Welche Landkartenflechten im Riesengebirge? => Rhizocarpon sp. (R. cf. geographicum, R. cf. alpicola)

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 675 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. August 2023 um 19:34) ist von Bemoeh.

  • Fundort: Polen, Niederschlesien, Karpacz, unterhalb Schneekoppe, 1180 m ü.N.N.

    Fundzeit: 21.7.23

    Liebes Forum,

    diese Flechten fand ich zahlreich im gesamten Gebiet der Schneekoppe. Ich weiß nicht, ob die Bilder ausreichend sind, aber ich versuche es mal auseinanderzudröseln mit meinem begrenzten Wissen:

    Rhizocarpon geographicum (Bild 1):


    Oben: Rhizocarpon geographicum,

    Mitte: Rhizocarpon alpicola:

    Bild 2:

    Rhizocarpon alpicola (Bild 3 + 4):

    Oben links: Rhizocarpon geographicum,

    Mitte (und unten?): Rhizocarpon alpicola:

    Bild 5:

    Und das hier in der Mitte??? Tephromela atra??? Bild 6, 7 und 8:


    Noch ein paar Übersichtsbilder (Bild 9 -13):


    Was meint Ihr?

    Gruß und Dank,

    Codo

  • Hallo Codo,

    interessante Gattung und tolles Flechtenmosaik, das du uns hier zeigst!

    So etwas würde ich auch gerne mal finden - aber dazu wohne ich zu niedrig (Höhenlage) und in zu kalkigem Terrain.

    Mit der Gattung Rhizocarpon liegst du hier bestimmt richtig, wahrscheinlich kommen mehrere Arten vermischt vor!

    Auf Artebene diese Krusten zu bestimmen ist erheblich schwieriger:

    Beim Schlüsseln der Gattung kommt man um mikroskopische Sporenkontrollen (Größe, Anzahl der Zellen in den Sporen, Anordnung der Zellen, Färbung, etc.) und Prüfung der Farbreaktionen ("Chemie") nicht herum, leider.

    40 trennbare Arten meldet W.H.&S. im Werk "Die Flechten Deutschlands" für die deutschprachigen Länder, in Polen sind das womöglich ähnlich viele, wobei nicht alle Arten gelbe Thalli haben; es gibt auch graue und brauen Arten.

    R. geographicum s.lat. und R. lecanorinum s. lat. sind Artengruppen, die eine Vielzahl makroskopisch / mikroskopisch nicht oder nur schwer trennbarer Arten umfassen, wie es geschrieben steht.

    Dennoch lässt sich vielleicht ein wenig zu den Funden sagen:

    In dem ersten und zweiten Foto liegt wohl keine Flechte der Artengruppe R. geographicum vor, da die schwarzen Apothecien sichelförmig oder kragenförmig von den blassgelben Thallusareolen umfasst bzw. ganz umschlossen werden. Das ist eher typisch für z.B. R. lecanorinum, wird so bei R. geographicum nicht ausgebildet.

    Die zweite Flechte, die du zeigst, hat die Apothecien zwischen den Areolen positioniert, wie es sich für R. geographicum gehört.

    R. alpicola kenne ich nicht. Sie soll über der Schneegrenze vorkommen, sehr (!) selten sein und die Apothecien ähnlich wie R. lecanorinum poitioniert haben (Sichel & Kragen).

    Wahrscheinlich gibt es ein oder zwei Handvoll gelbe Rhizocarpon-Arten, die so oder sehr ähnlich ausschauen.

    Eine Zuordnung ist ohne Chemie und Mikroskop aus meiner Sicht leider nicht machbar...

    Du kannst es gerne mit dem italienischen Online-Bestimmungsschlüssel für Rhizocarpon mal versuchen, die Arten makroskopisch einzugrenzen.

    LG, Martin

    R. geographicum durfte ich schon finden und bestimmen

    Bild A1 Kleiner Thallus von R. geographicum

    Bild A2 Freie, mauerförmige, grünliche Sporen von R. geographicum

  • Auch hier vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen!

