Radioaktive Belastung von Waldprodukten

Es gibt 62 Antworten in diesem Thema, welches 43.759 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (3. Dezember 2016 um 17:14) ist von heisystec.

  • Moin, ThomasL,
    bei Gammaspektrometrie unterscheidet man
    A) energetische Kalibrierung und
    B) Empfindlichkeitskalibrierung.
    Erstere ordnet die unterschiedlich hohen Impulse einer Photonen-Energie zu, letztere trifft eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon überhaupt mit dem Detektor interagiert und dadurch messbar wird. B ist einerseits sensorspezifisch und andererseits von der Geometrie und Anordnung der Probe zum Sensor abhängig.

    Während es für die energetische Kalibrierung wichtig ist, ein Prüfmaterial mit möglichst nur einer oder zwei Emissionslinien zu haben damit man den Peak im Spektrum eindeutig einer Energie zuordnen kann (siehe meine 137Cs-Probe aus Maronen), muss man für eine Empfindlichkeitskalibrierung - und die ist für quantitative Messungen notwendig (nicht nur was ist drin, sondern wieviel...) möglichst bei unterschiedlichen Energien monoenergetische Prüfstrahler definierter Aktivität in definierter Geometrie zum Detektor einsetzen, um zunächst die sensorspezifische Empfindlichkeitskalibrierung vorzunehmen.
    Dies ist für meinen Sensor bereits geschehen, die Kurve steht im Datenblatt. Es ist sogar für Cs angegeben, wieviele Counts / minute pro µSv/h Dosisleistung erhalten werden: min 800 typ. 1000 max 1200 cpm bei 1.0 µSv/h @661,9 keV.
    Damit ist auch eine Aussage getroffen, ob die Apparatur überhaupt richtig misst: Die Gamma- Ortsdosisleistung (µSv/h) vom Bundesamt für Strahlenschutz für vergleichbare Küstenorte liegt zwischen 0.065 und 0.09 µSv/h. Was messe ich? Im 5- min Mittel zwischen 65 und 85 counts / min Nullrate. Wäre der Sensor also genau im Mittel der Spezifikation. Die Gamma-ODL lässt sich damit also schonmal nachvollziehen und selber monitoren.

    Um Aktivität quantitativ zu messen (spez.Aktivität Bq/kg, Zerfälle pro sek pro kg), muss man zusätzlich rückrechnen, wieviel Prozent des von der Probe kugelförmig ausgehenden Strahlungsfeldes überhaupt den Sensor selber treffen und damit eine Chance haben, gemessen zu werden. Das macht man bei einer Punktquelle duch die Raumwinkelabdeckung des Detektors. Da ich unabgeschirmt messe, brauche ich mir über Rückstreuung wenig Gedanken zu machen. Eine Kugel von 20 mm Radius hat eine Oberfläche von 4*pi*r2 = 5000 mm2, der Detektor eine Fläche von 8*8 mm = 64mm2. Die Raumwinkelabdeckung beträgt damit 1,28%, wenn meine Punktquelle in 20mm Abstand zur Detektoroberfläche sitzt.
    Die Sensor-Einfangwahrscheinlichkeit für Photonen der Energie 661 keV (137Cs) beträgt etwa 14% (Datenblatt). Das Cs137 wiederum sendet seine Gammalinie mit 85% Wahrscheinlichkeit je 100 Zerfälle.
    Die Zählrate liegt mit Pilzasche bei 200 cpm, Nullrate bei 70 cpm, gehen 130 cpm auf die Braunkappen.
    130 cpm / 60s = 2,16 cps (gezählte Ereignisse per sek)
    2,16 cps * 5000mm2 / 64mm2 = 169 cps, wenn der Detektor die Probe komplett umhüllen würde.
    169cps * 100 / 14 % = 1207 cps, wenn der Detektor nicht nur 14% sondern 100% Einfangwahrscheinlichkeit bei 661 keV hätte.
    1207 cps * 100 / 85 % = 1420 cps, wenn nicht nur 85 % aller 137Cs - Zerfälle ein Gammaquant aussenden würde.
    Rohmasse Braunkappen: 1 kg.
    Verluste durch Veraschung: grob geschätzt ca 20%
    1420 Bq / 800g * 1000 = spezifische Aktivität von rund 1800 Bq/kg

    Auch wenn obige Hochrechnung mit vielen Fehlerquellen behaftet ist, so ist sie doch kein kompletter Unsinn.
    Sie ist nur eine grobe Abschätzung, und kann eine Aktivitätsmessung mit amtlich geeichten Messinstrumenten und genormten Prüfverfahren selbstverständlich nicht ersetzen. Aber als grobe Abschätzung reicht mir das, um zu sagen:
    Gut, dass ich diese Maronen nicht verzehrt habe.

    Und die Frage, woher, erübrigt sich. Dass es fast ausschließlich Cs-137 ist, ist im Spektrum erkennbar. 137Cs entsteht durch Spaltung von Urankernen durch Neutroneneinfang (Atomreaktor / A-Bombe).
    Und da bei Rathenow höchstwahrscheinlich Übungen mit Atomartillerie doch aufgefallen wären, bleibt nur: Tchernobyl...

