Sinn der Becherform

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 6.910 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (1. Mai 2018 um 12:19) ist von Beorn.

  • Hallo zusammen,
    kann mir jemand etwas zum evolutionären Sinn der Becherform sagen?

    Bei den Basidiomyceten ist es klar. Der Stiel hebt die Fruchtform vom Boden ab, der Schirm schützt das Hymenium, die Sporen bleiben trocken und der Wind kann sie weit forttragen.

    Bei den Becherlingen innerhalb der Ascomyceten sammelt sich aber Schmutz und Wasser in der bodennahen Schüssel. Die Sporen verklumpen und werden - zumindest bei nassem Wetter - nur noch ausgeschwemmt. Somit wird lediglich das nähere Umfeld beimpft. Könnte das auch der Grund dafür sein, dass man in unseren Wäldern meist sehr viele Ständerpilze und sehr selten Becherlinge findet?

    Ist das nun eine evolutionäre Frühform oder hat das eine Bedeutung? Sollen vielleicht Kleintiere daraus trinken und somit die Sporen verteilen. Oder ist dies ein Wasserreservoir für trockene Zeiten wie bei der Wilden Karde. Oder werden darin Insekten gefangen und verdaut ähnlich den karnivoren Pflanzen (z.B. Schlauchpflanzengewächse).

    LG,Toni

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Toni!

    Um sich der Frage zu nähern, muss man erstmal kurz feststellen, daß die Unterscheidung Schlauchpilz (Ascomycet) und Ständerpilz (Basidiomycet) nicht das geringste mit der äußeren Form der Fruchtkörper zu tun hat.
    bei Schlauchpilzen werden die geschlechtlichen Sporen innerhalb der dafür vorgesehenen Zellen gebildet (diese Zellen nennt man Asci / Schläuche), bei Ständerpilzen werden die geschlechtlichen Sporen außen an den entsprechenden Zellen gebildet. Entwicklungsgeschichtlich ist das ein fundamentaler Unterschied, im Grunde sogar eine noch grundlegendere Unterscheidung als im Tierreich zwischen Wirbeltieren (Kanarienvogel, Krokodil, Mensch, Känguru, Goldfisch, Ginsterkatze) und Wirbellosen (Braune Wegschnecke, Marienkäfer, Waldameise, Kreuzspinne, Feuerqualle, Regenwurm).

    Es gibt also Schlaupilze, die ganz klar und deutlich in Hut und Stiel gegliedert sind (Herbstlorchel, Speisemorchel, Sattellorchel) und Ständerpilze, die becherartig geformt sind (Rötlicher Gallerttrichter, Brauner Haarschüsselrasen, Gelber Schüsselschwindling, Flaumiges Hängeröhrchen).
    Die Evolution ist also von ganz unteschiedlichen Voraussetzungen aus mehrmals den selben Weg gegangen, was die Form betrifft. Insofern kann das mit der Becherform ja nicht so verkehrt sein, solange es offensichtlich funktioniert.

    Generell gibt es sehr unterschiedliche Arten der Sporenverbreitung bei Pilzen. Oft sind es Mischformen aus mehreren Optionen. So spielen Insekten und andere Tiere eigentlich fast immer eine Rolle für die Verbreitung. Ein Fliegenpilz lässt zwar seine Sporen fallen und mit dem Wind verbreiten, profitiert aber auch davon, wenn ein Wildschwein einen reifen Fruchtkörper umrennt, die Sporen sich im Fell verfangen, und am nächsten Baum wieder ausgeschubbert werden.

    Das geht den Becherlingen auch so, aber die becherförmigen Ascomyceten haben noch einen weiteren Trick auf Lager: Die Schläuche können die Sporen (mit unterschiedlicher Kraft, je nach Art) regelrecht aktiv ausschleudern. Man kann das sehen, wenn man einen reifen Becherling im richtigen Moment im Gelände beobachtet: Da sieht man mitunter die Wolken von Sporenstaub mit blosem Auge aufsteigen, auch bei völliger Windstille und ohne daß an dem Fruchtkörper manipuliert wurde.

