Grüne Zeichenflechte an Eiche (Zwackhia viridis)

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 614 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (17. Dezember 2022 um 17:37) ist von KaMaMa.

  • Hallöchen Flechtenfreunde!

    Am letzten Samstag fand ich in einem Eichen-Buchenwald an einer Eiche unweit der Straße eine unscheinbare, weiße Krustenflechte.

    Bild 0: Fundstelle, Eiche mit weißen Krustenauf der Südseite des Stammes

    Die Oberfläche ist voller kleiner, schwärzlicher Fruchtkörper.

    Da musste ein Stück flechtenbewachsene Borke zur Bestimmung ins Körbchen wandern!

    Bild 1 Flechte mit kleinen, dunklen Fruchtkörpern (Pyknidien)

    Bild 2 Pyknidien mit würstchenförmig austretender Masse aus Konidiosporen

    Heute kam ich endlich dazu, mir den Fund genauer anzuschauen...

    Die Kruste erweist sich als Flechte mit Trentepohlia-Algen, wie orangene Verfärbung, insbesondere an Kratzern erahnen lassen.

    Das Flechtenlager selbst ist großflächig, dünn, weißlich, wachsig.

    Es zeigt keine Farbreaktion auf die üblichen Chemikalien (K-, C-, P-). Die Pyknidien sind C-.

    Am einigen Stellen finden sich eher grünliche Thallusbereiche mit lirellenförmigen, schwarzen und unbereiften Apothecien, die etwas aus der Oberfläche ragen.

    Diese Fruchtkörper waren mir im Wald entgangen, aber gehören zur gleichen Flechte!

    Bild 3 lirellenförmige Apothecien

    Die stäbchenförmigen Konidien haben die Größe von etwa 5-6 x 1,5 µm

    Bild 4 Konidien in Wasser, 1000x

    Der Thallus wird etwas eingeweicht, um die Apothecien leichter herauszulösen.

    Die Apothecien erweisen sich als teilweise in den Thallus eingesenkt.

    Die lirelenförmigen Apothecien sind sehr kurz, fast elliptisch, mit einem sehr schmalen Schlitz.

    Bild 6 Nasse Apothecien

    Um besser quetschen zu können, gebe ich etwas KOH (3%) zum Quetschpräparat und spüle anschließend mit Wasser.

    Die keuligen Schläuche enthalten länglich spindelförmige, vielzellige, querseptierte, farblose Sporen.

    Nach Lugol-Zusatz erweist sich ein Teil der oberen Ascus-Wandung als amyloid (blau in basischen Milieu):

    Bild 7: dickwandiger, amyloider Ascus mit gelblichem Ascoplasma in amyloidem Hymenium.

    Der Algenpartner besteht aus einzellige Grünalgen mit dicker Wandung und orangenen Karotinoidtröpfchen (Trentepohlia-Algen).

    Bild 8 Algenzellen

    Das Hymenium reagiert ohne KOH-Vorbehandlung, im neutralen Milieu, nicht blau sondern orange-rot auf die Jod-Lösung!

    Bild 9 Hymenium in Lugol orange-rot gefärbt

    Die großen Sporen sind spindelförmig, mit einem dickerem und einem spitzeren Ende.

    Ihre Abmessung beträgt um 40 x 9 µm.

    Bild 10: Freie Spore mit sehr dicker Schleimhülle und 12 eckigen Zell-Fächern

    Beim Durchschlüsseln gelange ich zu Zwackhia viridis, der Grünen Zeichenflechte. :lightbulb:

    Asco- und Pykosporenmaße, deren Form und Größe passen, ebenso wie die Farbreaktionen des Flechtenlagers, der Algenpartner und die Fundumstände:

    Zwackhia viridis lebt laut "Die Flechten Deutschlands" in schattigen Laub- und Mischwäldern an Mittelstamm und Stammbasis von z.B. Tanne, Hainbuche, Esche, Ahorn aber auch Eiche(!), Buche, etc.

    Die Grüne Zeichenflechte kommt laut Literatur ziemlich selten vor, ist aber hier im Neckarland nachgewiesen.

    Deshalb freue ich mich natürlich sehr, sie gefunden haben zu dürfen!

    Ich hoffe, bei der Bestimmung keinen Fehler gemacht zu haben, und bin gespannt, ob ihr zum gleichen Ergebnis kommt, oder doch ein andere Flechte vorliegen könnte.

