Pfifferlinge harken - MUSS DAS SEIN?

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 4.488 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (17. Juli 2017 um 21:10) ist von Beorn.

  • Hallo,

    bei meiner Tour letzte Woche wurde ich erstmals mit einer neuen "Erntemethode" für Pfifferlinge konfrontiert und hatte deshalb zudem noch fast richtig Stress.
    Gemeint ist das Harken.
    Als ich mit meinem Trainingslager im Wald war, um für das Abendessen Pfifferlinge zu sammeln, wunderte ich mich schon geraume Zeit über das komplett durcheinandergewühlte Laub und die vielen, vielen herausgerissenen und sinnlos umherliegenden und zum Teil zertretenen Pilze. Darunter auch eine ganze Menge frischer und vor allem auch großer Pfifferlinge. Vor allem aber hunderte und aberhunderte von ganz jungen und damit natürlich kleinen bzw. kleinsten Fruchtkörpern!


    Also schaute ich mich nun mal etwas aufmerksamer im Revier um und dann sah ich des Rätsels Lösung:
    Eine Frau mit einer großen Harke "meterte", wie ein Heuwender auf dem Acker, durch das Laub, um an die darunter verstecken Pilze zu gelangen. Mit einem Affenzahn arbeitete sie sich durch den Wald, um hinter sich eine Spur der Verwüstung zu hinterlassen.
    Gehört hatte ich schon von diesem "neuen Trend", aber als ich das nun live sah, dachte ich, ich sei im falschen Film.
    Ich sofort hin und gleich losgepolltert, ob's noch geht, was das soll, usw....
    Die Antwort der "Dame": Ich Ökospinner solle mich gefälligst um meinen Schei... kümmern, das ginge mich schließlich gar nichts an!
    Nun ja, tief durchgeatmet und ihr erklärt, daß das genau mein Schei... sei und mich das schon etwas angeht!
    Nun wurde ich gefragt, ob dies denn mein Wald wäre und ohne die Antwort abzuwarten mir gleich noch erklärt, dass ich ja nur ein dummer Ossi sei, denen sowieso nie irgendein Wald gehören würde...
    Zweifellos hatte die Dame zumindest in meinem Fall ja Recht, trotzdem spare ich jetzt mal meine, eventuell nicht ganz jugendfreie, Reaktion hier aus. Solche herablassenden "Ost-Beleidigungen" sind genau mein Ding!
    Ganz ladylike schob sie sich daraufhin zwei feiste Finger in den Mund, pfiff einmal kurz und zwei rotbäckige, und rotnasige, Naturburschen erschienen auf der Bildfläche. Diese saßen die ganze Zeit schon grölend am Waldrand um ein Bier nach dem anderen zu vernichten (die Büchsen landeten natürlich alle im Wald).
    Durch die Dame, augenscheinlich die Mutter, aufgeputscht, war der kommende Verlauf nun sehr schnell zu erahnen, jeglicher Deeskalationsversuch sinnlos. Es gibt nur noch eines was schlimmer als ein dummer Mensch ist: Dumme und angetrunkene Menschen!
    Als seit vielen Jahren erfahrener Kampfsportler weiß ich nun schon mit solchen Situationen umzugehen, kann mich meiner Haut sicher erwehren und darf das in einer solchen Situation auch tun. Das teilte ich diesem Mob natürlich mit, interessiert hatte es jedoch wenig, ganz im Gegenteil.
    Dumm war nun weiterhin nur, daß die Truppe, mit der ich gerade im Wald war, ausgerechnet eine nationale Kickbox-Auswahl war, die sich auf ihre Europameisterschaften vorbereiteten. Durch den Radau im Wald angelockt kamen nun aus jeder Richtung, teilweise recht furchterregend aussehende (aber total nett seiende) Gestalten in eindeutig bedruckter Trainingsmontur. Und wenigstens konnte die Randale-Gang wohl lesen oder zumindest die asiatischen Schriftzeichen deuten, denn fluchend dampften sie ganz eiligst mit ihrem Daimler (Kennzeichen Winsen/Luhe) ab, der übrigens mitten im gesperrten Wald abgestellt war...
    Ohne Worte!