    Es ist auch nicht wirklich so, daß in einem Wald mehr "Becherlinge" als "Pilze mit Hut und Stiel" wachsen. Das scheint nur so, weil ddie Becherchen meistens unauffälliger sind. In wirklichkeit sind sie aber ebenso häufig und omnipräsent. Man muss nur einen einigermaßen verwitterten, gut genug feuchten Holzast aufheben und angucken, da wird man eigentlich fast immer mindestens eine Mollisia, Orbilia, Hyaloscypha oder ähnliche Becherchen irgendwo dran finden. Meistens in etlichen Exemplaren. Nur: Die sind halt oft kaum größer als 1mm.

    Was das Ansammeln von Detritus und Wasser in Bechern betrifft: Klar, Regen bzw. Wasser generell kann auch der Sporenverbreitung dienen. "Schmutz" müsste man nun genauer definieren, da verstehen Pilze nämlich was ganz anders drunter, als die meisten Menschen. In einem natürlichen, nicht von Menschen verdreckten Wald gibt es nämlich keinen Schmutz, weil alles teil der Kreisläufe des Systems ist und alles in ständiger Bewegung und Umwandlung. Die Pilzsporen und auskeimenden Pilzsporen suchen sich in diesem System ihren Platz, der kann auch wenige Zentimeter vom ursprünglichen Fruchtkörper liegen. Ist gar nicht so schlecht, weil da die Bedingungen ja auch passen.
    Dabei findet natürlich nur ein Bruchteil der Sporen eines Fruchtkörpers eine Möglichkeit zum Auskeimen, und nur ein Bruchteil dieser Primärmycelien findet ein weiteres, geschlechtlich passendes Primärmycel der gleichen Art, mit dem es einen neuen, fertigen Organismus bilden kann. Die Pilze regeln das über die Sporenmasse (teils Millionen von Sporen aus nur einem einzigen Fruchtkörper). Der Trick der Pilze, egal aus welcher Klasse, Ordnung, Familie: Die Sporen sind mehr oder weniger omnipräsent.

    Insekten fangen übrigens nicht so viele Pilze, ein bekanntes Beispiel sind Austernseitlinge, die sich Nematoden angeln und als kleines Zubrot verspeisen.

    Schlauchpilze sind in der Tat entwicklungsgeschichtlich älter als Ständerpilze, allerdings gibt es mehr Schlauchpilz- als Ständerpilzarten (Zahlen können aber nur geschätzt werden, weil die meisten Arten weltweit ohnehin noch nicht beschrieben sind), aber beide Klassen existieren sehr erfolgreich nebeneinander her.


    LG, Pablo.

  • Zitat von Beorn pid='45017' dateline='1524669329'


    Es gibt also Schlaupilze, die ganz klar und deutlich


    Schlaupilze, :D


    Griaß di Pablo,

    dein kleiner Tippfehler freut mich, mit dem hast du mich an etwas erinnert.

    SchleimigerStreckenplaner sind ein geeignetes Beispiel, wie 'schlau' in der Natur abläuft.

    Für deinen ausführlichen Beitrag wurde bereits gedankt, hiermit auch von mir,

    LG
    Peter

    Einmal editiert, zuletzt von Habicht (25. April 2018 um 21:01)

  • Hallo Pablo,
    danke für deinen ausführlichen und sachkundigen Bericht. Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Aber den eigentlichen Vorteil der Becherform weiß ich immer noch nicht. Irgend eine Qualität sollte diese doch haben; die Natur macht doch sowas Grundsätzliches nicht ohne Sinn. Interessant war zu erfahren, dass die Asci quasi expodieren können und ein Sporenstaub aufsteigt, wie man das bei den Bauchpilzen kennt. Übrigens, die Mehrzahl der Ascomyceten sind Hefe- und Schimmelpilze. Hier hat man bei der Artbenennung heute eine Definitionsdiskussion. Soll man die Artgrenze bei 90, 97 oder 99 ...% DNA-Übereinstimmung ansetzten. Bei Ascomyceten mit kompakten Fruchtkörpern sehe ich die Vielfalt nicht so groß wie bei den Basidiomyceten. Das zeigt mir jedes Pilz-Bestimmungsbuch. Aber vielleicht liege ich da auch falsch. Du wirst wahrscheinlich fragen, was ist kompakt, wo setzt man da die Grenze. Also das kann ich dir auch nicht sagen, jedenfalls ausschließlich der Schimmelpilze, ansonsten ist der Übergang von den Mikroorganismen zu den Makroorganismen fließend.
    LG, Toni

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Toni!

