Hallo!
Am Sonntag ging es in die Felsengärten bei Hessigheim ob dem Neckar.
Ein sehr schönes Kalksteinlabyrith, in dem nicht nur bei schönem Wetter die Bergsteiger üben dürfen, obwohl es ein NSG ist, sondern natürlich auch schöne Flechten leben.
Die erste Flechte, die ich vermutlich (hoffentlich richtig) bestimmen konnte, möchte ich hier zeigen, auch weil sie als selten bis sehr selten gilt und mich gefordert hat.
Aber zuerst einige Eindrücke von der tollen Gegend:
Bild 1 Blick auf die Südseite des Kalkkliffs
Bild 2 Kalkformation
Bild 3 Fenster in den Kalkfelsen
Bild 4 Fundstelle, für den unbedarften Besucher unspektakulär
Bei näherer Betrachtung zeigen sich interessante, epilithische Flechten, von denen ich mit einige Krümel (!) mitgenommen habe.
Bild 5 Im Vollbild sind rötliche Flecken auf dem Fels zu erkennen, die ich so noch nicht gesehen hatte
Bild 6 Pyrenocarpe Flechte mit rötlich-braunemn Thallus
Bild 7 Größeres Exemplar
Ich entnehme tatsächlich nur winzige Krümel, die ich gar nicht alle gebraucht hätte.
Wichtig ist es, einige Fruchtkörperchen zu ewischen.
Bild 8 Probendöschen (2,5cm) mit Flechtenprobe; rechts drei Krümel für den Farbtest unter der Lupe
Die Farbreaktionen sind tatsächlich schwierig bei diesen winzigen Proben.
Unter dem Mikroskop blutet der Thallus in verdünnter KOH deutlich gelb aus - was aber gar nicht bestimmungsrelevant ist.
Bild 9 Drei Fruchtkörper, eingesenkt in einen braun-rötlichen Thallus.
Die geernteten Perithecien sind mit 300 - 400 µm recht klein.
Ich schneide eines in der Mitte durch, um zu prüfen, wie weit das schwarze Involucrellum in die Tiefe geht:
Bild 10: Das schwarze Gehäuse reicht rund herum. Die Form ist oberseitig halbkugelig, unterseits flach.
Unter dem Mikroskop lassen sich Grünalgen mit karotinoidhaltigen Tröpfchen entdecken, Trentepolhia-Algen!
Bild 11 Trentepolhia-Algen zwischen und unter dicken Kristallen
Farblose 8-sporige Schläuche lassen sich in großer Zahl finden.
Die farblosen Sporen sind zweizellig und von einer sehr dicken Hülle ungeben.
Bild 12 Paraphysen verweigt
Bild 13 Asci (IKI-) ohne einfärbbarer Apikalapparat (Lugol), weil offenbar fissitunikat
Besser erkennbar sind die Sporen und die Okularkammer an der Schlauchspitze nach Einfärben mit Baumwollblau (BWB).
Durch die zweizelligen Sporen scheiden Flechten der Gattung Verrucaria aus, an die ich eigentlich gedacht hatte.
Bild 14 In den Schläuchen liegen seriell 2-zellige Sporen mit breitem Septum zwischen gleich großen Zellen (BWB)
Die Sporen-Abmessungen liegen bei 11-14,5 x 7,0-8,5 µm,
Die (Schleim)Hülle um die Sporen hat eine Dicke um 1 µm.
Die Flechtengattung lässt sich nach Wirth relativ zügig und sicher bestimmen:
Rein krustiger, areolierter Thallus auf Kalkstein
Ellipsoide Sporen, 2-zellig, farblos, am Septum nicht eingeschnürt
Ungekammerte, schwarze Perithecien
Seriell 8-sporige, zylindriche Schläuche
Trentepolhia-Algenpartner
und
Sporen mit dicker Scheidewand
einreihig in Ascus
mit Schleimhülle und mit gerundeten Enden
Zellen gleich groß
Asci zylindrisch mit deutlicher Okularkammer
Paraphysen spärlich verzweigt
=> Gattung Acrocordia
Von der Gattung Acrocordia kommen in D vier Arten vor, von denen nur 2 auf Kalkstein vorkommen, die anderen beiden auf Rinde.
Von der Sporengröße und der Thallusfärbung sollte hier Acrocordia conoidea vorliegen, die Kegelförmige Herzflechte.
Sie kommt auf glattem, unverwittertem, maximal feinporösem Kalkstein vor, an regengeschützter Stelle an Vertikalflächen, an luftfeuchtem, windgeschütztem, schattigem Standort.
Sie gilt als selten in den Gebieten des Jura und der Schwäbisch-Frankischen Alb und den Bayerischen Alpen, sonst als sehr selten.
Im Neckarland offenbar (lt. Wirth) bisher nicht nachgewiesen...
Die andere auf Kalkstein auftretende Acrocordia-Art A. salweyi (Salweys Herzflechte) hat deutlich größere Sporen und bevorzugt porösen Kalkstein.
Ein schöner Fund - wenn es denn so stimmt.
LG, Martin