    Zwei Tage später in einem anderen Wald das gleiche Bild!
    Dieses mal ein älteres Pärchen, das den Wald durchharkte und wiederum eine doppelte Schneise der Zerstörung zog.
    Nun machte ich es aber mal anders und sammelte einfach in gehörigem Abstand die sichtbaren abgerissenen Pfifferlinge, die übersehen wurden, ein. Dann stellte ich die beiden ganz freundlich zur Rede und präsentierte die hinter ihnen aufgesammelten Pilze. Ich hatte mehr, als beide zusammen in ihr Körbchen geschafft hatten!
    Das und meine Argumente betreffs des Schutzes anderer Pilze, Pflanzen und Tiere machten dieses total nette Paar sehr betroffen.
    Darum auch zeigte ich ihnen noch, auf welche "Zeichen" am Boden sie achten sollten und wie sie mit einem Stock viel einfacher, effektiver und "friedlicher" zum Erfolg kommen würden.
    Nach knapp einer Stunde kamen sie dann noch einmal zurück, präsentierten mir voller Stolz ihren vollen Korb und bedankten sich herzlichst!
    Und, irgendwie fühlte auch ich mich an diesem Tag sehr zufrieden...

    Natürlich verstehe ich die Problematik, die sich durch die kaum noch verwesende und deshalb ständig wachsende Laubdecke in den Wäldern für Pilzsammler ergibt, vor allem auch für ältere Menschen. (Ich verfolge diese Entwicklung und die sozialen Auswirkungen seit Jahren und werde auch noch einen Artikel darüber verfassen!)
    Aber, muss man deshalb nun mit Harken oder anderen Gerätschaften den Wald verwüsten?
    Rechtfertigen die "gesammelten" Pilze die Zerstörung?
    Kennt ihr diese Problematik auch? Was sind eure Erfahrungen?
    Würde mich über eure Meinungen freuen.

    LG Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Beachwolle (11. Juli 2017 um 12:16)

  • Das klingt nicht schön, was du da erzählst. Wir sind hier kein Pfifferlingsgebiet, daher hab ich auch (zum Glück) noch nie Harker gesehen. Würde mich aber auch darüber aufregen.
    Apropos, was ist denn nun die beste Methode Pilze zu ernten: abschneiden oder herausdrehen?

  • Hallo Thomas,

    das ist ja ein erschreckender Bericht und ich hätte nicht gedacht, dass so etwas heute noch vorkommt! Ich weiß, dass diese Methode des Pilzesammeln im Erzgebirge (so bis 17.Jh./19.Jh.) besonders in Notzeiten angewandt wurde. Und das war sicher nicht nur im Erzgebirge so. Aber da gab es auch noch öfters eine Pilzschwämme. Natürlich war auch nicht bekannt, welche Folgen ein solches Vorgehen hatte. Ich weiß, dass diese Sammelart zu DDR-Zeiten streng verboten war. Inwiefern eine amtliche Anzeige dieser Leute bei der Polizei hilfreich ist, vermag ich nicht einzuschätzen, aber ein Versuch ist es wert.
    Fazit: Die Gier der Menschen bringt die Menschen noch in ihr eigenes Grab.

    Hallo Pilzjäger,

    wenn du Pilze nicht kennst, aber sie bestimmen willst oder jemandem zur Bestimmung vorlegen willst, musst du die Pilze vorsichtig aus dem Boden drehen, weil man zur Bestimmung alle Teile des Pilzes braucht, manchmal sogar das anhaftende Pilzgeflecht. Loch vorsichtig zutreten, damit das Mycel nicht austrocknet.
    Wenn du sicher bist, einen essbaren Pilz gefunden zu haben, dann abschneiden. Es gab mal eine Diskussion vor vielen Jahren, dass das Abschneiden falsch ist, weil die verbleibenden Rest faulen und das Mycel zerstören. Das ist falsch. Denn danach müsste jeder von selbst verfaulende Pilz im Wald das Pilzmycel zerstören. Passiert aber nicht!

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • Hi thomas,
    Von so einer methode hab ich noch nichts gehört/ist aber sicher nicht die schonendste art schwammerl zu brocken. Bei uns ist allerdings auch kein eierschwammerlgebiet.
    Fein dass es zumindest im zweiten fall anscheinend was gebracht hat.
    Eine frage noch: Wieso wird bei euch die laubschicht immer mehr? Andere altersstruktur im wald?
    Lg joe

  • Hallo Thomas,

    erstmal Respekt dafür, dass Du in beiden Fällen etwas unternommen hast!

