Ein Fälbling

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 346 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (30. Oktober 2023 um 19:00) ist von StephanW.

  • Hallo zusammen!

    In Nachbars Blumentopf vorm Haus wimmelt es von Pilzen!

    Da musste ich mir ein Büschelchen schnappen und versuchen zu bestimmen.

    Ich lande bei Hebeloma sacchariolens, dem Süßriechenden Fälbling.

    Könnte das hinkommen?

    Einmal durchgeschnitten verströmt er einen betörend süßen Duft.

    Das Sporenpulver ist braun; die Sporen selbst sind mandelförmig, wirken schwach warzig ornamentiert (eingefärbt habe ich nicht).

    Die Sporen habe eine Größe von etwa 10,0-12,0 x 5,5-7,3 µm.

    Keulenförmige Cheilozystiden konnte ich auch finden.

    Scheint alles zu passen - was meint ihr?

    Bilder:

    Bild 1 Topfgucker

    Bild 2 Hüte Cremeweiß, aufplatzend

    Bild 3 Lamellen angewachsen, mit ganz kleinem Zähnchen herablaufend (kaum zu sehen)

    Bild 4 Pilzbüschel mit Substrat (Erde)

    Bild 5 Hut mit leichten Rissen

    Bild 6 Lamellen, Stiel mit Missbildung, ohne Ringzone

    Bild 7 Sporenabwurf (links) des Pilzes ist braun

    Bild 8 Mandelförmige Sporen mit warzigem Ornament; 10,0-12,0 x 5,8-7,3 µm gemessen

    Bild 9 Keulenförmige Cheilozystiden (in Luftblase)

  • Hallo KaMaMa,

    Fälblingssporen sind das ohne Frage. Leider habe ich selber keine Fälblingsmonografie als Literaturreferenz, du vielleicht?

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • KaMaMa 30. Oktober 2023 um 12:11

    Hat den Titel des Themas von „Süßriechender Fälbling (Hebeloma sacchariolens)?“ zu „Ein Fälbling“ geändert.
  • Hallo Stephan,

    vielen Dank für deine Antwort.

    Mit Fälbling liege ich also zumindest richtig.

    Eine Monographie zur Gattung Hebeloma besitze ich nicht, nur gängige kleinere Bücher, in denen die vielleicht häufigsten (?) Fälblinge aufgeführt werden.

    Zum Ergebnis Süßriechender Fälbling komme ich über das Kosmos-Handbuch "Pilze" mit Quercheck über das Buch "Fungi of Temperate Europe".

    Deiner Antwort entnehme ich, dass es gar nicht einfach ist mit den Fälblingen, und deshalb habe ich weiter nachgebohrt.

    Bei weiterer Recherche finde ich, dass sie sich mikroskopisch wenig unterscheiden und auch die Artgrenzen in Diskussion sind.

    Der Geruch spielt wohl eine bedeutende Rolle in der Bestimmung, leider habe ich genau hier Probleme...

    Also habe ich heute früh nochmals frische Fruchtkörper geerntet, auch einen möglichst jungen, kleinen, um nochmals genauer zu prüfen - es sind ja genug davon da!

    In Frage stehen Geruch, Cortinareste an Stiel und Hut, Cheliozystiden in Form und Größe, Ornament und Dextrinoität der Sporen.

    Bild 10a Pilzgruppen im Blumentopf unter Edelkastanie

    Bild 10b Pilzbüschel mit jungem Exemplar - alle FK ohne Cortina

    Ich rieche eine süßliche Note, aber sehr süß würde ich heute nicht mehr behaupten wollen - heute drängt sich ein erdiger Geruch stärker auf, was am Substrat liegen könnte.

    Die Lamellen sind jung weißlich; ein älteres Exemplar hat dunkle Tröpfchen anhaften (Bild 10).

    Die Sporen sind schwach dextrinoid (Bild 11 unten) - das passt nicht zu H. sacchariolens, der stark dextrinoide Sporen hätte!

    Die Cheilozystiden sind typisch 90-110 µm lang (Bild 12), sind etwas wellig gebogen ohne sich wieder zu weiten und haben Durchmeser um 7 µm an der keuligen Spitze, verhüngen sich sehr deutlich nach unten (Q um 1,8).

    Ich zähle 60-64 Lamellen mit Stielansatz an zwei Hüten aus.

    Die Stiele und Hüte sind ohne jede Cortinareste, auch bei jungen Exemplaren.

    Die Stiele sind über die gesamte Länge weiß bereift und bräunen bei Druck.

    Bild 10 Lamellen mit Tröpfchen

    Bild 11 Schwach dextrinoide Sporen auf gequetschter Lamelle (in Melzers gefärbt, mit Wasser gespült) - vgl. Bild 8 nach Sporenabwurf in Wasser

    Bild 12: 90 µm lange Cheilozystide mit Basalschnalle (in Melzers gefärbt)

    Der Pilz ist mit meinem Mitteln wahrscheinlich nicht einzugrenzen, zumal ich schon beim Geruch Zweifen habe.

