(Teil)sterilisieren im Backofen?

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 7.494 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (29. Dezember 2020 um 10:52) ist von niclodemus.

  • Moin Pilzverückte,

    Eine Frage an die Praktiker unter euch. Haltet ihr es für möglich, einen autoklavierbaren Beutel mit Substrat bei 110 Grad im Backofen trocken zu (Teil)sterilisieren oder fliegt mir der Beutel um die Ohren. Die Idee wäre, unter den Beutel ein feuchtes Küchenhandtuch zu legen, damit er nicht in Kontakt mit dem Rost kommt. Das ich damit nicht das gleiche Ergebnis wie beim autoklavieren habe, ist mir vollkommen klar, ein wenig sollte es jedoch bringen. Ich habe nun mal keinen Schnellkochtopf und will, wenn es geht, auch nicht viel Geld dafür ausgeben. Ich wäre dankbar für eure Ideen und/oder sogar Erfahrungen.

    LG André

  • Hi Andre,

    um die Ohren wird dir wohl nichts fliegen. Das Problem ist das Wasser unter normalen Druck bei 97 - 98°C kocht, das heißt dein Substrat wird auch bei 110 Grad wohl nur die 97-98 Grad erreichen.

    Gruß Matthias

  • Moin Matthias,

    ja, das ist mir klar, dadurch sollten aber schon ne Menge potentieller Kontis kaputt gehen, mit dem Rest muss ich dann leben. Mir geht es eher darum, ob die Beutel die trockene Hitze aushalten. Aber Versuch macht kluch ;)

    LG André

  • Hallo an alle Pilzzüchter im Forum und die die es noch werden wollen!

    Nun hat Matthias mir den Ball zugeworfen, ist ok!

    Sterilisieren im Backofen, dies habe ich lange Zeit so gemacht,da der Strom mich so gut wie nichts kostet ( Fotovoltaikanlage :) ) Ich schüttete mein Substrat, immer trockene Pellets, die sowieso kaum Pilze enthalten in einen großen Topf und stellte ihn bei 180° in den Backofen, für 3 Stunden. Dabei erlebte ich regelmäßig, dass sich die Pellets verklebten und als großer Block aus den Topf kamen. Auch meine Messung zeigte mir der Inhalt wird sehr heiß, so um die 164,5°. Aber im Kern waren wohl doch einige Stellen die, die Temperatur nicht erreicht haben. Und jetzt zeigte sich auch, die Pellets werden bei der Produktion wohl sehr heiß und dabei sogar oft schwarz, aber die Pilzsporen sind wohl doch viel resistenter als man annehmen könnte. Auch meine Pellets aus dem Backofen waren oft schon angeröstet!