    Ich weiß nicht, ob die Evolution in solchen Mustern wie "Vorteil - Nachteil" denkt.
    Etwas funktioniert, also wird es beibehalten bzw. weiter entwickelt. Entwicklungsgeschichtlich scheint diese Becherform recht archaisch zu sein. Interessanterweise wurde sie aber in mehreren getrennten verlaufenden Strängen parallel entwickelt. Ein wichtiges Prinzip der Evolution ist ja halt auch Vielfalt, da muss es nicht sein, daß eins unbedingt besser ist als das andere. Es gibt in der Evolution auch keine Perfektion, denn das würde Stillstand bedeuten, und somit das Ende des Lebens.

    Daß die Natur nichts "ohne Sinn" macht, ist auch eine schwierige Behauptung. Weil es von einem anthropozentrischen Denken ausgeht, also meint, daß wir von unserem sehr individuellen und eingeschränkten Standpunkt einen tieferen Sinn in den Verläufen von Natur und Evolution überhaupt verstehen und erkennen könnten. Können wir aber oft nicht, dazu sind wir bei weitem nicht intelligent genug. :wink:

    Ich bin nicht so sicher, ob man Hefen wirklich zu den Ascomyceten zählen kann. Das sind im größtenteils ja nur Konidienketten, die völlig auf geschlechtliche Vermehrung verzichten. Wenn keine Bildung von geschlechtlichen Sporen vorkommt, gibt es auch keine Asci und keine Basidien. Ich meine mich aber dunkel zu erinnern, mal gelesen zu haben, daß man bei einigen hefen tatsächlich Bildung von Asci beobachtet hat. Aber gilt das für alles, wass man in diesen Topf schmeißt?

    Womit wir bei einem weiteren Problem wären: Genetik bei Pilzen. Auch das ist alles noch viel zu lückenhaft. Meines Wissens ist erst bei sehr wenigen Arten überhaupt das Genom vollständig entschlüsselt. Und das vor allem bei Arten, die eben keine geschlechtlichen fruchtkörper bilden, wo also nicht wirklich zu sagen ist, ob das Ascomyceten oder Bassidiomyceten sind. Bei den meisten Pilzen sind bisher nur einzelne Sequenzen bekannt, meistens die ITS, oft auch noch LSU und vereinzelt andere konservative Sequenzen. Nun wird gerne versucht, einen Zusammenhang zwischen Verwandschaftsbeziehungen und LSU - Sequenzen herzustellen. Das allerdings steht auf sehr wackeligen Füßen.
    Da sind eine Menge Fragen ungeklärt, und manches passt nicht wirklich zusammen. So nimmt man zB eine - an Gemeinsamkeiten der LSU - Sequenzen ausgerichtete - Familie der Rickenellaceae an. Die dort zusammengeffassten Arten und Gattungen passen aber nicht zusammen. Sie haben eher zufällig eine gemeinsame LSU - Sequenz, sind aber höchstwahrscheinlich oft gar nicht auf Familienebene miteinander verwand.

    Auch der Begriff "Schimmelpilze" ist eine sehr künstlich zusammengestellte Gruppe und alles andere als homogen. Im Grunde ist das nichts anderes als ein Sammelbegriff für "Ungeschlechtliche / anamorphe Pilzfruchtkörper mit einem haarigen bis flaumigen Erscheinungsbild". Auch die Anamorphen von Botryobasidium - Arten kann man getrost als Schimmelpilze bezeichnen. Es sind aber Basidiomyceten. Weil die Hauptfruchtformen halt Basidien bilden.

    Ebenso artifiziell wäre der Begriff "Kompakte fruchtkörper" oder "Großpilze". Jede Grenze, die man da ziehen würde, wäre absolut willkurlich und unterliegt ganz und gar persönlichem Gutdünken.
    Aber ich vestehe schon, worauf du hinaus willst, und ja, da gebe ich dir recht: So gesehen stimmt deine Beobachtung. :agree:
    Es gibt mehr Basidiomyceten mit "großen", auffallenden, kompakten Fruchtkörpern als entsprechende Ascomyceten. Und: becherförmige Basidiomyceten gibt es im Vergleich nur recht wenige. Dafür gibt es in dem Bereich aber noch einen ganzen Haufen von krustenförmigen, resupinaten Holz- und Bodenbewohnern. Und theoretisch könnte man ja auch das Judasohr als becherförmig bezeichnen. Das wäre auch ein Basidiomycet, aber ein sehr archaischer, mit einer sehr ursprünglichen Form von Basidien, die sich sehr von der Form "moderner" Ständerpilze unterscheidet.