    Hmm, tja... es wird also schwierig... mit dem Schlüssel komme ich ehrlich gesagt nicht ans Ziel. Ist bei der Zahl der Arten und meinen begrenzten Fähigkeiten / Erfahrung wohl auch unrealistisch. :)

    Ich habe mich ehrlich gesagt (neben verschiedenen Internetquellen, soweit ich sie finde) auch an einer Infotafel orientiert, und da passte der rein optische Vergleich mit meinen Bildern einfach so schön, aber natürlich muss auch auf so einer Tafel nicht alles korrekt sein, und ein rein optischer / makroskopischer Vergleich ist hier ohnehin nicht ausreichend:

    Ok, schlecht erkennbar. Der entscheidende Teil:

    Also zumindest scheint R. alpicola dort vorzukommen und ist Teil des Flechten-Monitorings. Wie auch immer... es wird wohl bei einer "Mischung von Rhizocarpon-Arten" bleiben, schätze ich...

    Ach so, kannst Du was zu der grauen Flechte sagen, die zwischen den Rhizocarpon eingebettet ist (Bilder 6 - 8)? Sieht ja von der Struktur her eigentlich genauso aus wie die Gelbe. Ist diese abgestorben? Oder ist es eine graue Rhizocarpon-Art (scheint es auch zu geben)?

    Gruß,

    Codo

    PS: Da ich inzwischen wieder zu Hause bin, kann ich keine Proben mehr holen... Ohnehin sind meine Mikroskopier-Fähigkeiten begrenzt, ich bin froh, dass ich ganz leidlich Moose und Pilze mikroskopieren kann... Nur für's nächste Mal: Wie kriege ich denn bei Flechten die Sporen???

  • Hallo Codo,

    ja genau, Rhizocarpon gibt es auch in Braun und Grau, ich glaube sogar in Orange.

    Bei grauen Thalli wäre ich aber vorsichtig mit der Gattungszuweisung, graue Krustenflechten mit schwarzen Apothecien gibt es in vielen Flechtengattungen.

    Erstmal muss die Gattung bestimmt werden, auch dafür gibt es Schlüssel.

    Die graue Flechte kann schon eine Rhizocarpon sein.

    Aber ich würde mich nicht wundern, wenn bei einer genauen Betrachtung / Analyse etwas anderes herauskommt, denn es gibt sehr viele Flechtenarten und -gattungen!

    Dass die beiden gelbe Rhizocarponarten (R.a. und Rg.) dort vorkommen, steht auf dem Schild - da würde ich schon davon ausgehen, dass das auch stimmt.

    Die R. alpicola im Zentrum des Bildes auf der Tafel hat zusammenfließende und gekrümmte (sichelförmige) Areolen, in deren Zentrum die Apothecien stehen.

    Das meine ich aber auch bei der Flechte oben links im gleichen Foto so zu sehen.

    Naja - wie auch immer, das ist nicht so ganz einfach mit ein paar Fotos.

    Ich selbst habe auch noch nicht viele Rhizocarpon-Individuen, geschweige denn -arten gesehen und nur eine bisher bestimmt. :blush:

    Du kannst schon Recht haben mit deiner Zuordnung!

    Letztlich muss man sich durch den Schlüssel arbeiten, nur mit Fotos angucken kann zumindest ich die Flechten nicht bestimmen - tut mir leid.


    Du schreibst, dass du ein Mikroskop hast. Also bestimmt eines mit 100er Ölimmersionsobjektiv!

    Wenn du damit Pilze mikroskopieren und bestimmen kannst, kannst du auch Flechten mikroskopieren und bestimmen.

    Die Ascomyceten haben sogar gröbere Strukturen als die Basidiomyceten und eigen sich für den Anfang besser, wie ich finde.

    An die Sporen kommt man bei Flechten nicht über einen Abwurf.

    Flechten leben in anderen Zeiträumen als die zarten, weichen Fruchtkörper der Großpilze, bei denen alle Basidien und Schläuche nahezu gleichzeitig reifen müssen.

    In den Fruchtkörpern der Ascomyceten-Flechten gibt es einige reife Schläuche zwischen vielen unreifen Schläuchen, da die Asci nacheinenander reifen.

    An die Sporen kommst du über einen Fruchtkörper-Dünnschnitt.

    Hierfür benötigt man selbige Fruchtkörper, die du zuvor sortenrein pflücken und für die Analyse eindeutig zuordenbar aufbewahren musst!

    Ich mache von der Felchte unmittelbar vor der Probenentnahme ein Foto und anschließend von der Probe ein zweites Foto (zusätzlich zu den anderen Dokumentationsfotos).

    Häufig handelt es sich bei Krustenflechten nur um Apothecien mit ein wenig Thallus drum herum (Beispiel1, Beispiel2).

    Besser ist natürlich einen kleinen Stein mit der Flechte mitzunehmen.

    Du kannst auch mit Hammer und Meisel arbeiten.