    Doch nun kommen wir zu dem Knackpunkt der ganzen Sache! Wir müssen diese jetzt kalten Pellets in einen Beutel, Glas, oder eine Plastikboxs umfüllen. Dann kommt noch einmal das beimpfen und gerade dann ist alles offen und wir bekommen Kontis. Nun ist es mit den Kontis so eine Sache, in einer Wohnung mit vielen Blumen, wie bei mir gibt es sehr viele, bei anderen gibt es viel weniger. Oder es ist Herbst, wo sowieso sehr viel mehr Kontis unterwegs sind. Die ganze Natur stellt sich um und die alten Blätter und andere Gewächse stoßen ihre Blätter für die Fotosynthese ab, dies nun wird von Pilzen in andere Nährstoffe umgewandelt. Ihre Sporen verseuchen uns zur Zeit die Zuchten! Deshalb verstehen mache die Welt nicht mehr, dass Züchtungen bei einem so problemlos von statten gehen und beim anderen alles ständig voller Kontis ist! Zu den letzteren gehörte ich und viele Säcke landeten voller Kontis auf dem Kompost oder wurden getrocknet für den Ofen. Als meine Frau voller Erwartung auf leckere Pilze, wieder sehr enttäuscht einen Beutel entsorgen musste, war es mir klar, jetzt bestelle ich mir einen 18 Liter China Autoklaven ( übrigens ein sehr gut verarbeitetes Gerät! ) und es ist mit den Kontis um 95% besser. In diesem Gerät bekomme ich immer zwei der größten Pilzbeutel hinein. Die Kontis sind nun selten. Aber es bleibt immer noch die Beimpfung mit der Körnerbrut. Von der direkt Beimpfung mit Flüssigmyzel halte ich gar nichts, da man erst in der Körnerbrut eine Kontaminierung erkennen kann, im Flüssigmyzel sieht man höchstens eine Trübung! Jetzt ist der Beutel wieder offen und die Kontis kommen wieder freudig hinein. Deshalb habe ich mir eine 145 Liter Glovebox gebaut. Sie ist mit einem starken Hepa 13 Filter betrieben. Hepa 13 reicht in der Regel völlig aus. Das ist ein normaler, aber leider sehr teuren Zimmerfilter ( ein billigeren, aber mit hoher Luftleistung und Hepa 13-14 reicht auch! ), den habe ich mit eigenen Formteilen auf die Box angepasst, er bläst jetzt von oben in die Box. Nun habe ich einen ständigen Überdruck in der Box, deshalb braucht sie nicht dicht zu sein, es kommt keine Fremdluft/ Kontis mehr hinein! Der Hepa- Filtereinsatz ( Tauschfilter ) wird immer wieder mit einem Alkohol und Wasserstoff Gemisch nass gespritzt und weicht dann für eine Stunde ein. Dann wieder eingesetzt und der Filter wird trocken geblasen. Man muss halt danach gut lüften, das stinkt wie die Pest, geht aber schnell vorüber. Aber keine Kontis mehr. Nur die unsichtbaren in der Körnerbrut, die hat fast jeder, aber meist wird der Pilz mit denen gut fertig. Meist völlig unbemerkt.

    Warum eine 145 Liter Box? Nun ich habe mehrere Deckel für verschiedene Anwendungen, aber wenn ich meine 5 kg großen Beutel nach dem Autoklavieren öffne, sind die schon mal fast 50cm hoch und dann kommen meine 30cm großen Körnerbrutbeutel, deshalb brauche / will ich genau diese große Glovebox. Es ist sehr ärgerlich, wenn so viel Arbeit, umsonst gemacht worden ist und wieder alles voller Kontis ist. Damit lassen sich nun auch Zuchtbeutel selbst im Herbst problemlos herstellen!

    Ich bitte zu bedenken, ein Angler, der sein Hobby richtig betreiben will, braucht eine gute Ausrüstung, die kostet auch gleich mal einige Hundert € ! Andere Hobby's sind noch viel teurer! Also sind die Kosten für eine recht gute Pilzzucht Ausrüstung doch überschaubar, oder die Natur/ Geldbeutel wird Dich eines Besseren belehren, denn ein paar Kontis können deinen ganzen Zuchtbeutel völlig verseuchen, ich weiß wovon ich rede!! Aber selbst meine liebe Frau freut sich jetzt riesig über den jetzigen Erfolg!

    Ich hoffe ich konnte helfen, Euch alles Gute und noch ein schönes Weihnachtsfest und denkt einmal darüber nach, was hier geschehen ist, Euer Hermann

  • Hallo Hermann, vielen lieben Dank für deine umfangreiche Aussage. Da ich selbst angle, kann ich deinen Vergleich gut nachvollziehen.;) Bei den Pilzen stecke ich jedoch noch voll in den Kinderschuhen. Also ich habe gestern Abend zwei ca. 8 Liter fassende Beutel mit angezischten feuchten Substrat in den Ofen gestellt und für drei Stunden bei 110 Grad drin gelassen. Die Beutel haben sich gut durch den Dampf aufgeblasen, sind aber heile geblieben. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie hoch die Kerntemperatur nun real war. Heute Abend werde ich die Bags beimpfen und dann warte ich ab. Wird es was, freue ich mich, wird’s nichts, ist es auch kein Weltuntergang.

    LG André

  • Hallo lieber André !

