Rot Gefleckter Schierling

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 6.156 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. Juni 2019 um 15:56) ist von ThomasL.

  • Hallo,

    endlich sind mir mal nahezu parallele Funde vom tödlich giftigen Gefleckten Schierling (Conium maculatum) und einem meiner Lieblingssalatkräuter dem Wiesen-Kerbel (Anthriscus sylvestris) gelungen.

    Allein wenn man sich nur die Bilder anschaut, finde ich es schon erschreckend, wie nahe Genuss oder Tod beieinander liegen können!

    Ok, Doldenblütler sind generell nicht einfach untereinander zu unterscheiden, aber gerade im Moment, wo der Kerbel noch, der Schierling gerade und andere (z.B. die ebenfalls sehr giftige Hundspetersilie) mittendrin in der Blüte sind, sollte man bei eventuellem Gebrauch zwingend mindestens zwei mal darauf schauen! Oder riechen!

    Der Gefleckte Schierling, landläufig auch als Tollkerbel, Giftpetersilie, Mäuseschierling, Tollkraut, Ziegendill, Teufelspeterling o.a. bezeichnet, ist den meisten sicherlich nur als starkes Tötungs-Gift, vor allem durch den einstmals sehr "beliebten" Schierlingsbecher, bekannt. Immerhin wurden nicht wenige gekrönte Häupter dadurch aus der Geschichte radiert, "störende" Denker wie z.B. der griechische Philosoph Sokrates beseitigt oder der "Beruf" des Vorkosters notwendig werden lassen.

    Bei entsprechender Dosierung galt im Altertum dieser Tod als eine der höchsten Formen der Qual, musste doch der Delinquent nach einer halben bis zu fünf Stunden bei vollem Bewusstsein die vollständige Lähmung seiner Brustkorbmuskulatur "miterleben"!

    Nur wenn jemandem ein solches Horrorszenario erspart, also schnell und schmerzlos getötet werden sollte, wurde dem Schierlingsbecher ein betäubender Extrakt aus Schlafmohn hinzugefügt.

    Auf Grund der hohen Toxizität (aller Pflanzenteile) wird mittlerweile der Schierling als so giftig eingestuft, daß sogar eine medizinische Anwendung, früher vereinzelte Nutzung, nicht mehr zu vertreten ist!

    Für mich, neben dem gefleckten Stiel, kann jedoch auch mal nicht vorhanden sein!!!, ist das Haupterkennungsmerkmal des Schierlings immer dessen prägnanter Geruch nach Mäuseurin. Zudem erreicht der Schierling in der Blütezeit locker Wuchshöhen von 2 Metern und mehr (der Wiesen-Kerbel eher ca. 1 Meter), der Schierling hat einen eher glatten, der Kerbel einen längs gefurchten Stängel.

    Übrigens sind die Wildbestände des Gefleckte Schierling, eine Zeigerpflanze für stickstoffhaltige Böden, durch den wachsenden Verlust geeigneter Standorte stark im Rückgang begriffen. Daher ist er vielerorts gesetzlich geschützt!

    Dieser berühmten, "geschichtsträchtigen", in seiner Erscheinung beeindruckenden und so unglaublich gefährlichen Pflanze plötzlich live gegenüber zu stehen, ist zumindest für mich immer ein sehr bewegender und auch ehrfürchtiger Augenblick!


    Und nun dazu im direkten Vergleich 3 Bilder des Wiesen-Kerbel!:


    Haltet also mal da draußen die Augen auf, vielleicht steht ihr ja plötzlich auch mal diesem legendären Schierling gegenüber!

    LG Thomas

  • Hallo Thomas,

    diese Art will ich auch schon länger mal bestimmen. Bisher habe ich meistens Kälberkröpfe gefunden. Letzte Woche aber am Main eine große Anzahl mutmaßlicher Schierlinge. Finalle Bestimmung steht noch aus.

    Wenn ich mir sicher bin würde ich die Bilder zur Überprüfung gerne hier einstellen, wenn es für dich in Ordnung geht.

    Gruß Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo Thomas,

    kann dich richtig gut verstehen, das ist, wie schon geschrieben, irgendwie doch ein legendäres Gewächs. Vom Aussehen her auch eher Unkraut, als die Geschichte der Menschheit nicht unerheblich beeinflusst habendes Kraut. Ich finde es deshalb auch immer sehr beeindruckend und irgendwie "seltsam", einer solchen "Waffe" gegenüber zu stehen!

    Zeig doch einfach mal deine Bilder, vielleicht können wir ja ein Häkchen dranmachen.

