Hallo, Pilzfreunde,
im eigenen Garten gibt ein Champignon seit einigen Jahren Rätsel auf. Gestern ist die ersehnte Sulfanilsäure als Surrogat für Anilin beim Schäffer-Test eingetroffen. Damit konnten wir uns nun für den anfänglichen Verdacht Karbolchampignon-Gruppe entscheiden. Warum diese Unsicherheit ? Vom Karbol-, Tinten- oder Phenolgeruch keine Spur, selbst beim Kochen nicht. Der Geruch nicht super-angenehm, aber schwach pilzig. Keinerlei Anisgeruch.
Stielbasis ausgewachsener Pilz beim Anschneiden intensiv gelb, Huthaut beim jungen Pilz nach Anreiben gelb. Aussehen ansonsten wie Wiesen-/Gartenchampignon. Lamellen anfangs helles grau-rosa, später dunkler werdend, am Ende tief dunkles schokoladenbraun. Allerdings wird die Huthaut im Alter feldrig-rissig.
KOH positiv, Schäffer-Surrogat (Sulfanilsäure in zwei Variationen) negativ.
Sporenpulver tief dunkelbraun, Sporenform sehr ähnlich Wiesenchampignon. Sporengröße 3,9 x 5,6 µm, längsoval mit Öltröpfchen, kleiner Apikulus.
Für einen reinen Karbolchampignon (Agaricus xanthoderma) können wir uns wegen des total fehlenden Geruchs noch nicht ganz sicher entscheiden, die anderen neueren Agaricus-Arten passen nicht auf diesen Pilz. Im Netz haben wir die schöne Formulierung "zum Formenkreis Karbolegerlinge gehörig" gefunden. Es gibt ja eigentlich kaum eine Beschreibung des Karbolegerlings, in der nicht auf den Geruch hingewiesen wird, bis hin zur Formulierung "widerliche Düfte entsteigen dem Kochtopf". Für unsere Exemplare kann man sich nur an den Merkmalen Anisgeruch/Gelbfärbung orientieren, da sich ja nicht jeder Alltags-Pilzfreund mit Mikroskopieren und chemischen Tests herumschlagen will.
Wir freuen uns auf weitere Hinweise und Diskussionen.
Viele Grüße
Daguli vom nördlichen Berliner Stadtrand (Fundort)
Jetzt gibt's die versprochenen Bilder:
juvenil und ausgewachsen am Standort
unberieben und berieben mit Gelbfärbung
Schnittflächen mit starker und schwacher Gelbfärbung