Diesmal eine Flechten-Bestimmung?

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 1.769 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (24. Juli 2022 um 16:18) ist von Bemoeh.

  • Hallo ans Forum,

    diesmal ein Flechtenfund vom 21.06.2022 am Ettelsberg bei Willingen Sauerland.
    Gibt es Bestimmungshilfe im Forum?

    Bin Laie meine Vermutung: Cladonia-coniocradera, könnte die Richtung stimmen?:?:

    Gruß und Dank für eure Hilfe

    Bernd

  • Hallo Bernd

    Wir haben ja eine spezielle Rubrik für Flechten. Ich würde das dort reinstellen, da bekommst du sicher auch einen Vorschlag.

    BG Andy

  • Hallo Bernd,

    so beim ersten Betrachten deiner Fotos und ohne Literaturabgleich halte ich hier C. coniocraea durchaus für möglich und wahrscheinlich.

    Allerdings sind Cladonien ein schwieriges Terrain und ich kann mich hier ganz leicht irren!

    LG, Martin

  • Hallo Bernd!

    Cladonien sind gar keine leichte Flechtengruppe...

    Ihre Arten(gruppen) sind zahlreich und die Formen innerhalb jeder Art(engruppe) vielgestaltig; zudem wachsen die Arten oft durcheinander!

    Der Schlüssel in Wirths "Die Flechten Deutschlands" enthält 4 Teilschlüssel mit in Summe 13 + 15 + 75 + 28 = 131 Fragen, um zwischen den etwas 70 in D vorkommenden Arten(gruppen) zu unterscheiden!

    Färberagenzien sind unerlässlich, um im Schlüssel an den entsprechenden Stellen Entscheidungen treffen zu können.

    Ich dachte früher auch, ich versuche es ohne Färbereagenzien - es geht nicht!

    Das gilt nicht nur für Cladonien.

    Aus meinem letzten Urlaub habe ich ein kleines (!) Kästchen mit Cladonienproben mitgebracht - da kann ich mich noch wochenlang damit verlustieren...


    Doch nochmal zurück zu deiner Cladonien-Anfrage:

    Bei deiner Flechte handelt es sich um eine Säulenflechte mit braunen Apothecien/Pyknidien (=> größter Teilschlüssel mit 75 Fragen!).

    Grundschuppen sind dicht vorhanden und von eher mittlerer Größe.

    Die Schuppen sind oberseits grün, unterseits weiß (wie meistens).

    Die Podetien sind graugrün (wie meistens), ohne jeden Gelbton wie ihn z.B. Usnea besitzt.

    Die Podetien sind das, was ich als mehlig sorediös deuten würde, im unteren Bereich nur berindet (nicht mehlig, aber glatt-grün) und teilweise auch beschuppt (d.h. Blättchen am Stielchen vorhanden).

    Spätestens hier benötigt man zum Weiterschlüssen die Färbreaktion von Para-Phenylendiamin (P+/P-)!

    Ohne ist der Spekulation Tür und Tor geöffnet...

    Eine Farbreaktion von P+ unterstellend (so größere Auswahl! Nur C. sqaumosa, C. glauca, C. cenotea, C. norvegica und C. rei überspringend - C. norvegica wäre hier eventuell vom Habitus her auch interessant!), erkenne ich ferner keinerlei Becher und mache im Schlüssel einen großen Sprung.

    Die Säulen enden teilweise stumpf bis zugespitzt, aber nicht körnig, schuppig-schollig, nicht entrindet etc. sondern fein mehlig sorediös, und schließe damit C. ramulosa aus...

    Da die grünlichen Grundschuppen reichlich vorhanden sind, die Podetien (meist) unverzweigt, basal berindet (im unteren Teil grünlich und glatt), weiter oben sorediös (mehlig wirkend), lande ich obwohl der Rest (P+rot ??, sehr schmale Becher, ..) nicht so ganz passt, bei C. coniocraea.

    C. coniocraea ist weit verbreitet (ganz D) und kommt häufig auf morschem Holz und am Grunde von Bäumen vor, auf Rohhumus, Moosen; und mag Kalk nicht so sehr.

    Könnte also schon passen.


    Ich könnte natürlich schon anfangs, wegen der fehlenden Farbreaktion, falsch abgebogen sein - wobsei selbst die Farbreaktionen nicht leicht zu beurteilen sind:

    Ist das jetzt noch gelb oder schon orange, noch orange oder schon rot - wie lange soll ich warten bis die Färbung vielleicht absättigt?

    Zu lange warten ist auch nicht richtig!


    Leider habe ich vom Administrator des Flechten-Unterforum noch nichts gesehen oder gehört; Mike Guwak ist wäre wahrscheinlich bei Cladonien ein guter Ratgeber...

