Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 3.070 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (23. Oktober 2019 um 08:49) ist von Willi KaVonBe.

  • Hallo Experten,

    mich würde echt interressiern wie man den Flockenstieligen Hexenröhling aktuell mit wissenschaftlichen Namen betitelt. Im Netz finde ich eigentlich nur Neoboletus erythropus. Nun sagte man mir, dass ist ein veralteter Name. Richtig wäre Neoboletus praestigiator.

    LG
    Will
    i

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Willi!

    Die Taxonomie ist in dem Fall nach wie vor problematisch.

    Mit der Gattungszugehörigkeit hat das weniger zu tun: Neoboletus ist schon klar, das sind eben die Röhrlinge (in europa nur zwei Arten) mit ziemlich festem, gelbilchem, von der Stielbasis kaum rot verfärbendem Fleisch. Sehr selten Madenbefall, dauerhafte, auch alt noch feste Fruchtkörper, in allen Teilen stark und schnell blauend (Frischzustand!).

    Die meisten anderen "Hexenröhrlinge" sind Suillellus: Also mit viel weicherem Fleisch, oft von Maden durchwirkt, ziemlich konstant bei Fruchtkörperreife von der Stielbasis her weinrot verfärbend. Zudem können alle Suillellus - Arten einen rötlichen Röhrenboden entwickeln (müssen nicht - können aber), während der bei Neoboletus immer gelblich ist.

    Das wäre also das mit der Gattung, aber es wird sich niemand beschweren, wenn man das weiterhin einfach alles "Boletus" nennt.

    Das Epithet ist in dem Fall sehr viel komplizierter
    Das lässt sich leider auch nicht in ein paar Sätzen zusammenfassen. Darum nur in Kürze: Es gab von italienischen Mykologen erst kürzlich eine "Neotypisierung" von "Boletus erythropus". Ursache sind die Interpretationsschwierigkeiten des Namens "erythropus", der wohl in der Beschreibung von Persoon einen Hexenröhrling mit deutlich rotem Fleisch in der Stielbasis beschreibt. Die Friessche Interpretation lässt dann noch stärker auf einen Suillellus (mit blassem, im unteren Stielteil weinrotem Fleisch) schließen.

    Unklar ist nun, welchen Pilz Persoon tatsächlich beschrieben hat. Da scheiden sich nun die Geister. Es gibt eben durchaus auch "Flockis" mit zumindest in der Stielbasis rotem Fleisch, selten auch mal Fruchtkörper mit weit hinaufreichendem rotem Fleisch. Aber man kann die ursprüngliche Beschreibung im Friesschen Sinne eben auch als Glattstieligen Hexenröhrling (Suillellus queletii) interpretieren.
    Und eben das haben die italienischen Mykologen getan. Leider wurde dabei ein Neotypus aus Mittelitalien gewählt, nicht aus der Fundregion von Christian Hendrik Persoon (Dreiländereck Niederlande / Belgien / Deutschland). Der Neotypus ist nun halt Suillellus queletii (Glattsieliger Hexenröhrling) und "Boletus erythropus" wäre damit ein Synonym zum Glattstieligen.
    Dieser Darstellung folgen aber nicht alle Mykologen, erstens weil es bei Neotypisierungen eigentlich üblich ist, Kollektionen aus der region festzulegen, wo auch die für die Originalbeschreibung als Modell verwendeten Pilze gefunden wurden. zweitens weil es eben alles andere als eindeutig ist, daß Persoon tatsächlich einen Glattstieligen und nicht einen Flockenstieligen Hexenröhrling beschrieben hat. Drittens, weil das Epithet "erythropus" mittlerweile in den meisten Teilen Europas und bei vielen Pilzkundlern etabliert ist, da kann man dann idealerweise so einen namen auch konservieren, wenn man es mit dem Neotypus etwas geschickter anstellt.

    Wenn man der Neotypisierung folgt (was auch völlig in Ordnung ist), und "Boletus erythropus" als Synonym zu Suillellus queletii versteht, dann muss man für den Flocki auf einen anderen Namen ausweichen. In manchen Ländern etabliert wäre dann das epithet "luridiformis", das aber ebenfalls problematisch ist, weil das in der Originaldiagnose einen eher gelblichen Pilz zeigt (wäre also eher sowas wie das, was später auch noch als Neoboletus xanthopus beschrieben wurde).
    Also auch da gibt es Interpretationsschwierigkeiten, verstärkt noch durch die Durchmischung mit dem Epithet "discolor", was halt bei Neoboletus erst recht fehl am Platze ist, weil ursprünglich eine gelbe Form des Glattstieligen (Suillellus queletii) beschreibend (Stielhyphen amyloid!).

    Darum weichen manche Pilzkundler mittlerweile auf "Neoboletus praestigiator" aus, weil das ein Taxon basierend auf einer ziemlich schlüssigen Beschreibung ist.
    Das beschreibt also recht unbestreitbar den ganz normalen Flocki und man geht den taxonomischen Streitigkeiten einfach mal aus dem Weg.


    LG, Pablo.

    Das Internet ist "Hilfe zur Selbsthilfe" und kann nur Vorschläge zu Bestimmung von Pilzen bieten. Eine Verzehrfreigabe ist online nicht möglich, die gibt's beim >Pilzsachverständigen<.

  • Lieber Pablo,

    jetzt muss ich dir ein ganz großes Dankeschön aussprechen. Das man sich so viel Zeit nimmt und so ausführlich erklärt, ist bewundernswert.<3 Ich denke du bist viel mehr als ein Pilzfreund, eher ein Mykologe. :)

    Bleibt noch die Hoffnung, dass sich die Gelehrten einmal einig werden.

    Nochmal besten Dank für die ausführliche Antwort auf meine Frage.

    Viele Grüße

    Willi