    Wenn der Fruchtkörper schön weich ist, kannst du ihn als Ganzes unter dem Deckblättchen zerquetschen.

    Ist das Apothecium störrischer, muss man es vorher dünn schneiden:

    Ich feuchte die Fruchtkörper hierfür an und schneide mit einer scharfen Rasierklinge parallele Schnitte in ein Apothecium (wenn genug Substrat oder Thallus zum Festhalten vorhanden ist) und entnehme die dünnsten Scheibchen mit einer Nadel. Ansonsten quetsche ich zwei gestapelte Raiserklingen durch das Apothecium und entnehme aus dem Spalt dazwischen den Dünnschnitt, der leider meist dicker ausfällt als erhofft.

    Bild A3: Nach dem Schnitt unter der Stereolupe die auseinandergezogenen Rasierklingen, Blick frei auf "Dünnschnitt" dazwischen (Unterlage ist ein Objektträger).

    Suboptimal dick, aber man kann damit arbeiten... (Ist halt kein Mikrotom)

    Bedenke, dass du meist auch Material für die Chemie resp. Färbetests brauchst.

    LG, Martin

  • Auch hier nochmal vielen Dank, Martin, für die Tipps!

    Ja, 100er Ölimmersionsobjektiv ist vorhanden, aber wie gesagt, ich bin nicht der Erfahrenste im Umgang damit.

    Auf jeden Fall werde ich die Tipps zum Dünnschneiden von Flechten aufbewahren und mal sehen, wann sich eine Gelegenheit zum Ausprobieren ergibt.

    Für die oben gezeigten Flechten ist es natürlich zu spät, da bleiben wir nun wohl bei Rhizocarpon sp., mit starkem Verdacht, dass R. geographicum und alpicola dabei sind.

    Beste Grüße,

    Codo

  • Codo 2. August 2023 um 11:55

    Hat den Titel des Themas von „Welche Landkartenflechten im Riesengebirge?“ zu „Welche Landkartenflechten im Riesengebirge? => Rhizocarpon sp. (R. cf. geographicum, R. cf. alpicola)“ geändert.
  • Hallo Coco,

    das ist doch nicht schlimm, werden man wenig oder keine Erfahrung hat , dafür muss man sich auch nicht schämen!

    Jeder fängt mal.

    Durch das Selbermachen und Probieren lernt man schnell, durch den Austausch mit anderen hier in den Foren am meisten!

    Einfach machen und ggf. nachfragen. ;)

    LG, Martin

  • Vielen Dank, Martin, für die Aufmunterung... ;)

    Aber ich bin da auch völlig entspannt... Wenn es bis zur Art geht - toll! Wenn nicht, schade, aber auch nicht schlimm. Genau wie Du sagst, durch immer wieder probieren, neue Tools ausprobieren (seit einiger Zeit: KI), Austausch in Foren etc. lernt man ständig hinzu.

    Mein Haupt-Problem ist: Zu wenig Zeit... zum einen interessieren mich auch Insekten, Pflanzen und eigentlich alles, was ich in der Natur finde, zum anderen ist es gerade auf solchen Wanderung ja so, wenn man mit Familie oder Freunden unterwegs ist, kann man nicht ewig auf dem Boden herumkriechen und Fotos von allen Seiten machen, Proben nehmen etc. Die Zeit dafür ist nur, wenn ich allein unterwegs bin, und das kommt auch zu selten vor (Job, Familie, Haus...)

    Wahrscheinlich ein weit verbreitetes "Problem"... :)

    Eine letzte Flechte von der Polen-Tour wartet noch darauf, dass ich mir die Bilder genauer ansehe... Du wirst es in ein paar Tagen (hoffentlich!) hier sehen!

    Bis dahin,

    Gruß,

    Codo

  • Hallo Codo,

    da hast du uns einen tollen Flechtenfund/Mix gezeigt, habe die selber bisher auch noch nicht gefunden, super:).

    Wie Martin auch sagt, liegst du mit einer Rhizocarpon-Art ( die gelbgrüne Flechte ist mir auch nur durch Fotos bekannt ) wohl richtig, genaue Zuordnung nur durch Proben und Mikro, macht aber viel Spaß. Mir geht es dann wie dir, es klappt nicht immer alles nach Wunsch, immer nach dem Motto: Versuch macht klug.;)

    Ich habe oft auch nur Fotos dann sind uns eben Grenzen gesetzt.

    Habe noch einen interessanten Link mit viel Info über Flechten: Lichens marins .

    Dranbleiben und

    LG

    Bernd