Anzahl (giftiger) Pilzarten in Deutschland

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 8.840 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. Juli 2017 um 19:23) ist von Beorn.

  • Hallo,

    mein Sohn hat eine (eigentlich nicht wirklich beantwortbare) Frage aus der Schule mitbekommen.
    Es geht darum zu klären, wieviele Pilzarten es in Deutschland gibt (ich denke es geht ausschließlich um "Großpilze"), wieviele davon giftig und wieviele essbar sind.

    Natürlich ist mir bewusst, dass die Frage nicht exakt zu beantworten ist, dennoch würde mich interessieren ob ihr eine verlässliche und relativ aktuelle (Online)quelle kennt?

    Mit Ecosia und Google habe ich schon einiges gefunden, z.B. hier
    https://www.nabu.de/natur-und-land…wald/13284.html
    Aber die Quellen kann ich nur bedingt bewerten.

    Viele Grüße und vielen Dank für alle Links und weitergehende Angaben
    Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Thomas!

    Stimmt, zu 100% lässt sich das nicht beantworten, schon alleine darum, weil die Giftwirkung einer Pilzart ja auch ganz individuell auf einen Menschen wirken kann, auf einen Anderen aber nicht.
    Zudem gibt es eine Menge Pilzarten, die giftig sind, aber sehr schwer zu bestimmen. Dazu zählen etliche Schleierlingsarten und die allermeisten Risspilze. Hier ist dann auch die tatsächliche Toxizität einzelner, schwer trennbarer Arten gar nicht erfasst. So muss man in den Fällen zB davon ausgehen, daß ganze Artenaggregate als giftig zu werten sind. So zB alle Schleierlinge der Untergattung Phlegmacium mit deutlich farbigem Fleisch. Auch wenn bei weitem nicht alle dieser Arten Orellalin - verwandte Stoffe enthalten.

    Aber es lässt sich schon einiges finden, beste Anlaufstelle bei so einer Recherche ist immer die >Seite der DGfM<.
    Die Liste der Giftpilze ist ein wenig versteckelt (---> Speise- & Giftpilze ---> Vergiftungen ---> Vergiftungssyndrome), dazu kann man noch in die "Liste der Pilze mit uneinheitlich beurteiltem Speisewert" (---> Speise- & Giftpilze ---> Speisepilze) einsehen.
    Die Listen gibt's als Pdf jeweils im Menu rechts zum Runterladen.

    PS.: Die Zahlen zur Anzahl von Pilzarten auf der NaBu - Seite ist doch ziemlich überholt. >Diese Zahlen< sind fundierter und aktueller. Das sind aber immer noch eher vorsichtige Schätzungen. Die Angabe "in deutschland" ist natürlich eine völlig willkürliche und bedeutungslose Eingrenzung, ebenso wie die Definition "Großpilze". Pilze interessieren sich nicht für Grenzen, es sei denn für ökologische. Darum kann man höchstens ganz grob in Klimaräume einteilen (boreal, alpin, atlantisch, mediterran usw.), alles andere ergibt keinen Sinn und es wäre viel logischer, zB von "Pilzen in Europa" auszugehen, Deutschland liegt ziemlich zentral und beinhaltet diverse, ganz unterschiedliche Klimaräume (von submediterran (Oberrheinebene) bis boreal-montan (Harz, Thüringer Wald).


    LG; Pablo.

  • Hallo Pablo,

    vielen Dank für die sehr ausführliche und hilfreiche Antwort. Mir fehlt wohl doch Schlaf,den auf die Idee auf der DGfM Seite zu schauen, bin ich heute abend gar nicht gekommen :dumb:

    Viele Grüße
    Thomas

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  • Hallo Thomas,

    mich würde interessieren, in welche Klasse dein Sohn geht. Danach richtet sich auch die Antwort. Die ausführliche Darstellung von Pablo ist interessant, doch wird ein Fünfklässler oder... ? nicht viel damit anfangen können. Eine schulische Antwort ist immer konkret, z.B. es gibt 5000 Großpilzarten, davon sind xy giftig. Geht dein Sohn in eine höhere Klassenstufe, dann kann er mit den Argumenten von Pablo durchaus arbeiten.

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • Hallo Pablo, hallo Thomas,

    ich muss noch mal auf das Thema zurückkommen und zitiere deshalb diese Sätze - "Stimmt, zu 100% lässt sich das nicht beantworten, schon alleine darum, weil die Giftwirkung einer Pilzart ja auch ganz individuell auf einen Menschen wirken kann, auf einen Anderen aber nicht. Zudem gibt es eine Menge Pilzarten, die giftig sind, aber sehr schwer zu bestimmen."


    Wenn ich über diese Sätze nachdenke, so heißt das für, dass Giftpilze gar nicht so giftig sind, sonderen die Menschen in ihren Reaktionen machen sie erst zu Giftpilzen. Ich glaube, dass so argumentiert, die Gefährlichkeit von Giftpilzen, und ich meine die allgemein bekannten Giftpilze, stark unterschätzt wird.

