Hallo, Toni!
Um sich der Frage zu nähern, muss man erstmal kurz feststellen, daß die Unterscheidung Schlauchpilz (Ascomycet) und Ständerpilz (Basidiomycet) nicht das geringste mit der äußeren Form der Fruchtkörper zu tun hat.
bei Schlauchpilzen werden die geschlechtlichen Sporen innerhalb der dafür vorgesehenen Zellen gebildet (diese Zellen nennt man Asci / Schläuche), bei Ständerpilzen werden die geschlechtlichen Sporen außen an den entsprechenden Zellen gebildet. Entwicklungsgeschichtlich ist das ein fundamentaler Unterschied, im Grunde sogar eine noch grundlegendere Unterscheidung als im Tierreich zwischen Wirbeltieren (Kanarienvogel, Krokodil, Mensch, Känguru, Goldfisch, Ginsterkatze) und Wirbellosen (Braune Wegschnecke, Marienkäfer, Waldameise, Kreuzspinne, Feuerqualle, Regenwurm).
Es gibt also Schlaupilze, die ganz klar und deutlich in Hut und Stiel gegliedert sind (Herbstlorchel, Speisemorchel, Sattellorchel) und Ständerpilze, die becherartig geformt sind (Rötlicher Gallerttrichter, Brauner Haarschüsselrasen, Gelber Schüsselschwindling, Flaumiges Hängeröhrchen).
Die Evolution ist also von ganz unteschiedlichen Voraussetzungen aus mehrmals den selben Weg gegangen, was die Form betrifft. Insofern kann das mit der Becherform ja nicht so verkehrt sein, solange es offensichtlich funktioniert.
Generell gibt es sehr unterschiedliche Arten der Sporenverbreitung bei Pilzen. Oft sind es Mischformen aus mehreren Optionen. So spielen Insekten und andere Tiere eigentlich fast immer eine Rolle für die Verbreitung. Ein Fliegenpilz lässt zwar seine Sporen fallen und mit dem Wind verbreiten, profitiert aber auch davon, wenn ein Wildschwein einen reifen Fruchtkörper umrennt, die Sporen sich im Fell verfangen, und am nächsten Baum wieder ausgeschubbert werden.
Das geht den Becherlingen auch so, aber die becherförmigen Ascomyceten haben noch einen weiteren Trick auf Lager: Die Schläuche können die Sporen (mit unterschiedlicher Kraft, je nach Art) regelrecht aktiv ausschleudern. Man kann das sehen, wenn man einen reifen Becherling im richtigen Moment im Gelände beobachtet: Da sieht man mitunter die Wolken von Sporenstaub mit blosem Auge aufsteigen, auch bei völliger Windstille und ohne daß an dem Fruchtkörper manipuliert wurde.
Es ist auch nicht wirklich so, daß in einem Wald mehr "Becherlinge" als "Pilze mit Hut und Stiel" wachsen. Das scheint nur so, weil ddie Becherchen meistens unauffälliger sind. In wirklichkeit sind sie aber ebenso häufig und omnipräsent. Man muss nur einen einigermaßen verwitterten, gut genug feuchten Holzast aufheben und angucken, da wird man eigentlich fast immer mindestens eine Mollisia, Orbilia, Hyaloscypha oder ähnliche Becherchen irgendwo dran finden. Meistens in etlichen Exemplaren. Nur: Die sind halt oft kaum größer als 1mm.
Was das Ansammeln von Detritus und Wasser in Bechern betrifft: Klar, Regen bzw. Wasser generell kann auch der Sporenverbreitung dienen. "Schmutz" müsste man nun genauer definieren, da verstehen Pilze nämlich was ganz anders drunter, als die meisten Menschen. In einem natürlichen, nicht von Menschen verdreckten Wald gibt es nämlich keinen Schmutz, weil alles teil der Kreisläufe des Systems ist und alles in ständiger Bewegung und Umwandlung. Die Pilzsporen und auskeimenden Pilzsporen suchen sich in diesem System ihren Platz, der kann auch wenige Zentimeter vom ursprünglichen Fruchtkörper liegen. Ist gar nicht so schlecht, weil da die Bedingungen ja auch passen.
Dabei findet natürlich nur ein Bruchteil der Sporen eines Fruchtkörpers eine Möglichkeit zum Auskeimen, und nur ein Bruchteil dieser Primärmycelien findet ein weiteres, geschlechtlich passendes Primärmycel der gleichen Art, mit dem es einen neuen, fertigen Organismus bilden kann. Die Pilze regeln das über die Sporenmasse (teils Millionen von Sporen aus nur einem einzigen Fruchtkörper). Der Trick der Pilze, egal aus welcher Klasse, Ordnung, Familie: Die Sporen sind mehr oder weniger omnipräsent.
Insekten fangen übrigens nicht so viele Pilze, ein bekanntes Beispiel sind Austernseitlinge, die sich Nematoden angeln und als kleines Zubrot verspeisen.
Schlauchpilze sind in der Tat entwicklungsgeschichtlich älter als Ständerpilze, allerdings gibt es mehr Schlauchpilz- als Ständerpilzarten (Zahlen können aber nur geschätzt werden, weil die meisten Arten weltweit ohnehin noch nicht beschrieben sind), aber beide Klassen existieren sehr erfolgreich nebeneinander her.
LG, Pablo.