    Ja, Du steckst nie darin, dazu sind die 110° für echte eine Sterilisierung viel zu wenig! Da braucht man 121°-126° und dies für 90 Min. -150 Min. lang um die Substrate einigermaßen steril zu bringen. Ist im Backofen nicht zu erreichen. Viele machen es so wie Du, aber dann kannst Du lieber gleich das noch trockene Substrat mit kochend heißem Wasser übergießen, dies wäre dann wohl Deinem Verfahren deutlich überlegen. Die Zip - oder Druckverschlussbeutel halten das gut aus, aber kaufe Dir nur die 90 my Beutel. Die musst Du aber unbedingt verschweißen, alle Beutel die ich nur doppelt super dicht zugeklebt hatte, bekamen Kontis ( Grüner Schimmel ) und plötzlich waren sehr viele Fruchtfliegen im Beutel, diese beiden, diese Fliegen und diese Schimmelsporen gehören immer zusammen! Wie sie in den Beutel kamen ist mir ein völliges Rätsel, nur diese Fliegen fressen auf Bioabfall infizieren sich da mit dem Grünschimmel ( Biomülleimer ) und legen die Eier durch die aller- allerkleinsten Löcher und Spalten in unsere Zuchtbeutel und Brutbeutel!

    Deshalb die Zuchtbeutel immer verschweißen. Wenn dann doch einmal Kontis auftreten, können sie vom Hauptpilz besser bekämpft werden. Oft kommen sie von gekauftem Brutmaterial. Wer sich eigenes herstellt ist oft auf der sicheren Seite und der Greizer zeigt ja gerade, wie einfach es geht!

    Hier ein sehr gutes Video vom Matthias, Alias Greizer oder YouTube ( Pilzonkel 67 ) : Speisepilze, der anbau von Pilzen auf Substrat - YouTube Schaue Dir einmal seine ganzen Videos an, da kannst Du sehr viel lernen!

    Dazu zeigt sich, dass es mit dem kochend - heißen Wasser übergießen, dies doch mit vielen Pleurotus Arten recht gut klappt. Was willst Du denn noch züchten? Bei den Seitlingen könnte es wohl so noch klappen, aber nur mit guter Brut ( und da kommt ein weiteres sehr großes Problem dazu! ) und dann stellt sich auch der Erfolg ein! Andere Arten gehen nur manchmal gut, meist nicht. Der echte Erfolg hatte ich erst nach dem Kauf des Autoklaven und meiner Glovebox ( die braucht nicht unbedingt einen Hepa- Filter wenn die Box völlig geschlossen ist und Du alles gut desinfizierst ( 2/3 Teile Isopropanol 99,9% und 1/3 Teil 3% Wasserstoffperoxyd ) hast. Eine gute Angel, eine gute Rolle und gute Schnur kostet mehr, als alle meine Geräte zusammen!! Jetzt kann ich und dann auch Du die schweren Arten leicht züchten und es klappt besser. Jetzt freut sich auch meine liebe Frau. Heute erntet sie weit über 1 kg und sie freut sich sehr :) Und der Mann muss alles putzen und klein schneiden :( Aber der hat super scharfe Messer, da er alle ( auch die von den Nachbarn ) Messer sehr, sehr scharf professionell schleifen kann :)

    Dir lieber André, und alle im Form wünsche ich ein wunderschönes schönes Weihnachtsfest und bleibt alle gesund, und Dir viel Freude am Hobby, die meisten Fische haben jetzt Schonzeit, Pilze die man selber züchtet, nie :) Euer Hermann

  • waren sehr viele Fruchtfliegen im Beutel, diese beiden, diese Fliegen und diese Schimmelsporen gehören immer zusammen! Wie sie in den Beutel kamen ist mir ein völliges Rätsel

    Waren es Fruchtfliegen oder Trauermücken? Ich tippe eher auf letztere, die kommen ganz gern als kleines Äalchen mit ins Substrat. Organisch und feucht, da sind die immer mit dabei.

  • Hallo MarciMarc, ein hallo an Dich André!