    LG, Martin

    Einmal editiert, zuletzt von KaMaMa (17. Dezember 2022 um 09:14) aus folgendem Grund: Fehlerbehebung

  • Lieber Martin, sehr interessante Dokumentation. Danke. Bestätigen oder... kann ich mangels Wissen leider nicht.

    Auch wenn ich bei Flechten oder Pilzen längst nicht so weit wie einige hier im Forum eingestiegen bin, macht es aber immer wieder Spaß von Gleichgesinnten zu lernen.

    Lg Emil

  • Hallo Martin,

    da warst du ja wieder Erfolgreich im Eichen/Buchenwald unterwegs, toller Fund und bis ins Kleinste geschlüsselt. Leider auch von mir keine Hilfe, wie du weißt ist mein Flechtenwissen noch sehr in den Anfängen.

    Die Flechte war an einem Buchenstamm, die schwarzen Apothecien ( Foto 3 ) habe ich mal angeklickt, sind dann durch ein Erkennungsprogramm gelaufen.

    Das Ergebnis war: ev. Cheirospora botryospora, (Foto) kommt auf Hainbuchen vor.

    Vielleicht ein Hinweis und kein Unsinn!

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd!

    Darf ich das so verstehen: Eine Bildersuchmaschine nach dem Bild 3 das Internet durchsucht und du bekamst als Treffer Cheirospora botryospora angezeigt?

    Und dazu bekamst du dieses Foto von Dieter Schulz von den Pilzfreunden Chemnitz angezeigt?

    Cheirospora botryospora ist keine Flechte!

    Mit Bildersuche kommt man der Sache nicht näher, fürchte ich!

    Neinnein, es hilft nur Lesen, Mikroskopieren, Chemie und Schlüsseln.

    Einer Bildersuche darf man besonders bei so exotischen Themen nicht das geringste Vertrauen schenken!

    Ich habe jetzt auch mal mit Google Lens das Internet nach "visuell übereinstimmenden" Bildern zu Foto 3 ohne weitere Stichworte absuchen lassen:

    Die aller-aller-meisten Treffer sind interessanterweise mineralischer Natur, dann folgt irgendwann tatsächlich ein Bild auf 123Pilze mit der Veränderlichen Zeichenflechte, Alyxoria varia (gar nicht mal schlecht - die ist es aber nicht, hat z.B. ganz andere Sporen!), dann wieder sehr viele mineralische Fotos, irgendwann wieder eine Flechte ohne wirkliche Ähnlichkeit und später noch ein Rindenpilz, dem natürlich auch jegliche Ähnlichkeit zur Gegenstand der Suche abgeht.

    Wenn es nach dem Algorithmus der Google-Lens-Suche geht, sollte ich also Baryopyrochlor (Ba,Sr)(Nb,Ti)2(O,OH)7 an der Eichenborke haftend vorgefunden haben.

    Ei, wer weiß?

    Das Kürzel KI steht für "Keine Intelligenz", es werden ja per Algorithmus nur stur irgendwelche Datenbanken durchsucht.

    Die Treffer der Bildersuche haben überhaupt nichts gemein mit dem Zwackhia-Fund - weder optisch, haptisch noch hormonell-spritituell. :)

    LG, Martin


    P.S.:

    Sensationell finde ich auch folgendes Suchergebnis "optisch ähnlicher Bilder" (!!), wenn ich mir auf Google anschließend noch Webseiten mit dem Bild (Foto 3!) anzeigen lasse.

    Treffer sind dann eigenartigerweise Tierbilder. Den toten Fisch unten rechts finde ich zwar überaus orginell, mein Favorit aber wäre das Backenhörnchen oder das Mäuschen.

  • Hallo Marin,

    ja die lieben Algorithmen, war nur ein Versuch von mir, die Fische hatte ich nicht aber wie du sagst waren bei mir auch die Mineralien und dazwischen dieser Pilz.

    Also übernehme ich von dir: es hilft nur Lesen, Mikroskopieren, Chemie und Schlüsseln.

    Trotzdem einen schönen Adventssonntag

    Gruß

    Bernd

  • KaMaMa 19. Dezember 2022 um 18:00

    Hat den Titel des Themas von „Grüne Zeichenflechte an Eiche“ zu „Grüne Zeichenflechte an Eiche (Zwackhia viridis)“ geändert.