Ich denke, dass es vertretbar war, hier Antibiotika zu geben, allerdings entspricht es nicht den Empfehlungen des RKI, da das Erythema Migrans ("kleine rote Stelle") allenfalls untypisch war und durchaus eine normale Hautreaktion hätte sein können und insofern keine gesicherten Krankheitszeichen vorlagen. Wie gesagt, ist es fast immer eine Verdachtsdiagnose. Ich würde mit meinem begrenzten Wissensstand in eurem Fall dazu tendieren, dass eine Therapie eher nicht angezeigt war, aber der Arzt hat sich sicher hierzu gute Gedanken gemacht.
Was ich nicht verstehen kann ist eine Therapiedauer von 3 Wochen, da es keine Hinweise auf eine disseminierte Borreliose (Stadium 2, Bakterienstreuung) gab. Auch wenn man die kleine Rötung als Erythema Migrans einstuft, wäre es eindeutig noch eine lokale Borreliose (Stadium 1) und daher nur 14-tägig zu behandeln.
In eurem Fall scheint alles gut gegangen zu sein, aber die Risiken einer unnötigen Antibiotikatherapie sollten wirklich nicht unterschätzt werden (anaphylaktischer Schock, Pseudotumor Cerebri, Morbus Crohn Risiko, IBS Risiko und viele mehr).
Huhu.
Ich persönlich wäre beim Verdacht auf eine Lyme-Borreliose auch eher liberal mit der Antibiotikatherapie in Anbetracht der Problematik der Chronifizierung und der Schwierigkeit, eine einmal etablierte Borreliose später noch erfolgreich zu behandeln.
Zur idiopathischen (=unklare Herkunft) intrakraniellen Hypertension und dem Morbus Crohn gibt es soweit ich weiß keine solide Datenlage, auf der dieser Verdacht fußt. Einen anaphylaktischen Schock würde ich auch dann nicht mehr erwarten, wenn du das Medikament bereits zwei Wochen lang nimmst. In der Regel erwarte ich den beim Zweitkontakt mit dem Allergen.
Insgesamt gilt bei Antibiotika Hit hard & early (und ausreichend lange). Das heißt, wenn die Indikation für eine Antibiose gestellt wird, sollte man dann auch nicht mehr länger zuwarten und die Dosierung hoch genug wählen.
Ich habe bei Patienten in Deutschland neben der Kortisonangst oft auch "Antibiotikaangst" gesehen, die dazu geführt hat, dass Leute ihre Antibiose nicht einnehmen, sie zu früh absetzen, die Dosis reduzieren etc.
Die Hauptnebenwirkung sind Bauchschmerzen und Durchfall, das tritt wirklich relativ häufig auf. Bei Doxycyclin hatte ich selber auch schon ziemliche Magenbeschwerden bekommen.
Die Faktensammlung des Threadbeginns ist schön zusammengetragen. Ich kann nur nochmal unterstreichen, dass ein fehlendes Erythema migrans kein Ausschluss einer Borreliose ist, das denken viele Menschen noch immer.
Die zentrale Aufhellung, die das klinische Bild so charakteristisch macht, kann durchaus fehlen. Eine großflächige, sich ausbreitende Rötung kann jedoch auch als Anzeichen einer bakteriellen Weichteilinfektion eine antibiotische Behandlung sinnvoll machen, ob es dann nun Borrelien sind oder nicht.
Nicht verlassen sollte man sich auf windige Antikörperbestimmungen aus Blutentnahmen. Diese haben keinen positiven oder negativen Vorhersagewert. Will heißen, sind sie nicht da, schließt es keine Borreliose aus. SInd sie da, heißt es nicht, dass man eine Borreliose hat. Kann man sich eigentlich sparen, auch wenn viele Hausärzte solche Tests machen und zur DIagnosestellung heranziehen.
dass bis zu 1 von 1000 Behandelten nach Doxycyclin permanent ihren Geruchs- und Geschmackssinn verlieren
Das ist eine seltene unerwünschte Wirkung, die selterner als1:1000 aber häufiger als 1:10.000 auftreten kann. Davon war nur ein Teil irreversibel. Es ist also nicht so, dass jeder tausendste Patient danach nicht mehr richtig schmecken kann.
Übrigens kann man auch mit einem anderen Wirkstoff behandeln, wenn man gegen Doxycyclin Vorbehalte hat (z.B. Amoxicillin). Der Vorteil von Doxycyclin ist aber seine intrazelluläre Wirkung (falls sich die Borrelien innerhalb von Zellen verstecken).
Doxycyclin ist absolutes Mittel der Wahl, sehe ich genauso.
Der EInwurf zur Angabe von Nebenwirkungen ist auch sehr sinnvoll.
Ohnehin wird die Angabe von Nebenwirkungen recht oft missverstanden. Diese Angabe bezieht nicht einen zwingenden Zusammenhang ein. Es geht um reine Koinzidenz.
Sagen wir, jemand nimmt ein Schmerzmittel weil er chronisch wiederkehrende Kopfschmerzen hat und er wurde für die Testgruppe rekrutiert. Er nimmt nun das Medikament. Seine Kopfschmerzen sind zwar besser, aber er hat anschließend immer noch Kopfschmerzen.
Als mögliche Nebenwirkung des Medikaments werden nun Kopfschmerzen erfasst.
Es muss alles erfasst werden. Nun ist die statistische Gefahr vorhanden, einfach tot umzufallen. Immer. Sollte nun jemand in einer Prüfgruppe tot umfallen, muss dies trotzdem als mögliche Nebenwirkung erfasst werden.
Eine weitere witzige Kleinigkeit: In nahezu jeder OP-Aufklärung steht als Risiko der plötzliche Verlust der Sehfähigkeit. Auch bei einer Kniegelenksspiegelung, einer Hüftprothese oder einer Frakturversorgung. Woher das kommt - keine Ahnung.