Beiträge von Collybiopsis

    Liebe Diskutanten,

    zu den hier aufgeworfenen Fragen rund um die Haftung eines PSV möchte ich meine - unmaßgebliche - Einschätzung beisteuern. Dabei gehe ich jetzt mal selbstverständlich davon aus, dass der PSV nicht vorsätzlich schädigt, volljährig und nicht geisteskrank ist (vgl. §§ 827, 828 BGB).

    1. Macht es einen Unterschied, ob der PSV für seine Auskunft ein Entgelt nimmt oder nicht?

    In vielen Fällen, ja.

    huehnchen69 hat schon § 823 BGB angeführt. Hier nochmal der relevante Abs. 1: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet." Für den PSV sind hier die Rechtsgüter Leben, Körper und Gesundheit primär relevant.

    Diese Vorschrift gilt immer und für jeden, egal ob man sich kennt oder nicht, egal ob man einen Vertrag hat oder nicht, egal ob...

    Sie besagt schlicht:

    Wenn Du

    (1) durch ein Tun oder ein pflichtwidriges Unterlassen kausal und zurechenbar Leben, den Körper, die Gesundheit... eines anderen Menschen schädigst (Tatbestand),

    (2) du keinen Rechtfertigungsgrund dafür hast (Rechtswidrigkeit) und

    (3) dabei zumindest die die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, also im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB fahrlässig handelst (Vertreten müssen),

    MUSST du den unter (1) genannten Schaden ersetzen (Rechtsfolge).

    Wenn jemand einen Schadensersatzanspruch gegen Dich auf § 823 Abs. 1 BGB stützen will, muss er das Vorliegen der Voraussetzungen (1) bis (3) vor Gericht darlegen und - wenn Du es wirksam bestreitest - beweisen.

    Wenn der PSV einen "Pilzberatungsvertrag" mit dem Pilzsammler abschließt, z.B. weil er die Pilzberatung nur gegen Geld anbietet, springt dem Pilzsammler zusätzlich § 280 Abs. 1 BGB zur Seite: "Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat."

    Diese Vorschrift besagt:

    Wenn

    (1) zwischen Euch ein Schuldverhältnis, z.B. ein Pilzberatungsvertrag (mündlich, schriftlich, durch schüssiges Handeln geschlossen), besteht,

    (2) Du eine Pflicht aus dem Vertrag verletzt hast (Pflichtverletzung)

    (3) die Pflichtverletzung kausal für einen Schaden des Anderen war (Schaden und Kausalität) und

    (4) dabei zumindest die die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, also im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB fahrlässig handelst (Vertreten müssen),

    MUSST du den Schaden unter (3) ersetzen (Rechtsfolge).

    Und jetzt der springende Punkt: Wenn jemand einen Schadensersatzanspruch auf § 280 Abs. 1 BGB stützen will, muss er das Vorliegen von (4), was (3) im ersten Fall entspricht, nicht beweisen, sondern derjenige, der die Pflichtverletzung begangen hat, muss beweisen, dass er nicht fahrlässig gehandelt hat.

    Und jetzt die Preisfrage: Was ist für denjenigen, der den PSV auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will, einfacher? Sich auf das "Jedermannsrecht" § 823 Abs.1 BGB zu berufen und ggf. das Verschulden des PSV nachzuweisen oder sich auf das "Spezialrecht für Leute, zwischen denen ein Vertrag besteht" § 280 Abs. 1 BGB zu berufen, wo der PSV die Beweislast für sein nicht fahrlässiges Verhalten trägt? Natürlich letzteres, zumal er in diesem Fall auch mehr Schadenspositionen geltend machen kann (das wird dann hier zu kompliziert).

    Nur zur Vollständigkeit: Wenn Pilzberatung gegen Geld oder im Rahmen bezahlter Veranstaltungen angeboten wird, erscheint es mir sehr schwierig dadegen zu argumentieren, dass keine vertragliche Bindung besteht. Ein PSV der seine Kenntnisse aus bloßer Philanthropie der Allgemeinheit bereitstellt, wird besser argumentieren können, dass er keine Pilzberatungsverträge abschließt, sondern aus bloßer Gefälligkeit handelt (vgl. auch § 675 Abs. 2 BGB).

    2. Macht es einen Unterschied, ob man PSV ist oder nicht?

    Dies wird beim Punkt der Fahrlässigkeit [(3) im ersten Fall, (4) im zweiten Fall] interessant. Es kommt nämlich darauf an, was ein "Durchschnittsmensch" im Alltag objektiv von jemandem erwarten darf, der sich als PSV ausgibt und dies ggf. auch noch mit dem Verweis auf eine vor einem Verband (DGfM, BMG, ThAM, BUND...) abgelegte Prüfung unterstreicht. Und das ist sicherlich mehr als von einer Nachbarin oder irgendeinem anderen Laien. Das heißt natürlich nicht, dass die Nachbarin, die im Korb diverse ihr unbekannte Pilze sieht, ins Blaue sagen darf: "Kannst Du essen." Denn das ist auch unter Laien völlig sorgfaltswidrig und sie haftet ggf. nach § 823 Abs. 1 BGB.

    Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob es irgendeine eine gesetzliche Anerkennung der Qualifikation als PSV gibt. Entscheidend ist nur, was ein verständiger "Durchschnittsmensch" im Alltag erwarten darf, wenn sich jemand ihm gegenüber als Pilzsachverständiger, Pilzberater, Pilzexperte, Pilzguru etc. geriert. Und diese sog. Verkehrsauffassung wird wohl auch dadurch geprägt, dass die o.g. Verbände mit ihrem PSV-Wesen entsprechende Öffentlichkeitsarbeit betreiben oder dass es vielleicht allgemein bekannt ist, dass es so etwas wie Pilzberatungsstellen gibt.

    Und dementsprechend ist für den Sorgfaltsmaßstab auch zu prüfen, was der "Durchschnittsmensch" objektiv von einem Dr. rer. nat. der Biologie oder von einem Waldführer, der das Thema "Pilze" bei seinen Führungen bearbeitet, erwarten darf. Das wird jedenfalls auch mehr sein, als man von seiner Nachbarin erwarten darf.

    3. Bringt es etwas, sich vorher einen Haftungsausschluss unterscheiben zu lassen?

    Zumindest, wenn da drin steht "Der PSV haftet nicht für Schäden, die durch eine fehlerhafte Identifikation der vorgelegten Pilze entstehen" oder Ähnliches, war es bloß schade um das Papier. Denn ein solcher routinemäßig vom PSV vorgelegter Disclaimer ist eine AGB. Und solche sind stets unwirksam, wenn sie die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruhen, oder die Haftung wegen grober Fahrlässigkeit beschränken oder ausschließen (§ 309 Nr. 7 BGB). Beides tut der o.g. Disclaimer.

    Grüße

    Jan

    P.S. Diese Ausführungen sind nur ein rechtswissenschaftlicher Diskussionbeitrag und keine Rechtsberatung für irgendwen.

    Liebe Pilzfreunde,

    gerne stelle ich mich im Forum vor. Mein Name ist Jan und ich wohne in Franken. Für dieses Jahr habe ich mir die PSV-Prüfung (DGfM) vorgenommen und möchte mich - wenn ich mich fachlich berufen fühle - in das Forum einbringen.

    Beste Grüße

    Jan