    LG Thomas

  • Hallo Thomas,

    was mich bei diesem Fund (wie auch bei allen bisherigen Verdächtigen) stört. Ich fand nicht das der nach Urin riecht, wobei ich auch nicht so genau weiß wie Mäuseurin riechen sollte.

    Was meinst Du?

    Viele Grüße

    Thomas

    PS: Leider habe ich nicht mehr gemacht, wollte die Stelle eigentlich nochmal mit meinem Bestimmungsbuch aufsuchen - hat leider (noch) nicht geklappt ;(

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo Thomas,

    wie schon oft gesagt: Doldenblütler sind schwierig, richtig schwierig!

    Daher ist es auch sehr gewagt, genau wie bei den Pilzen, auf Grund von Nicht-Detail-Bildern :wink: (obwohl ja hier erst recht kein Pilzler wissen kann, worauf es eigentlich ankommt), eine konkrete Aussage zu treffen.

    Ich versuche trotzdem mal auf Grund von kleinen Fotodetails und den von dir dazugeschriebenen Facts meine Bestimmung zu erklären.

    Ich glaube hier, trotz halbwegs "passender" Blüten - und Blätterstrukturen nicht unbedingt an den Gefleckten Schierling. Rote Stielflecken allein sind kein Bestimmungskriterium, mehrere Doldenblütler können das, mehr oder weniger ausgeprägt, zeigen.

    Gegen den Schierling spricht für mich erst einmal der Gesamteindruck. Zudem erscheinen mir die Blätter auf Bild 1 in der Vergrößerung als zu stark, untypisch, behaart. Ein weiteres Argument gegen den Schierling wäre der von dir nicht bemerkte, und damit wahrscheinlich fehlende, Geruch nach Mäuse-Pipi. Dieser Geruch ist eigentlich so markant, fast jedem ist in Kellern, Schuppen, Scheunen oder Ställen dieser schon untergekommen, und so aufdringlich, daß es selbst dem aufgefallen wäre, der noch nie etwas mit Mäuseurin zu schaffen hatte. Und so intensiv, wie du dich mit den einzelnen Pflanzenteilen, laut der Fotos, befasst hattest, hättest du an diesem penetranten Geruch zwangsläufig gar nicht vorbeikommen können.

    Das wohl größte Ausschlusskriterium ist jedoch die verdickte Knotenstelle auf Bild 3, die eigentlich völlig Schierlingsuntypisch ist.

    Vielmehr weist das eher deutlich auf die Gattung Kälberkröpfe hin.

    Wenn ich einen noch genaueren Vorschlag abgeben müsste, würde ich auf den Knolligen Kälberkropf (Chaerophyllum bulbosum) tippen. Um das zu bestätigen, müsstest du jedoch eine solche Pflanze mal ausbuddeln und dann auf eine möhren- oder pastinakenähnliche Wurzelknolle stossen.

    Wenn du da in den nächsten drei, vier Wochen nochmals vorbei kommst - einfach viel schnuppern. Kälberkröpfe riechen sehr angenehm, vor allem die Blätter. Ausserdem etwas genauer auf die Höhe der Pflanzen achten. Und, Detailfotos von den, dann bestimmt vorhandenen, Früchten würden dann die letzten Zweifel ausräumen.

    Von den Bildern her auf jeden Fall eine schöne Rätselaufgabe!:thumbup::thumbup::thumbup:

    LG Thomas

  • Hallo Thomas,

    erstmal volle Zustimmung zu „Doldenblüter“ bestimmen ist schwierig. Bisher kenne ich da 2 Arten so zuverlässig, dass ich sie verzehre und ohne Buch bestimme. Den Giersch und die Wilde Möhre. Beide gehören zu den leicht bestimmbaren Doldenblütern und sind für meine Hauptthema (essbare bzw. nutzbare) Pflanzen die wichtigsten Vertreter dieser Familie.

    Einige andere Arten (Wiesenkerbel, diverse Kälberkröpfarten,…) habe ich bestimmt, als ich mich noch intensive mit Pflanzenbestimmung beschäftigt habe (bevor ich vor einigen Jahren, schwerpunktmäßig zu Pilzen wechselte). Selbst für diese Arten würde ich aber (inzwischen) wieder ein Buch benötigen (lediglich die Einstufung in Kälberkropf würde ich für schon bestimmten Arten noch ohne hinbekommen – die waren alle auch mit rotfleckigem Stiel).