    Mehr kann ich zur Bestimmung leider nicht beitragen, ich lehne mich wahrscheinlich eh' schon weit aus dem Fenster.

    Ich mühe mich selber mit meinen Cladonien ab und schwanke, ab wann z.B. Podetienstiele nur berindet/unberindet, beschuppt, sorediös sind.

    Ab wann ist eine Struktur ein Becher? Wann eine Säule? Wann sprossend, etc.

    Die Dinger sind so vielgestaltig innerhalb der Arten(gruppen), dass ich meistens sehr zögerlich bin, mich festzulegen, und viel Restunsicherheit bleibt.

    Verschiedene Cladonien wachsen gerne durcheinander und wenn man nicht höllisch aufpasst, bringt man die dann durcheinander und scheitert natürlich bei Schlüsseln gnadenlos...

    Wenn dich Flechten stark interessieren, rate ich dir dringend (!), dir die vier Flechtenreagenzien (KOH-, Para-Phenylendiamin-, Hypochlorid- und Iodlösung wie Lugol) zu besorgen - sie sind nicht so teuer, etwa 3-4€ pro Reagenz und auch nicht giftiger als andere Sachen, mit denen man im Alltag vielleicht sowieso Umgang hat.

    Bei vielen Flechten braucht man ferner auch ein Mikroskop zur Bestimmung (Algenbestimmung, Sporenform, Kristalle, ...).

    Das, und ein paar gute Bücher zum Thema, und die Sache macht gleich noch mehr Spaß!

    Bis bald, Martin

  • Hallo Martin,

    da hast du dir aber gewaltig viel Mühe mit meiner flechte gemacht!! Und mir einen Einblick in die Flechtenchemie gegeben die zur richtigen Bestimmung unerlässlich ist, da ist mein Flechtenatlas von V. Wirth + R. Düll nicht ausreichend. Die Eingrenzung der Art an Fotos schon möglich aber auch immer mit Hinweis auf benötigte Chemie und Mikroskop.

    In den letzten Jahren habe ich schon mehrmals Flechten ins Unterforum eingestellt, von Mike Guwak aber auch nie etwas gehört!

    Nochmals vielen Dank für deine Hilfe, sollten mir neue interessante Flechten vor die Linse kommen werde ich übers Forum mit dir Kontakt aufnehmen und die Fotos einstellen.

    LG

    Bernd

  • Ja, das Wirth-Düll-Büchlein ist schon recht dünn, zumal ja auch noch Moose darin abgehandelt werden - das kann man auch als seine Stärke sehen.

    Besser ist schon das Wirth-Kirschbaum-Büchlein, um einen ersten Überblick über die Flechten zu bekommen.

    Super ist aber das zweibändige Werk von Wirth-Hauck-Schultz, nicht zuletzt, da neben Beschreibungen, Verbreitungsangaben in Deutschland und Fotos auch alle notwendigen Schlüssel enthalten sind!

    LG, Martin

  • Hallo Martin,

    habe mir die Bücher bei Amazon mal angesehen, die sind schon viel aufschlussreicher. Wirth-Kirschbaum habe ich mal bestellt.

    Dein Tipp ist super!

    Hänge noch 2 Flechtenfotos an, auch aus dem Raum Willingen, waren in Massen auf Baumrinde, sehr dünn krustig, leicht rissig, weiß/gräulich.

    Ich tippe mal auf Phlyctis argena (Gewöhnlicher Silberfleck), Krustenflechtenart.

    Was meinst du dazu?

    LG

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    ja - sehe ich hier auch: P. argena!

    Wächst sehr gerne auf glatter Rinde, Hainbuche ist typisch häufig auffällig überzogen davon.

    Sehr hübsch, sehr häufig.

    P.S. Interessant finde ich immer auch die deutschen Flechtennamen: PDF hier

    Wenn man mit Französisch ein wenig was anfangen kann, sind auch die drei Büchlein (thematisch getrennt nach corticol-lignicolen, saxicolen, bryo-terricolen Flechten - arbres, roches und sols) mit dem Titel "Guide des Lichens de France", überhaupt nicht schlecht; die Papierqualität und die Fotos könnten heutzutage bessere Qualität haben. Nicht so teuer wie die beiden Wirth-Bände, kommen in der Qualität natürlich nicht heran, aber man kann einen ersten Schwerpunkt setzen. Sie sind aber deutlich umfangreicher als die beiden kleine Büchlein, die du mittlerweile kennst. :)

    LG, Martin

  • Hallo KaMaMa ,

    habe das mit der gezielten Mitgliederansprache just mal probiert ( kannte ich nicht ), hoffe es ist richtig so.

    Ein Systemausfall ist ja wieder behoben, dachte schon bei mir ist alles hinüber.

    Setze noch einige interessante Flechtenfunde aus dem Sauerland ins Flechtenforum.

    LG

    Bernd