    Da ich mich seit einiger Zeit intensiver mit Konfliktkommunikation beschäftige, finde ich dein Beispiel auch sehr interessant und aussagekräftig.

    Der erste Fall zeigt deutlich, dass Menschen die mit "Vorwürfen" konfrontiert werden i.d.R. sofort mit Abwehrverhalten reagieren und damit auch unerreichbar für Argumente werden. Man fühlt sich dann vielleicht wohl, weil man jemand die Meinung gesagt (wobei, meist geht es einem eher schlechter) aber bewirken tut man meist gar nichts.

    Der zweite Fall zeigt wie man es richtig macht. Man holt die Leute ab und gibt ihnen einen Grund gibt ihr Verhalten von sich aus (!) zu ändern. Ich würde sagen, Du hast hier perfekt gehandelt.

    Viele Grüße an einen Kampfsportkollegen ;)
    Thomas

    PS: Bei Personen, die sich von diesem Verhalten absolut nicht abbringen lassen (!), würde ich eine Anzeige in Erwägung ziehen. Solche Tendenzen lassen sich nur bekämpfen durch gute Aufklärung (bevorzugt) und dort wo diese nicht wirken empfindliche Strafen.

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo Joe,

    zwar mit etwas Verspätung, aber ich wollte deine Frage nicht unbeantwortet lassen.
    Seit mehreren Jahren, ganz speziell in den letzten fünf, beobachte ich hier im südlichen Mecklenburg und auch im nördlichen Brandenburg, der Prignitz, ein verstärktes Anwachsen der Laubdecke am Waldboden. Die herabgefallenen Blätter verrotten in vielen Waldgebieten die ich z.T. regelmäßig begehe, seit 20 Jahren und mehr, einfach nicht mehr vollständig. Ursachen dafür sind meiner Ansicht nach hauptsächlich in generell fehlenden Niederschlägen und zu warmen Wintern zu suchen. In einigen Waldteilen legt sich diese dicke Laubschicht wie ein Leichentuch über alles. Natürlich hat das auch sichtbare Auswirkungen auf das Wachstum anderer, vor allem niederer, Pflanzen und Pilze. Zudem denke ich, daß sich das Bodenklima und die Bodenchemie dadurch im Laufe der Zeit ändern wird, was wiederum Auswirkungen auf Flora UND damit auch Fauna haben wird.
    Aber auch soziale und menschliche Probleme erwachsen daraus:
    Zum einen siehe oben, aber die Folgen sind weitaus größer! Pilze suchen, vor allem Pfifferlinge, wird zu einer körperlichen Belastung. Und das meine ich wirklich ernst. Ältere Pilzsammler haben damit richtige Probleme, und greifen deshalb auch zu o.g. Hilfsmitteln, was wiederum mit der Zerstörung der Biotope einhergeht. Viele müssen bzw. mussten wegen diesen Anstrengungen ihr seit Jahrzehnten ausgeübtes Hobby gleich ganz aufgeben und damit auch auf ihre geliebten Waldfrüchte verzichten. Viele Kinder, quasi unser "Pilzler-Nachwuchs" verliert im Wald, wegen der nervigen "Graberei" nach Pilzen, ganz schnell die Laune am "Sammeln" gleich ganz! Weil es einfach keinen Spaß mehr macht, sondern eher Arbeit ist.
    Und, und, und...
    Wie schon gesagt, eigentlich ist das ein so komplexes Thema, daß es in einen extra Thread gehört!
    Hängt alles wohl mit der globalen Klimaveränderung zusammen, und dann eine solche Einstellung von diesem TRUMPEL oder wie auch immer dieser Präsident heißt...


    Hallo Thomas,

    danke für die Blumen! Schon interessant, so von Experte zu Experte, was du da so aus meinem Beitrag herausliest.:)
    Werde dir die Tage dazu eine PN schreiben, habe da mal ein paar Fragen.
    Daß du auch ein "Kämpfer" bist, habe ich schon vor geraumer Zeit freudig registriert! Ich melde mich.

    LG Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Beachwolle (14. Juli 2017 um 23:06)

  • Zitat

    Schon interessant, so von Experte zu Experte, was du da so aus meinem Beitrag herausliest.


    Experte bin ich sicher nicht, eher interessierter Laie ;) mit Erfahrung in "schwierigem" Umfeld. Wichtig ist mir folgende Formulierung "herausliest", ich bezog mich natürlich lediglich auf die schriftliche Darstellung und den Eindruck den ich daraus gewonnen habe. Da ich nicht dabei war, kann und will ich das eigentliche geschehen nicht beurteilen (mag anders rübergekommen sein).
    Da es hier jetzt doch zu sehr OT geht: Ich freue mich auf die PM und beantworte gerne Deine Fragen (so es mir möglich ist)

    Viele Grüße
    Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • hallo thomas (also beachwolle),
    danke für die ausführliche antwort!
    wie du schon geschrieben hast ist das sicher ein sehr komplexes thema bei dem wohl mehrere faktoren mitspielen. direkt aufgefallen ist mir die sache bei uns noch nicht/könnte aber auch damit zusammenhängen dass es bei uns kaum eierschwammerl gibt und es bei den größeren pilzen nicht gleich auffällt. muss ich mal darauf achten.
    und o ja das trumpeltier....

    lg joe

  • Hallo Thomas,

    das mit der Laubschicht finde ich sehr interessant. Bei uns ist es eigentlich auch sehr trocken und mild (Winter) aber eine solche Beobachtung konnte ich noch nicht machen.
    Ich frage mich ob es da noch andere Ursachen geben könnte.

    Viele Grüße
    Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo,

    um meinen Bericht einmal kurz zu untermauern nur mal schnell zwei Bilder aus dem JULI !!! 2016! Und nein, nicht aus dem Herbst oder so!
    Hier, in einem meiner Lieblingswaldstücken, sammele bzw. sammelte ich seit über 20 Jahren u.a. Steinpilze und vor allem Pfifferlinge.
    Vor noch fünf! Jahren war es hier grün von Moosen und anderen niederen Pflanzen. Jetzt ist alles von einem, stellenweise 30cm dicken, "Leichentuch" überdeckt!
    Ich empfinde diese Entwicklung als dramatisch!



    So sieht es hier das ganze Jahr aus. Und vor allem, nicht nur hier! Das soll auch nur ein Beispiel sein.

    LG Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Beachwolle (14. Juli 2017 um 23:03)

    • Offizieller Beitrag

    Hi.

    Ich schluck mal die Harke runter und lasse einen Gedanken zur dicker werdenden Laubschicht da. Das ist nur ein loser Gedankengang und ein paar Schlussfolgerungen, nicht belegt und nicht bewiesen.
    Aber wenn man mal davon ausgeht, daß es nicht nur einen signifikanten Rückgang in der Artenvielfalt, sondern auch in der Anzahl der Organismen gibt, und sich das vor allem in einem für uns weitestgehend unsichtbaren Bereich abspielt, könnte man auf folgende Erklärung kommen:
    Zuständig für die Zersetzung bzw. Umwandlung der gefallenen Blätter ist in einem einigermapen gesunden Wald eine ungeheure Vielzahl von Organismen, in erster Linie Pilze und Mikroorganismen (vorwiegend Protozoa) wie Bakterien und Schleimpilze.
    Von den PIlzen und Schleimpilzen bekommen wir oft noch die Fruchtkörper zu sehen, die teils winzig sind, und erst mit der Lupe zu erkennen. Zusammen mit Milliarden von winzigen Insekten, Spinnentierchen und anderen Wirbellosen wird das abgefallene Laub am Boden umgewandelt in Waldhumus, von dem höhere Pflanzen, Pilze und Tiere gedeihen.
    Die Ursachen für den Arten- und Individuenrückgang sind hinlänglich bekannt (Biotopzerstörung durch Waldwirtschaft, Baumaßnahmen etc; verunreinigung der Böden durch die extreme Stickstoffüberlastung; anthropogener Klimawandel), aber je weniger Organismen da sind, um das Laub zu zersetzen, desto dicker wird die Laubschicht. Für den Wald an sich wohl kein gutes Zeichen.


    LG, Pablo.

    Das Internet ist "Hilfe zur Selbsthilfe" und kann nur Vorschläge zu Bestimmung von Pilzen bieten. Eine Verzehrfreigabe ist online nicht möglich, die gibt's beim >Pilzsachverständigen<.