    LG; Pablo.

  • Hallo Toni,

    die Becherform hat mE den Vorteil, dass sich die Sporen auf deren gesamten Oberfläche entwickeln. zB beim Morchelbecherling oder beim Prachtbecherling. Bei den Basidiomyceten bilden sich die die Sporen auf der Lamellenschneide, zB beim Parasol. Wenn ich jetzt einen direkten Vergleich zwischen diesen anstelle scheint die Becherform sehr effizient zu sein, was die zur Verfügung stehend Fläche für die Sporenproduktion anbelangt.

    Dass Hefe- oder Schimmelpilze die Mehrzahl der Ascomyceten bilden ist mir neu. Die Hefen sind keine, beim Schimmel kenne ich nur einige Ausnahmen aus der Literatur. Soweit ich richtig informiert bin.

    Mit der DNA-Sequenzierung ist das so eine Sache. Es werden lediglich bestimmte Genregionen untersucht, nicht das gesamte Genom. Auch wenn die Übereinstimmung 99 % beträgt bestätigt dieses Ergebnis nicht, dass es sich um eine Art handelt. Davon können die makroskopischen Merkmale sehr deutlich abweichen.
    Eine 100%ige Übereinstimmung hat eine vor kurzem durchgeführte Sequenzierung einer Ganoderma ergeben, nämlich gleich mit drei bis dahin unterschiedlich benannten Arten, G. lucidum, G. tsagae und G. valesiacum. Von da ab wird es leicht kompliziert, ...

    Der Übergang von Mikro/-zu Makroorganismen sei fließend meinst, da stimme ich dir zu. Evolution würde dazu sagen,

    LG
    Peter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Peter!

    Gut, daß du das Ganoderma - lucidum - Problem erwähnst. Das könnte zB durchaus so ein Fall sein, wo mehrere verschiedene Arten die gleiche ITS - Sequenz haben. :agree:
    Mehr Sicherheit würde man wohl nur durch Kreuzungsversuche mit Primärmycelien in Kultur erlangen können: Ein enormer Aufwand!

    Also zumindest unsere >Lieblingshefe< (im weiteren Sinne) wird den Ascomyceten zugeordnet (siehe "Classification"). Die dürfte auch soweit genetisch aufgeschlüsselt sein, daß eine Zuordnung zu einer Klasse (Ascomycota) schon anhand des genetischen Bildes möglich ist.
    Aber ob das für alle "Hefen" zutrifft: Keine Ahnung. Ist auch echt nicht mein Fachbereich. Frag mal einen Ornithologen, ob er dir was zur Systematik von Florfliegen erklären kann. :wink:

    Darauf pflonck? Saccharomyces cerevisiae s.l.?


    LG, Pablo.

  • Griaß di Pablo,

    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]Kreuzungsversuche im Ganoderma- lucicum-Komplex, womit den? [/font]

    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]Alle bisherigen Beschreibungen sind durchzukneten, das gesamte Herbar zu sequenzieren. Kompliziert wird es beim Substrat, das liegt ja nicht bei.[/font]

    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]Hab' ich dir bereits den aktuellen Schlüssel geschickt? [/font]

    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]"Darauf pflonck? Saccharomyces cerevisiae s.l.?"[/font]

    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]Yiepie, da pflonck ich gerne mit,[/font]

    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]:wink:
    [/font]


    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]LG[/font]
    [font="Verdana, Arial, sans-serif"]Peter[/font]

    Einmal editiert, zuletzt von Habicht (26. April 2018 um 20:13)

  • Hallo Peter und Pablo,
    hier 3 Fotos von Ascosporen bei Hefen aus der mikroskopischen Vorzeit. Bitte nicht auf die Vakuolen oder die kleinen Fetttröpfchen achten, sondern die hier vereinzelt jeweils 2 "kompakten" Einschlüsse sind die Ascosporen. Bei den Hefen hat man alles was keine Ascosporen zeigte zu Candida gestellt. Jetzt kann man aber mit Homologie-Nachweis meist belegen, dass es Doppelbenennungen für die imperfekte und perfekte Form waren. Ich stimme euch zu, bei der Systematik gilt auch der Satz "panta rhei".