    Was mich bei den Funden nicht an Kälberkropf denken lies war der in der Gesamtheit vollkommen glatte Stiel (alle Kälberkropfarten die ich in der Vergangenheit bestimmt hatte waren behaart). Ich meine er war auch ganz unten kahl, aber dass würde ich sicherheitshalber nochmal abklären. Ich war mit meiner Frau auf Radtour, da habe ich mir nur (zu) kurz Zeit genommen. Letztlich muss ich mir einfach die Zeit nehmen um, wie ursprünglich auch geplant, nochmal dort vorbei zufahren und mit dem Bestimmungsbuch (bzw. büchern) in der Hand alle Merkmale abzugleichen. Falls ich es dieses Jahr schaffe, mache ich dabei noch mehr Bilder für ein vollständiges Porträt.

    Bzgl. Geruch, da mir der Mäuseuringeruch als Bestimmungskriterium noch im Kopf war (diese Art will ich schon sehr lange, näher kennen lernen) habe ich auch die Blätter (und dann den Stiel) zerrieben und daran gerochen – vorher roch ich gar nichts. Ich fand ihn eher „würzig, aromatisch“. Ich werde den nächsten Kälberkropf (von denen, bei denen ich mir der Gattung sicher bin) mal ebenfalls zerreiben ob der auch so richt.

    Bin gespannt was „es“ ist. Vermutlich stehen da auch verschiedene, ähnliche Arten rum. Ob da auch ein Schierling drunter ist, bin gespannt.

    Vielen Dank für dein ausführliches Feedback

    Viele Grüße

    Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo Thomas,

    egal wenn wir hier einen kleinen privaten und pilzfremden Dialog führen.:wink:

    Also, der Knollige Kälberkropf hat normalerweise sehr glatte Stiele. Mit Ausnahme der Stängelbasis ganz unten, da können einige, jedoch nicht alle!, auf einige Zentimeter schon sehr "behaart" sein. Es gibt übrigens auch, explizit, den Behaarten Kälberkropf.

    Bei deinem Fund wird sich auf Grund der verdickten Knotenstelle nichts anderes als Kälberkropf herausstellen. Es gibt in dieser Gattung allerdings mittlerweile einige mehrere Arten, die in Europa heimisch geworden sind. Auch, weil sie, wie du schriebst, ess- und nutzbar sind bzw. sogar landwirtschaftlich angebaut wurden/werden. Daher sind für mich in dieser Beziehung die wichtigsten Doldenblütler eindeutig der Wiesenkerbel und dieser Knollige Kälberkropf. Der eine als wunderbarer Salat und Gemüse und der andere durch seine Wurzelknolle vielfältig nutzbar, daher auch kultiviert. Daher nennt man ihn auch landschaftlich Kälber- oder Kerbelrübe oder auch Erdkastanie.

    Ich hätte dir gerne auch einmal den Gefleckten Schierling und den Knolligen Kälberkropf fotografisch gegenübergestellt, leider jedoch fallen hier ja gerade die Eurofighter der Bundeswehr vom Himmel...

    Tatsächlich ist eine dieser Maschinen ca. 5000 Meter Luftlinie von meiner Wohnung abgestürzt, habe gestern die Brände quasi aus nächster Nähe erlebt, und seit dem ist hier alles in der Umgebung gesperrt. Wälder, Wiesen, Felder... und ausgerechnet auch die Schierlingsflächen. Wenn man jedoch bedenkt, daß ein "voll besetzter" Kindergarten lediglich um einige hundert Meter an einer wirklichen Katastrophe vorbeigeschrammt ist, kann das alles nur nebensächlich sein!

    Ich hoffe aber, daß sich das hier in den nächsten Wochen wieder alles normalisiert und dann werde ich versuchen, Bilder nachzuliefern.

    LG Thomas

  • Hallo Thomas,

    das die üben müssen verstehe ich, dass es über bewohntem Gebiet geschieht aber nicht. Auf alle Fälle eine schlimme Sache.

    Ich bleibe weiter auf der Suche. Interessant finde ich deine Aussagen zur Verwendung des Kälberkropfs. Ich kannte die Arten bisher nur als „giftig“, war mir nicht klar, dass es darunter auch essbare Arten gibt.

    Beim Thema Notnahrung werden die normal auch nicht erwähnt, ich denke bis auf die von mir genannten Arten sind die Doldenblüter aufgrund des Verwechselungsrisikos einfach zu riskant (für diesen Zweck), so dass Nutzen / Risiko in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Was natürlich nicht bedeutet, dass man mit entsprechendem Spezialwissen und Erfahrung sie nicht sinnvoll verwenden könnte – so wie Du.

    Vielen Dank für diesen schönen Austausch. Gut möglich das ich demnächst auch mal die ein oder andere Pflanze hier einstelle (dann ordentlich dokumentiert)

    Viele Grüße und auf baldige Freigabe Deiner Jagdgründe

    Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.