    Erst waren es Trauerfliegen und dann kamen die Fruchtfliegen. Ich bin da schon ein Fachmann und arbeite mit, bei der Oberen Naturschutzbehörde als Entomologe als freier Mitarbeiter, wie die Meisten. Am Schluss waren es so viele, dass ich zur Chemiekeule gegriffen habe, dann war erst mal Ruhe. Aber dann kamen die Fruchtfliegen. Diese Biester kommen überall hin und hinein. Deshalb die Substratbeutel immer zuschweißen. Beide Arten sind nicht so schlimm, denn sie können die Eier erst in das Substrat legen wenn der Pilz fruchtet, denn erst da öffne ich ihn, bis echter Schaden entsteht, ist der Substratblock sowieso verbraucht und kommt zum Trocknen.

    Euch Allen ein wunderschönes Weihachsfest und einen guten Rutsch, Euer Hermann

  • Aber dann kamen die Fruchtfliegen. Diese Biester kommen überall hin und hinein. Deshalb die Substratbeutel immer zuschweißen.

    Ok, also mit Fruchtfliegen hätte ich da nun gar nicht gerechnet. Kommen die wegen dem Substrat oder wegen dem Pilz?

  • Hallo mein lieber MarciMarc!

    Die Fruchtfliegen lath. Drosophilidae, auch Taufliegen, auch Obst- oder Essigfliegen genannt, legen ihre Eier in das Pilzsubstrat. Dies tun sie auch in Obst, deshalb wird das Obst oft schnell matschig. Das versteht man, wenn man die bis zu 400 Eier sieht und dann die Maden erlebt. In 30 Tagen sind es dann ca' 16 Mill. Nachkommen oder Maden im Substratblock. Sie sind viel schädlicher als die Trauermücken. Daher ist es sehr wichtig, diesen Block erst bei einer Fruchtung zu öffnen. Ich mache es so, wenn ich den Beutel doch seitlich öffnen muss, klebe ich ohne ihn fest zuzudrücken, einen Micropore Kleber darüber. Pilze können sogar durch Asphalt wachsen, dies können sie durch ihr langsames Wachstum und dem osmotischen Druck erreichen. Meine Pilze drückten den einfach weg. Fruchtfliegenlarven habe ich jetzt noch nie welche in meinen Pilzen gefunden. Bei den Maden in den Wald-und/ Wiesenpilzen, handelt es sich um die Pilzmücken (Mycetophilidae) die werden wir aber in unseren kleinen Kulturen kaum finden! Dazu kontaminieren die Fruchtfliegen unsere Blöcke mit Hefepilzen und Grünschimmel ( da sie auf schimmelnden Bioabfällen landen ), auch darum, immer sehr sauber arbeiten und alles gut sterilisieren / desinfizieren. Insgesamt gesehen, können sie uns den Pilzzüchtern jedoch wenig Schaden anrichten, selbst wenn sie den Substratblock besiedeln. Dazu haben sie nur wenig Zeit , bis der Bock abgeerntet ist und zum Trocknen ins Freie kommt, wo die Maden eh absterben, in Folge von Trockenheit/ Frost, oder sie haben sich schon verpuppt und schlüpfen und weg fliegen.

    Euch allen alles Gute und noch ein schönes Fest, Hermann

  • Danke Hermann, ich hab Drosophila mal gezüchtet um Spinnen damit zu füttern. Daher kann ich mir vorstellen was Du meinst. Das Nährsubstrat war dabei einfach Mehl und Wasser (vielleicht noch nen Schuss Zucker, weiss ich nicht mehr genau).

  • Moin Pilzverrückte,

    um es kurz zu machen, das Experiment ist voll in die Hose gegangen. Seit Gestern sind beide Beutel mit grünem Schimmel durchsetzt, welcher sich explosionsartig verbreitet. Schade, aber nicht zu ändern. Also, es muss nun doch ein Schnellkochtopf her. Bin gerade in der Recherche, welchen ich kaufen werde. Aber, daraus ergibt sich gleich wieder eine neue Frage. Sind die beiden Substratbeutel dahingehend zu retten, dass man sie im SKT drei Stunden durcherhitzt oder ist das Substrat nunmehr ein Fall für den Biomüll? Das beim sterilisieren die Pilzkultur mit den Bach runter geht, ist mir vollkommen klar, mir geht es nur um das Substrat.

    LG André