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


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  • Hallo Veronika,

    mein Sohn müsste vom Alter her in der 5. sein (Schande über mich, dass ich das nicht genau weiß ;-)). Er hat sich als Thema für ein Referat "Pilze" ausgesucht - was mich natürlich freut, insbesondere weil ich meine Familie mit dem "Pilzwahn" schon öfters nerve ;-). Gestern abend kam er dann mit der Frage auf mich zu.
    D.h. im Prinzip hätte eine Antwort aus eine beliebigen Link, oder aus einem meiner Bücher natürlich ausgereicht, aber:
    - Ich wollte ihm die Möglichkeit aufzeigen Fragen über Internetforen zu klären
    - Ich wollte selbst mal hören, was es da so an verlässlichen und vor allem aktuellen Angaben gibt

    Zitat

    "Ich glaube, dass so argumentiert, die Gefährlichkeit von Giftpilzen, und ich meine die allgemein bekannten Giftpilze, stark unterschätzt wird. "

    Ich bin mir ehrlich gesagt, nicht 100% sicher ob ich Deine Aussage richtig verstehe. Zum einen gibt es natürlich viele Pilze die sehr potente Gifte enthalten. Wie bei allen Giftstoffen ist die Reaktion darauf auch abhängig von der Person (Alter, Gewicht, allgemeine körperliche Verfassung, Gewöhnungseffekte, Stoffwechsel etc...). Gerade bei der Aufnahme von kleineren Giftmengen kann der Schaden daher von Person zu Person deutlich schwanken (natürlich wird ein Gift wie im Grünen Knolli, in "ausreichender" Menge immer schwerste Schäden anrichten). Was einem Gesunden nur schwere Kreislaufstörungen beschert, kann jemand mit bestehenden Herz-Kreislaufbeschwerden natürlich töten (beliebig gewähltes Beispiel).
    Ein anderer Punkt ist die persönliche Unverträglichkeit (Allergien etc...). Ein Freund von mir hat eine starke Nussallergie, wenn der etwas mit Nüssen ist besteht Lebensgefahr. Nussschnaps verträgt er aber seltsamerweise und Alkohol in Mengen, die mich ins Koma versetzen würden ;)
    Von Langzeitfolgen diverser Gifte mal ganz zu schweigen. Der eine raucht 70 Jahre ohne Probleme, der andere bekommt nach 20 Jahren Lungenkrebs.

    Viele Grüße
    Thomas

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    Einmal editiert, zuletzt von ThomasL (5. Juli 2017 um 12:11)

  • Hallo Thomas,

    deine Darlegungen bezüglich der Giftpilze, die von Pablo eingeschlossen, verstehe ich durchaus. Aber - letztendlich bleibt doch ein Giftpilz eben ein Giftpilz. Wir können doch nicht argumentieren, dass der Grüne Knollenblätterpilz zwar ein Giftpilz ist, aber die Giftwirkung von der Person abhängt. Das ist doch gefährlich! Natürlich macht die Dosis das Gift, aber das ändert nichts am Charakter des Giftpilzes, er ist und bleibt giftig.

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo.

    Das war dann wohl in der Tat mißverständlich formuliert von mir.
    Besser wäre: "...weil die Giftwirkung mancher Pilzarten..."
    Natürlich ist ein Orangefuchsiger Hautkopf giftig, ebenso wie ein Grüner Knollenblätterpilz und auch ein Riesenrötling.
    Unabhängig von individuellen Faktoren (die zB Netzhexen für manche Menschen giftig machen, für andere wiederum nicht) und unabhängig von der Garzeit (Rohe Birkenrottappen = Giftpilz).
    Man kann einem Kind von fünf Jahren erklären, daß da auch die Menge eine Rolle spielt, muss man aber nicht. Ein Kind von fünf Jahren kapiert ja auch, daß Papa die Zuckertabletten (oder das Insulin) sehr wohl braucht, obwohl diese für das Kind giftig sind (nur so als Beispiel).

    Mich hat es als Kind übrigens furchtbar geärgert, wenn mir Leute (egal ob Lehrer oder Eltern) irgendeinen Quatsch für die Wahrheit verkauft haben. Irrelevant, ob sie es einfach nicht besser wussten, oder weil sie das für "kindgerecht" hielten.
    ich meine mich zB zu erinnern, in der Grundschule mal so einen Unfug beigebracht bekommen zu haben wie: "Pilze sind Pflanzen." Was auch in den 80ern schon schlichtweg falsch war.

    Zitat von weisheit pid='38162' dateline='1499200869'


    Eine schulische Antwort ist immer konkret, z.B. es gibt 5000 Großpilzarten, davon sind xy giftig.

