Hallo zusammen,
wer plant sich ein Mikroskop anzuschaffen, sollte nicht nur ein Interesse an Pilzen, sondern ein Interesse an der Methodik der Pilzbestimmung haben.
Viele Anfänger, von denen man hier liest, denken, Pilzbestimmung geht so, dass man einen Pilz fotografiert, dann das Foto einstellt mit dem Satz: "Könnt ihr mir bitte bei der Bestimmung helfen, ich finde diesen Pilz einfach nicht in meinem Buch, will aber doch wissen, was es ist usf." und wartet, dass ein Auskenner mit dem Artnamen herauskommt. Dann, so die Denke weiter, geht man wieder in den Wald, sieht den Pilz irgendwann mal wieder und weiß den Artnamen. So geht Pilzbestimmung aber nicht, und vor allem kann man so die Pilze nicht wirklich kennen lernen, auch wenn das vielfach von den Anfragern behauptet wird. Man wird im Wald vor dem Pilz stehen und den Artnamen nicht wissen, weil der Pilz ein bisschen anders aussieht als beim ersten Mal, also z. B. älter oder jünger ist. Natürlich braucht man auf diesem Pilzkundelevel kein Mikroskop.
Zunächst muss man sich erarbeiten, wie Pilzbestimmung wirklich geht und das dann auch jahrelang anwenden. Wie Pilzbestimmung geht, lernt man in kommerziellen Seminaren der Pilzschulen, auf Tagungen, durch Vorträge, in Arbeitskreisen, Pilzvereinen usw. Danach treibt man Bestimmungsarbeit mit der zur Verfügung stehenden Pilzliteratur und erfährt, was durch Pilzbestimmung leistbar ist und was nicht. Ich finde es immer recht tragikomisch, wenn Anfrager sich für ihre Anfragen zielsicher die allerschwierigsten Pilze aus den allerschwierigsten Gattungen aussuchen, deren Bestimmung für einen Experten stunden- oder tagelange Arbeit mit und am Pilz bedeutet, und dann hoffen, dass sie über das Forum geschwind einen Artnamen kriegen - den sie spätestens nach vier Wochen wieder vergessen haben.
Hat man auf diese Weise jahrelang Bestimmungsarbeit mit Pilzbüchern betrieben und hat die Methodik grundsätzlich drauf, erkennt man, dass man bei vielen Pilzen allein mit Makroskopie und Literatur nicht zu belastbaren Bestimmungsergebnissen kommt. Zunächst nimmt man das hin. irgendwann fängt es dann doch mal an, einem zu stinken. Genau das ist der Zeitpunkt, an dem es sich lohnen kann, sich ein Mikroskop mitsamt des Zubehörs und der entsprechenden kostspieligen Literatur (z. B. PdS, FN, FNE, Ludwig...) anzuschaffen. Dadurch eröffnen sich bei der Pilzbestimmung plötzlich neue Wege und Möglichkeiten - wie gesagt für den, der Pilzbestimmung schon kann, der weiß, wie die Anatomie eines Pilzes aussieht, der Cheilozystiden von Pleurozystiden oder kongophil von cyanophil begrifflich unterscheiden kann usw.
FG
StephanW