wenn man aus einem fruchtkörper anhand der Sporenmessung zwei Arten nachweisen kann:
    - Sporen gemessen aus Röhrenpräparat: Qm < 2,5
    - Sporen gemessen aus Abwurf (rechts des Stieles): QM > 2,5
    - Sporen gemessen aus Abwurf (links des Stieles): QM < 2,5
    - Sporen gemessen von Stielcortex - Präparat: QM > 2,5
    Putzig, oder?
    dann kann ich also für diesen einen Fruchtkörper in der Kartierung zwei Meldungen anlegen: Eine für Boletus mendax und eine für Boletus luridus.
    :cool:

    PS.: Ideal wäre bei einer Bestimmung das Berücksichtigen von makroskopischen und mikroskopischen Merkmalen. Das beides ergibt ein Gesamtbild, nach dem sich vermutlich auch ein Boletus (Suillellus) mendax gut bestimmen lässt. Auch ohne dieses Phantom bisher mal gefunden zu haben: Ich könnte mir sogar vorstellen, daß der wie so ziemlich alle anderen Röhrlinge auch im Feld mit ein wenig Erfahrung schon makroskopisch anzusprechen ist.
    Bei dem hier diskutierten Fund kann ich mir leider gar keine Meinung von dem Pilz bilden (egal ob nachher richtig oder falsch), weil einfach viel zu viel vom Pilz fehlt. :wink:


    LG, Pablo.

  • Zitat von Heuler22 pid='33248' dateline='1474315064'


    was den ominösen S. mendax angeht so bezweifle ich die Häufigkeitsangaben in diesem Link.

    Zitat Pablo:
    ...
    Auch im Sinne der Originalbeschreibung sind diese Merkmale nicht immer konstant ausgeprägt. Wenn aber nur ein Merkmal von sechs ins Bild der Art passt, muss man aus einer Netzhexe keinen Boletus mendax machen.

    Das betrifft aber auch alle, die momentan fleißig Sporen vermessen, und jeden Boletus luridus, wo der Sporen - Quotient knapp über 2,5 liegt, als Boletus mendax bestimmen wollen. Es haut nicht hin. Je nach dem wie man misst, können auch Boletus luridus - Sporen mal einen höheren Quotienten haben.
    Man muss halt nur die ausreichend dünnen Sporen aussuchen.


    Hallo Jörg,

    da kann ich dir und Pablo (dessen hervorragende Pilzkenntnisse ich übrigens sehr schätze) nicht folgen, obwohl ich ein bekennender "Lumper" bin.

    (1) Fakt ist, dass zwischenzeitlich eine Reihe von allgemein akzeptierten "guten Arten" akzeptiert werden, obwohl man weder "makroskopische, mikroskopische, noch ökologische" Trennmerkmale angeben kann :angry:

    (2) Pablos Kommentar zur Sporenmessung betrachte ich als "Joke" oder (kann mir das nicht vorstellen) als völlige Unkenntnis primitivster statistischer Grundlagen!!!

    Grüße
    Gerd

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!

    Ja, die Hutfarben sind bei der Netzhexe (Boletus / Suillellus luridus) sehr variabel, das geht auch mit rosa. Beim Täuschenden Hexenröhrling (Boletus / Suillellus mendax) sollten weinrot, bräunlich und gelblich dominieren. Man könnte sich vorstellen, daß auch rosa dabei sein darf, aber sicher kann ich das mangels Erfahrung nicht sagen.

    Was die Sporenmessungen betrifft:
    Nein, kein Witz. :what:
    Aber man kann Folgendes natürlich als statistische Schummelei bewerten:
    Wenn man ein Präparat am Mikroskop durchguckt, erkennt man ja schon grob, ob an einer Stelle im Sichtfeld besonders viele lange dünne oder besonders viele kurze dicke Sporen liegen. Je nach dem, welches Ergebnis ich erzielen will, kann eine Messung auf die Weise sehr selektiv werden.
    Es ging ja nicht um die Bestimmung an sich (es waren eindeutig Netzhexen), sondern eben um den Nachweis, das man unter bestimmten Umständen aus Suillellus luridus sehr wohl auch einen Suillelllus mendax zaubern kann.

    Daß der Suillellus mendax eine gute Art ist, habe ich nie bezweifelt. Das ist meiner Meinung nach auch nicht zu bezweifeln: Nach derzeitigem Artverständnis ist daran nichts zu rütteln.
    Mir geht es nur darum, Bestimmungen von relativ neuen, wenig dokumentierten Arten nicht ausschließlich an einem einzigen Merkmal aufzuhängen. Denn auch mikroskopische Merkmale unterliegen Variationsbreiten, genauso wie die makroskopischen.


    LG, Pablo.

  • Hallo Gerd,

    lassen wir das Thema am besten:wink:. Wenn ich einmal einen zu schmächtigen und zu rötlichen "Flocki" finde, der dazu noch rotes Stielfleisch und eine leichte Netzzeichnung an der Stielspitze hat, dann werde ich mich wieder mit S. mendax beschäftigen. So stelle ich mir persönlich diese Art vor:D.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten