Freiheit bei der Artbenennung

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 2.005 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (1. Mai 2018 um 12:26) ist von Beorn.

  • Servus zusammen,

    diese Woche war ich im Auwald. Morcheln fand ich nicht, dafür aber etliche Exemplare vom Mai- und Schuppigen Porling.

    Zur wissenschaftlichen Artbenennung habe ich eine Grundsatzfrage am Beispiel dieser beiden Arten.
    Polyporus lepideus
    Polyporus squamosus
    lat.: lepidus = zierlich (vermutlich sind die sehr kleinen Poren angesprochen)
    lat.: squameus = schuppig

    Mir ist schon klar, dass man bei der Erstbeschreibung eine schöpferische Freiheit hat, aber warum müssen so kleine Abwandlungen zum Latein sein. Warum nicht P. lepidus und P. squameus? War das Latein früher anders, konnten die nicht gut Latein, war das ein Spieltrieb oder ist es nicht schicklich, das Latein wörtlich zu übernehmen. Jedenfalls wäre es für einen „Lateiner“ einfacher, sich den Namen zu merken, wenn nicht diese kleinen Abwandlungen vorkämen. Manchmal enden sogar Gattungs- und Artname unterschiedlich auf ...us und ...um oder ...a und ...us etc., da bekomme ich glatt Bauchgrimmen.

    LG,Toni

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Toni!

    Es ist durchaus möglich, daß hin und wieder ein Erstbeschreiber Schwierigkeiten mit den Schreibweisen hat. Auch mein kleines Latinum ist so lange her, da ist Vieles schon wieder verschüttet. Ich meine mich aber dunkel zu erinnern, daß es im Grunde bei vielen lateinischen Wörtern unterschiedliche Schreibweisen gibt. Auch eine Sprache verändert sich ja immer mit der Zeit, eine so viel genutze und weit verbreitete Weltsprache wie Latein nicht nur im Laufe der Zeit sondern auch je nach Gebiet, wo sie gesprochen wird. Und es ist ja auch nicht so, daß diese Sprache "tot" wäre, sondern sie wird nach wie vor - wenn auch nicht von vielen Leuten - gesprochen. Es gibt sogar lateinische Wörter für Telefon, Fernseher, Autobahn und so weiter. :wink:

    Bei den Pilznamen wird es auch darum schwierig, weil ja nicht nur lateinische, sondern auch noch griechische Wörter verwendet werden, sowie sehr viele Eigennamen. Und da wird den Launen und Phantasie der Erstbeschreiber kaum eine Grenze gesetzt, siehe zB Spongiforma squarepantsii. Benannt nach einer relativ bekannten Comic - Figur, der der PIlz sehr entfernt ähnlich sieht.

    Die Unterschiedlichen Endungen sind eher leicht zu erklären: Das hat meist mit dem Geschlecht der Gattung zu tun. So gibt es für jedes Geschlecht im lateinischen ja mehrere Endungen und auch Deklinationen. "Tricholoma" ist zB nicht weiblich, sondern sächlich. Darum enden viele Epithete auf "-um" (Tricholoma saponaceum, Tricholoma tigrinum, Tricholoma vaccinum). Bei Hyphoderma ist das ähnlich, die ist ebenfalls sächlich, und darum die Epithete oft mit "-um" endend (Hyphoderma roseocremeum).
    Schwierig wirds dann, wenn ein Pilz aus einer "sächlichen" Gattung in eine tatsächlich "weibliche" wandert: So wird aus Hyphoderma pallidum zB Peniophorella pallida. Ungünstig nun, wenn eine Umkombination vorgenommen wird, aber das Geschlecht der neuen Gattung vom Autor nicht berücksichtigt. Auch das kann passieren. Oft gibt es dann solche Fälle wie eine "orthographic variant", wenn der fehler jemandem auffällt bzw. nicht übernommen wird. Manchmal setzen sich solche Fehler aber auch einfach fort.

    Ein Schreibfehler oder Grammatikfehler im Namen ist halt kein Grund, warum eine Beschreibung ungültig werden würde. Und somit zählt der in der Originaldiagnose notierte Name, auch wenn der eine oder andere Fehler aus sprachlicher Sicht drin stecken mag.


    LG, Pablo.

  • Hallo Pablo,

    kannst du mir auch noch verraten, weshalb ..loma sächlich ist. Ich habe in meinem Altgriechisch-Wörterbuch nachgeschlagen. Am ähnlichsten kommt das Wort lonos = Schale, Rinde und lonos ist Masculinum. Oder gibt es einen anderen Wortstamm? Deine Erklärung ist schon plausibel, das setzt sich so fort, z.B. auch bei Hypholoma sublateritum und Hypholoma marginatum.

    LG, Toni

    • Offizieller Beitrag

    Moin!

    Nach Ludwig (Pilzkompendium III) ist der Wortstamm:
    trix, trichos (gr.) "Haar" und loma "Saum, Rand"; Tricholoma also ungefähr zu übersetzen als "mit haarigem Rand".
    Trifft freilch nicht auf alle Arten der Gattung zu, aber das wäre ein anderes Problem, daß eine im Namen suggerierte Beschreibung nicht immer zum Verhalten einer Art passt.


    LG, Pablo.