    Pichia membranaefaciens

    Sasccharomyces cerevisiae

    Zygosaccharomyces rouxii

    LG, Toni

  • Hallo Peter,
    deine Erklärung erscheint mir recht plausibel. Die Becherform dient der Oberflächenvergrößerung. Vielleicht kann ich das so zusammenfassen, auch wenn man dagegen viele Einwände wegen den Ausnahmen haben kann:

    Z.B. bei Spitz- und Speisemorchel wird die Fruchtschicht durch die Ausbildung von Falten, Lappen und Furchen vergrößert. Diese Formen wachsen saprophytisch, also auf Laub, Holzabfällen etc. und haben deshalb einen Stiel, um sich aus dem Mulch zu erheben. Bei den Lorcheln kann man zwei grundsätzliche Formen beobachten. Eine ähnlich gut ausgeprägte Form wie Morchella esculenta ist Gyromitra esculenta, und rudimentärere Formen wären Helvella, Paxina, Leptopodia oder Macroscyphus. Bei den Becherlingen sind viele Holzbewohner beheimatet. Diese verwerten wohl Lignin, Zellulose und Hemizellulose, was zum einen das Nährstoffangebot stark einschränkt und zum Energiesparen nötigt, andererseits sind die Äste oft schon erhaben, so dass sich ein Stiel erübrigt. Aufgrund des schwer zugänglichen Nährstoffs und des Verwurzelungs-Widerstands auf Holz sind sie auch meist sehr klein; vielleicht mangelt es auch an Stickstoff, Phosphor, Schwefel etc. (evtl. doch Teil-Resorption über den Becher). Ausnahmen gibt es - wie gesagt - immer. Der Gewöhnliche Orangenbecherling oder der Tiegelförmige Napfbecherling wachsen bevorzugt auf lehmigem Boden. Die Pflanzenkonkurrenz ist hier eingeschränkt; also brauchen diese keinen Stiel. Öhrlinge und Spatelinge haben das Exponieren der Fruchtschicht alternativ gelöst. Wie das nun mit Discina, Disciotis etc. erklärbar ist, lässt sich diskutieren.

    LG, Toni

    • Offizieller Beitrag

    Moin!

    Das sind schon mal ziemlich plausible Erklärungen.
    Auch die Bildung von Lamellen, Stacheln und Röhren dient ja der Oberflächenvergrößerung, nimmt man jedenfalls an. Strategien gibt es also diverse, und letztlich ist das ja auch alles im Fluss. :happy:

    Interessanzte Doku übrigens zu den Hefesporen, danke!
    Du hast nicht zufällig ein Bild, wo man auch Sporen im Ascus sehen kann? ich hab' sogar mal den Bodensatz eines Weizenglases spaßeshalber mikroskopiert, aber da fand ich tatsächlich nur Konidien, von denen ich hoffte, daß es tatsächlich eine Bierhefe war. Nichts so längliches elliptisches mit zwei Tropfen jedenfalls.

    Wegen den Kreuzungsversuchen zu Ganoderma: Eben, darum schrob ich ja: Ein Riesenaufwand. Wer soll denn das entsprechende Material anbringen, und vor allem vital, so daß man noch lebendige Sporen hat?


    LG; Pablo.

  • Zitat von Beorn pid='45041' dateline='1524848102'

    Wegen den Kreuzungsversuchen zu Ganoderma: Eben, darum schrob ich ja: Ein Riesenaufwand. Wer soll denn das entsprechende Material anbringen, und vor allem vital, so daß man noch lebendige Sporen hat?

    Hi,

    die Sporen einer Ganoderma sind nicht so 'launisch' wie die von zB Sarcoscypha.

    Das "entsprechende" Material ist vorhanden, Leif meint dazu,

    "Die große Variabilität in den makroskopischen Merkmalen von Basidiocarps hat sich in einer Vielzahl von Synonymen und Verwirrungen in der Taxonomie dieser Gattung wiedergefunden. In der Gruppe von G. lucidum wurden fast 200 Arten beschrieben und es besteht kein Zweifel, dass Ganoderma die schwierigste Gattung aller Polyporen ist. Zur Klärung der Taxa sind Untersuchungen von Typusproben im großen Maßstab mit Sequenzierungerforderlich".
    (L. Ryvarden & I. Melo, Poroid fungi of Europe, 2nd Edition 2017)

    So weit, so schlecht. Voriges Jahr habe ich eine Ganoderma lucidium sl. begleitet, da widersprechen sich die geläufigen Bestimmungsschlüssel, inklusive der von Leif.

