Hallo Kay,
auch wenn du deine Fragen schön säuberlich nach Themen getrennt hast, fällt es mir schwer, darauf genauso sauber getrennte Antworten zu geben.
Die Einteilung von Pilzen in die Kategorien "giftig", "ungiftig", "ungenießbar" ist, wie dir schon aufgefallen ist, wird nicht in allen Fällen einheitlich vorgenommen.
Bei der DGfM gibt es hier eine Zusammenstellung von einigen als uneinheitlich beurteilten Pilzen, und diese sind mit Bemerkungen versehen, welcher Aspekt uneinheitlich beurteilt wird.
Ich kenne es in den meisten Büchern so, dass der Speisewert generell vom gegarten Pilz ausgeht, aber häufig noch mal dabeisteht, wenn der Pilz roh besonders giftig ist.
Pilze, die als giftig bewertet werden, sind idR nicht solche, die bei der einen oder anderen Person unverträglich sind, sondern welche, bei denen nach dem Verzehr regelmäßig Vergiftungssymptome auftreten.
Die Beurteilung ändert sich immer mal wieder, und zwar nicht nur in die Richtung zu "mehr Pilze sind giftig", sondern gelegentlich auch mal anders rum. Beispielsweise sagten sämtliche Bücher, als ich anfing, mich mit Pilzen zu beschäftigen, dass die Netzhexe zusammen mit Alkohol giftig sei. Inzwischen ist das zu einer persönlichen Unverträglichkeit runtergestuft, ich vertrage die problemlos zusammen mit Alkohol.
Bei anderen Pilzen wurde in jüngerer Vergangenheit neu erkannt, dass sie Giftwirkung haben (können), beispielsweise beim Grünling. Der wurde tatsächlich schon lange gegessen, auch ich habe den in den 90er Jahren, als ich in Berlin wohnte, gegessen, aber inzwischen weiß man, dass Menschen unter bestimmten Umständen daran sterben können. Diese Umstände treten wohl nicht so sehr oft auf, so dass das bisher nicht auffiel, aber wenn doch ist halt blöd.
Ähnlich ist es beim Kahlen Krempling. Ich kann mir vorstellen, dass es bestimmt irgendwo Menschen gibt, die den schon immer gegessen haben und auch weiterhin essen. Aber eine Aussage darüber, wer anfällig dafür ist, die Antikörperreaktion zu entwickeln, ist nur sehr bedingt möglich.
Man kann durchaus durch Pilze dauerhafte Beeinträchtigungen davontragen.
Ich war zwar baff, dass es heißt, wenn man eine Knollenblätterpilzvergiftung überlebt, regeneriert sich die Leber in der Regel vollständig. Aber das gilt wohl nur bedingt - mir erzählte kürzlich eine Freundin, dass sie von einer Person weiß, die als Kind eine Knollivergiftung hatte, und deren Leber nicht wieder vollständig in Ordnung ist.
Aber eine kaputte Niere kommt mW nicht von selber wieder in Ordnung. Ich vermute, da ist dann (ggf. lebenslange) Dialyse oder Spenderniere angesagt.
Mich reizt es ehrlichgesagt nullkommagarnicht, Pilze zu essen, die als giftig einsortiert sind, auch nicht, wenn sie "nur" Magen-Darm-giftig sind. Es gibt doch mehr essbare Pilze, als ich jemals aufbrauchen könnte - wieso sollte ich dann noch nicht-essbare essen?
Dass der gesamte Pilz als giftig beurteilt wird, hat mE einen einfachen Hintergrund, nämlich dass es normalerweise nicht möglich ist, Pilz und Giftstoff zu trennen. Eine Ausnahme mag die Frühjahrslorchel und ähnliche sein, bei denen mW das Gyromitrin nicht nur hitzelabil sondern auch wasserlöslich ist, und durch das Abkochen tatsächlich zu einem großen Teil aus dem Pilz entfernt wird. Bei einigen (auch guten Speisepilzen wie dem Flocki beispielsweise) wird das Gift durch Hitzeeinwirkung zerstört/umgewandelt, verbleibt aber im Pilz. Was genau beim Silieren passiert, weiß ich nicht. Aber wieso man Haarspalterei betreiben sollte und sagen sollte: Eigentlich ist ja nicht der ganze Pilz giftig, sondern nur das Gift XY - wenn doch beide idR untrennbar miteinander verbunden sind - das erschließt sich mir gar nicht.
Aber letztendlich sind die Einsortierungen alle ja nur als Hilfestellung gedacht. Jede*r kann ja nach Belieben Informationen zu einzelnen Arten selbst zusammentragen, sei es zu enthaltenem Giftstoff (soweit bekannt), zur Dosis, zu möglichen Reaktionen, Wirkungen auf den Körper, usw., und sich dann ein eigenes Bild davon machen, was man für plausibel hält, und was nicht. Wenn mir daran gelegen wäre, Erdritterlinge zu essen, würde mich beispielsweise der darin gefundene Giftstoff nicht schrecken, selbst bei meinem Pilzkonsum erreiche ich solche Dosen nicht. Bei Grünlingen stellt sich die Frage nicht, die gibt es bei mir in der Gegend nicht.
Und auch wenn ein generelles (befolgtes) Verbot des Verzehrs giftiger Pilze mir Einiges an Arbeit ersparen würde - jede*r entscheidet selbst, welche Pilze er/sie isst. Es gibt regelmäßig sogar Personen, die einfach in den Wald laufen, irgendwas Unbekanntes rausschleppen, in die Pfanne hauen und aufessen.
Beste Grüße
Sabine