    Die Hoffnung, dass z.b. der büschelige Wuchs in Blumenerde weiterhelfe, hat mich getrügt.

    Der Beker'sche Schlüssel (von 2016) zu den Hebeloma-Sektionen in Groß-Brittanien führt mich jedoch, wenn ich keinen sehr süßen Geruch wähle, zur Sektion Denudata, der größten Hebeloma-Gruppe, zumindest in GB.

    Ausschlaggebend sind hier die Eigenschaften: Lamellen ohne rosa Färbung, Spp ohne Rotton; kein sehr süßer Geruch; nicht an Brandplätzen; ohne Cortina; nicht wurzelnd, ohne Ring, etc.etc.; Sporen nicht stark dextrinoid

    Von dort geht im Schlüssel es weiter zur Gruppe Crustuniliniformia (wegen nicht stark ornamentierter Sporen).

    Bei Crustuliniformia werden 8 Arten genannt, u.a. H. crustuliniforme, aber nicht weiter unterschieden.

    H. crustuliniforme sensu latu wird in Fungi of Temperate Europe charakterisiert mit folgenden Eigenschaften, von denen die allermeisten auf den Fund zu passen scheinen.:

    + klebriger Hut

    + bleiche, helle Farbe

    - starker rettichartiger Geruch - mit etwas guten Willen kann ich jetzt Radieschen riechen, da ich sie riechen soll - aber das ist wohl nicht Sinn der Übung.

    (+ Auf der 123-Pilzseite wird allerdings auch gelegentlich fruchtartiger Geruch erwähnt (Melone/Birne), dann würde es wieder passen.)

    + "nackt" - d.h. wohl ohne Cortina

    + häufig Tropfen an der Lamellenkante

    + Stiel flockig bereift über gesamte Länge

    + Stiel nicht wurzelnd

    + Cheilozystiden lang und wellig (>90µm gemessen)

    + Cheilozystiden an Spitze um 7 µm

    + Sporen mandelfö., schwach dextrinoid

    + Sporengröße 9,6-13,5 x 5,5-7,2

    + Vorkommen bei Laub- und Nadelgehölzen

    + an gestörten Stellen, offne Habitate an Straßen (Blumentöpfe würde ich hier sehen)

    + über 60 Lamellen

    Bei H. crustuliniforme handelt es sich natürlich um Arten-Aggregat.

    Mittlerweile sind mehr Merkmale abgeprüft, aber wirklich klar ist das Bild noch immer nicht.

    Ich lasse es gut sein, im Wissen, ich ein Hebeloma gefunden und als solche erkannt zu haben.

    Vielleicht handelt es sich um eine H. crustuliniforme im weiteren Sinne.

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    es ist toll, wieviel an weiteren Informationen du zu deinem Fund lieferst, besser kann man das wohl nicht dokumentieren. Leider wird dadurch das Problem der fehlenden Literaturreferenz nicht gelöst. Aus der Reihe "Fungi of Northern Europe" gibt es meines Wissens eine gute Fälblings-Monografie, diese könnte vielleicht über myko-service.de, eine der besten Adressen für Pilzliteratur bestellbar sein. Ohne diese oder zumindest ohne die "Funga Nordica" ist bei Fälblingen nicht viel zu machen. In den gängigen Kompilationen sind einfach zu wenige Arten drin, auch sind die Artkonzepte dort zweifelhaft.

    Natürlich steht die Frage im Raum, ob man wirklich Geld in eine Fälblings-Monografie investieren will. Fälblinge bestimmt man nicht "einfach so". Am Anfang steht die persönliche Entscheidung, sich in die Gattung wirklich reinarbeiten und dort Land sehen zu wollen. Ich selber kenne jedenfalls keinen echten Fälblings-Auskenner, schon gar nicht einen, der in einem Pilzforum aktiv wäre, und ich kenne viele Leute.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Hallo Stefan,

    so tief weil ich jetzt nicht in die Fälbling einsteigen, um alle 500, oder wie viele das auch sein mögen, bestimmen zu können.

    Ich denke, man käme auch noch weiter ohne die von dir genannten Fachbücher, wenn man sich auf Paper stützt, von denen viele kostenlos veröffentlicht werden.

    Der Vorteil eines Buches ist natürlich, dass sich jemand anderes, und zwar jemand vom Fach, die Mühe gemacht hat, alles zusammenzusuchen und zu kompilieren.

    Es reizt halt, zu schauen, wie weit man kommt und zudem lernt man mit jedem Pilz dazu.

    Mit dem Zuordnung zum H. crustuliniforme- Aggregat kann ich gut leben.

    LG, Martin

  • Mit dem Zuordnung zum H. crustuliniforme- Aggregat kann ich gut leben.

    Was aber strenggenommen nur möglich ist, wenn du eindeutig Rettichgeruch festgestellt hast. Bei Kakaogeruch oder Gebrannter-Zucker-Geruch wäre die Zuordnung unzutreffend. Zumindest so viel glaube ich über Fälblinge zu wissen.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.