    Einen Beitrag zum Fund hat Sabine in ihrem Forum eingestellt ,ist hier nachzulesen.

    Warum meine Sporenvemessung mit G. lucidum übereinstimmt und trotzdem G. valesiacum ergibt?

    Weil es der aktuellste Schlüssel so festlegt,

    LG
    Peter

    Einmal editiert, zuletzt von Habicht (27. April 2018 um 22:41)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Peter!

    Eine gewisse Variationsbreite gibt es ja immer bei Sporengrößen. Aber in der Gruppe fehlen mir die Vergleichswerte, da habe ich noch nichts selbst vermessen. Auch mangels Material: Wenn man mal Fruchtkörper findet, findet man darin ja nicht unbedingt auch Sporen.

    Ich find's dennoch richtig, wenn du Funde so gut wie möglich zu unterscheiden versuchst. Auch wenn die Bestimmungs ich dann am Substrat orientiert: Besser zunächst getrennt dokumentieren, weil zusammenführen kann man mehrere Datensätze später jederzeit, wenn sich ganz sicher sagen lässt, daß alles eine Art ist. Wenn man in 2, 20 oder 200 Jahren aber eine Möglichket findet, da doch verschiedene Arten zu unterscheiden, dann wird's schwierig, die Dokumentationen der Vergangenheit wieder aufzudröseln, wenn alles unter einem Namen notiert wurde.


    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,

    die Hefen (Protoascomyceten, Endomyceten, Saccharomycten etc.) vermehren sich, solange es ihnen gut geht mit Sprossung, Teilung etc. Erst unter Stress (UV, Trockenheit, Hitze, Kälte, Nährstoffmangel etc.) bilden die perfekten Arten Ascosporen als Dauerformen. Die Mutterzelle ist dann der Ascus - ist wohl ein evolutionärer Vorgänger zu dem Schlauch mit 8 Sporen. Schläuche mit 8 Sporen sah ich nie, gibt es wohl auch nicht. Es werden zwei oder vier Sporen gebildet. Die Sporen sind nicht immer „tropfenförmig“ also +/- rund; bei einigen Arten sind sie Hut- oder Saturn-ähnlich. Leider fand ich dazu kein Foto mehr in meinem inzwischen stark ausgedünnten Fundus.

    In Laborkultur geht die Fähigkeit zur Ascosporenbildung meist dauerhaft verloren. Du wirst also bei Bier-oder Backhefe kaum versporte Hefezellen finden.

    Als Anlage ein weiteres Objekt, das man nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Die Gattung/Art Prototheca wickerhamii wächst in Kultur wie Hefezellen, wird aber obwohl chlorophylllos zu den Grünalgen gestellt. Auch so eine Übergangsform. Im Foto sieht man ebenfalls Sporen in der Mutterzelle. Man bezeichnet dies als Endosporen; sieht genauso aus wie die Ascosporen der Hefen (hier fehlt wohl die Karyogamie und Meiose). Ich habe mich aber nicht näher damit befasst. Auch hier bitte nicht die kleinen Fetttröpfchen beachten!

    LG, Toni

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Toni!

    Solche Übergangsformen finde ich total faszinierend. Das ist das Spannende, wenn man wirklich in die Tiefe geht und beobachtet und forscht: Man entdeckt Zusammenhänge und Verbindungen, die man sonst kaum für möglcih gehalten hätte. Evolutionäre Vielfalt macht es möglich, daß manche Lebewesen auch solche "Sonderwege" beschreiten.

    Schön zu erkennen auf deinem Bild, wie sich innerhalb der "Mutterzelle" (archaischer "Ascus") vier "Sporen" bilden.

    Unsere Einteilung in die verschiedenen Reiche des Lebens ist eben auch nur ein Ansatz, ein Konzept, und an den Grenzen entsprechend vage und fließend. So wie auch die Grenze zwischen Schleimpilzen und "echten" Pilzen nicht so ganz klar definiert ist, obwohl sie sich entwicklungsgeschichtlich wohl sehr früh getrennt haben. Panta rei... :happy:


    LG; Pablo.