Bartflechte? Nein, Strauchflechte --> Ramalina farinacea (mehlige Astflechte)

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 191 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. Februar 2024 um 21:10) ist von IngeS.

  • 11.2.2024 BW, Radolfzell am Bodensee, alte Kiesgrube

    Hallo,

    am abgefallenen vermoderten Ast (?Laubholz:Weide, Erle)

    Welche Strauchflechte mit teils alten schwärzlichen Ästen, teils fadendünnen Verzweigungen, Sorelien/Apothecien sind plaqueartig kompakt, nicht mehlig-Körnig

    ist das Pseudevernia? Ramalina? Usnea?

    Für jeden Einordnungshinweis bin ich dankbar,

    inge

    • Hilfreichste Antwort

    Hallo Inge,

    der Thallus der Flechte besteht nicht aus drehrunden, fädig dünnen, meist hängenden Elementen. Vielmehr betitzt er sparrig abstehende, breite, mehr oder minder steife Bänder, die auch nach oben weisen können. Somit zeigst du uns hier eine Flechte der Formgruppe der Strauchflechten. Die Begriffe Bart- und Strauchflechten sind keine exakten Begriffe und natürlich existieren Übergänge, da auch Flechten kein Bücher lesen.

    Die Ober- und Unterseiten der Felchte unterscheiden sich strukturell und farblich wenig. Durch die in die Rinde eingelagerte Usninsäure ist der Thallus beidseits grau-grün. (Anders wäre dies bei Evernia und Pseudevernia zu erwarten. Bei diesen Flechten ist die unberindete Unterseite rinnig und weiß, bei älteren Exemplaren von P. furfuracea auch schwarz - aber nicht graugrün berindet wie hier.) Apothecien fehlen. Isidien fehlen. Auffallend sind die zahlreichen und deutlich ovalen, flachen Sorale an den Rändern des Thallus in deinem Foto:

    Du hast die häufig vorkommende Ramalina farinacea gefunden.


    P.S.:

    Bei der Suche nach einer schönen Seite im Internet mit Fotos für dich zum Vergleichen musste ich leider feststellen, dass man mit dem Fotovergleich im Internet sehr, sehr vorsichtig sein muss: Sehr oft sind die Flechten falsch bestimmt bzw. sogar Fotos anderer Flechtenarten in einem Artikel zu einer bestimmten Flechte hinterlegt! Um Flechtenliteratur führt deshalb kein Weg vorbei.

    Sucht man im WWW nach "Ramalina farinacea" kommt als erster Vorschlag Wikipedia - leider ist das einzige hinterlegte Foto eher nichtssagend.

    Hiatamandl: Der zweite Treffer (123Pilze) hat mich in dieser Hinsicht ernüchtert: 8 von 10 Fotos im R. farinacea-Artikel zeigen fälschlicherweise Pseudevernia furfuracea (deutlich isidiös und deutlich dunkle Unterseite)! Lediglich die beiden letzten Fotos sind (vermutlich) korrekt, wenn auch selbst hier die typischen Sorale nicht gut erkennbar sind. Ich weiß nicht, wen man kontraktieren muss, um das zu korrigieren...

    Die Bildersuche in Google liefert ähnlich falsche Fotos, da auch hier meist irgendwelche Bilder von Leuten gezeigt werden, die nur meinen, eine bestimmte Flechte gefunden zu haben und das Foto entsprechend benennen. Google bewertet das nicht weiter.

    Zur Bestimmung und zum Vergleichen dürfen nur sehr gute europäische Flechtenseiten von Fachleuten herangezogen werden: Z.B. ITALIC (italienische Seite auf englisch; bietet Bestimmungsschlüssel und bei den Arten ausführliche Beschreibungen, Fotos, Chemie, mikroskopische Mekmale) oder zum Stöbern bei Lichens marins (bretonische Seite; alphabetisch sortierte Arten mit Beschreibung, Fotos und Angaben zur Chemie, teilweise mit Mikroskopie; französisch oder englisch). Leider kenne ich bislang keine ebenso umfangreiche und vergleichbar gute deutsche Seite.

    LG, Martin


    Einige Beispiele von mir mit deutlich erkennbaren Soralen - hoffentlich stimmt hier die Bestimmung ;):

    Drei größere, feuchte Exemplare R. farinacea an Ast


    Zwei Exemplare Ramalina farinacea an Baumstamm, rechts mit den typischen und vielen gut erkennbar ovalen Soralen


    Zwei kleinere Exemplare von R. farinacea mit einer kleinen Evernia prunastri links (darunter und rachts oben R. farinacea)

  • Hallo Martin,

    herzlichen Dank für die ausführliche Darlegung.

    Bei einem abgebrochenn Ast, weiß ich nie sicher, ob die Flechte in der ursprünglichen Richtung ist, ob eine strauchige nicht ursprünglich eine hängende (bärtige) Flechte war.

    Das mit den ovalen Soralen ist mir ein sehr einprägsames Merkmal.

    Tja,das Internet ist dermassen beliebig und verflacht, auch bei Heilkräutern fand ich falsche Bilder zu Brunnenkresse. oder es wurde empfhlen Brunnenkresse (sic) (gemeint war Gartenkresse) in der Küche zu keimen.

    Nehme an , Dass Du bei Deinen Qualifikationeneinen ein guter Lektor zur richtigen Flechtenbestimmung wärst.

    Hättest Du Lust, Flechtenkorrekteur zu machen?

    Wichtig auch Dein Hinweis, dass selbst auf dieser Seite solche Unsicherheiten sind!

    Das nenne ich Qualitätssicherung!:star::star::star::star::star:

    Chapeau! Es gibt keinen Smilie mit Hut ab (der französische Respekt ist bei der US-Unkultur noch nicht angekommen).

    inge

    Einmal editiert, zuletzt von IngeS (29. Februar 2024 um 15:21)

  • IngeS 28. Februar 2024 um 21:11

    Hat einen Beitrag als hilfreichste Antwort ausgewählt.
  • IngeS 28. Februar 2024 um 21:19

    Hat den Titel des Themas von „Bartflechte“ zu „Bartflechte? Nein, Strauchflechte --> Ramalina farinacea (mehlige Astflechte)“ geändert.