    Das ist ein Fehler in der Vorstellung der Vermittlung von Wissen.
    Man (und vor allem ich) muss nicht jede pädagogische Fehlleistung mitmachen, nur weil "man das halt so macht".
    Erstens: Weg mit dem Begriff "Großpilze", der einfach nichts aussagt und auch für ein Kind kaum mehr beinhalten kann als ein nicht begreifbares Konstrukt.
    Dann: Weg mit dieser Vorstellung, immer irgendwas als "absolut" verkaufen zu müssen. Warum soll man einem Kind nicht die Wahrheit sagen können: "Es gibt viele tausend Pilzarten, von winzig klein bis ganz schön groß. Wie viele das wirklich sind, weiß man noch gar nicht genau, weil das noch nicht erforscht ist.
    Darum weiß man auch nicht so genau, wie viele Giftpilze es wirklich gibt.
    Aber man weiß es bei vielen Pilzen schon ganz genau, und zwar:
    ...

    Was ist daran für ein Kind schwer zu verstehen?
    Warum muss man versuchen eine Scheinwahrheit oder Scheinsicherheit zu konstruieren, die es in der Wirklichkeit gar nicht gibt?
    Manchmal glaube ich, daß das eher der Hilflosigkeit und Unwissenheit der Lehrer (und in noch stärkerem Maße der Lehrplangestalter) geschuldet ist, als dem Verständnis der Kindern. Denn die Kinder können das sehr wohl aufnehmen, wenn man es nur richtig vermittelt. :wink:


    LG; Pablo.

  • @Veronika: Wie gesagt, ich war mir einfach nicht sicher ob ich deinen Beitrag richtig verstehe (das heißt nicht, dass damit irgendetwas nicht in Ordnung wäre :))

    @Pablo: Volle Zustimmung, ich habe meinem Sohn auch direkt gesagt, dass die Frage eigentlich nicht zu beantworten ist (mit der entsprechenden Begründung). Das hat er durchaus auch verstanden. Trotzdem wollte er dann eine "ungefähre" Zahl für die Schule - das zeigt welche Erwartungshaltung da herrscht. :(

    Ist aber nicht nur ein schulisches Problem, sondert begegnet mir überall in unserer Gesellschaft (Beruf, Foren, private Gespräche). Irgendwie kann kaum jemand (menschliches oder gesellschaftliches Problem???) mit "Unschärfe", Unsicherheit (Wahrscheinlichkeiten) und nicht "absoluten" Aussagen umgehen. Dahinter steckt wohl einfach das (menschliche) Sicherheitsbedürfnis.

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Thomas!

    Vielleicht ist das auch eine persönliche Marotte von mir: Ich mag ungefähre Zahlen. :wink:
    Lieber etwas bewusst nicht wissen, als etwas Falsches zu wissen glauben: Mich spornt das eher an und weckt Interesse, mich mit Dingen zu beschäftigen. Kein Wunder in dem Zusammenhang, daß die Pilze mich nicht in Ruhe lassen. Da gibt es einfach so viel mehr Fragen als Antworten.
    Uns allen könnte oft ein wenig mehr Demut vor dem Wunder des Leben gut tun. Mir auch. Den Schulen auch: Insbesondere wenn es darum geht, Dinge als "Wahrheit" zu verkaufen, die schlichtweg unsicher oder gar falsch sind.
    Es soll in manchen Ländern sogar Schulen geben, die irgendwelche Baron-Münchhausen-Märchen (nennt sich: Kreationismus) als Tatsachen unterrichten wollen.
    Gruselig, das ist etwas, das Kinder kaputt macht. Nicht die Ehrlichkeit, daß man als Mensch nicht alles wissen muss und kann.
    Aber das ist jetzt sehr, sehr weit weg von der Frage, ob man hier im Unterricht lieber von "5000 Pilzarten" oder "vielen tausend Pilzarten" spricht. Gegenüber den diversen unvorstellbaren Lügenmärchen, an die zu glauben viele junge Menschen über den Erdball verteilt erzogen werden, ist das hier jetzt ein ziemliches Luxusproblemchen.


    LG, Pablo.

  • @Pablo: 1+

    Nachtrag: Das Referat war ein voller Erfolg. Vielen Dank für Euere Unterstützung.
    Besonders gut kam wohl das 1,2,3 Pilzebuch und die getrockneten Pilze (Trüffel, Spitz- und Speisemorcheln, Lackporlinge) an.
    Frische Steinpilze waren leider immer noch nicht da.:(

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Thomas!

    Nicht ich habe die 1+ verdient, sondern hoffentlich dein Sohn. :happy:
    Mich freut's ja generell, wenn solche Themen rund um Pilze auch in der Schule auftauchen. Veronika hat schon recht: Zu kompliziert soll es nicht sein, aber wenn es dann gut aufgenommen wird, daß die Punkte die eben unklar sind auch unklar bleiben dürfen, ohne daß das nachher bemängelt wird, dann umso besser.


    LG, Pablo.