    Achso dawarnoch:
    Die Eichkurve aus dem Datenblatt kann man übrigens verifizieren, indem man eine Kohlecomprette zu einem Stück Uranpechblende ein paar Tage in ein kleines Einmachglas legt. Die sammelt dann das ganze ausgedünstete Radon ein. Innerhalb weniger Tage stellt sich darauf dann das Isotopengleichgewicht der Uran-Zerfallsreihe ab Radon ein, ein hervorragender Prüfstrahler, mit einem wohldefinierten Intensitätsverhältniss (Emissionswahrscheinlichkeiten) der zu erwartenden Gammalinien von :
    214Pb: 7.3% @242 keV, 18.5% @295 keV, 35.6% @ 352 keV
    214Bi: 45.5% @ 609 keV, 14.9% @1120 keV, 15.3% @ 1765 keV
    Legt man die Sensor-Eichkurve aus dem Datenblatt an das gemessene Spektrum an, so erhält man mit guter Übereinstimmung die obigen %Peakhöhen (Bezogen auf Basislinie)

    Weil ich die Maronen im frisch-Zustand auf einem empfindlichen Betacounter liegen hatte, und da bereits etwa 1,3-fache Nullrate maß (137Cs ist auch Betastrahler), erlaubt mir dies nun eine erste Abschätzung direkt am Pilzkorb.
    Beruhigend ist auch, ich in den direkt neben den Maronen gesammelten Täublingen kein Cs fand, ebenso wie im Rötelritteling(?) (400 g roh) und im Scheidenstreifling (300g roh).
    Ich gehe ja nicht Pilze sammeln, um sie dann erstmal einzusenden, sondern um sie zu essen! :)

    Was ich jetzt mit einem deutlich sichereren Gefühl machen kann.

    Joern.

    P.S.: Die 500g Pfifferlinge aus Russland (Frischware, Reichelt / Berlin) waren auch ok.
    Die hier in Polen gekauften Moosbeeren (200g, getrocknet, Herkunft nicht auf der Verpackung) allerdings sind mir zu heiß...

  • Hallo Joern,

    danke für die ausführliche Erläuterung. :agree:
    Mein Fazit bleibt aber, es wäre interessant dieser Sache weiter nachzugehen, wie oben beschrieben.
    Das dazu erforderliche Hintergrundwissen hast Du ja. Nimm doch einfach mal unverbindlich Kontakt mit dem Umweltinstitut in München auf.

    Viele Grüße
    Thomas

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Zitat von ThomasL pid='28347' dateline='1451491374'

    ... Nimm doch einfach mal unverbindlich Kontakt mit dem Umweltinstitut in München auf.

    Viele Grüße
    Thomas

    ... hab ich vorhin gemacht, mit Link auf dieses Forum/Thema, verbunden mit der Frage, ob sie meinen Wert als plausibel erachten.

    Ich wäre ja hinsichtlich eigener Eichmöglichkeit scharf auf eine Probe amtlich vermessener Wildschweinkeule, die ja Cs - nochmal rund 10-fach gegenüber den Pilzen aufkonzentriert (kann ruhig gammlig sein, wird sowieso verascht...).
    Dann könnte ich sehen, ob ich zumindesz zu ähnlichem Ergebniss komme. Leider vernichtet das Umweltinstitut jedoch die Proben nach Messung...

    Guten Rutsch
    Joern

  • Zitat von Kowalski pid='28338' dateline='1451436788'

    Hallo Joern,

    Zu 3.: ich seh das so: Klar will kein offizielles Instititut großen Ärger vom Zaun brechen. Es verhält sich diplomatisch oder anders: es sucht den Durchschnitt und eben nicht den Hotspot.
    D. h. die werden sich kaum in den Hotspot reinsetzen und dort extra kontaminierte Proben ziehen.


    Naja, beim Umweltinstitut München - kannte die auch nicht so vorher, sieht es jetzt eher so aus, dass sie wesentlich als NGO agieren. Also nur der Wahrheit verpflichtet, spendenbasiert. Letzteres birgt jedoch auch Möglichkeiten einer Abhängigkeit.

    Zitat


    Zu 6: Das ist wirklich interessant. Sammelt sich das wirklich in dem Hutfarbstoff. Muss eine chemische Ursache haben. Aber welche? :)

    fand gerade eben einen Patentartikel über einen Ionenaustauscher der Poly-Phenole als hydrophile (wasserliebende) sehr Cs-spezifische Komplexoren oder Bindungsmaterial beschreibt. Zum Zweck der spezifischen Cs-Bindung in industriellen Strömen, die gleichzeitig weitere Alkali-Elemente enthalten.
    Polyphenole sind oft auch wasserliebende Farbstoffkomponenten (spekulativ : Hutfarbstoff?). Metabolisch sollte speziell Cs im Pilzstoffwechsel eher keine Rolle spielen, da das Element einfach zu selten ist. Da sind schwere Elektronendonatoren wie Fe, V, Cd in den Pilz-Enzymen schätzungsweise eher relevant (Pilze = Schwermetallsammler, wegen Proteingehalt?). Als eigentlichen Grund für die hohen Radio-Cs-Gehalte bei Maronen kenn ich nur die Sammelleidenschaft der Marone für das Kaliumion. Das ist in der geichen Hauptgruppe wie Cs, nämlich der ersten. Den Alkalimetallen. Allerdings viel größer und schwerer. Wird dennoch gleich mitgesammelt.
    Aber wofür die Marone das viele Kalium braucht ? k.A.
    Da käme mir ein Metabolismusspezialist mit weiteren Informationen gerade recht hier.... ;)

    L.G. Joern

    P.S.: Zwei Messungen von Maronen des Umweltinstitutes München, einmal mit und einmal ohne Huthaut vom gleichen Standort aus dem Jahr 2013 deuten darauf hin, dass die Huthaut doch nicht sooooo viel mehr davon aufkonzentriert... :rolleyes:

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (30. Dezember 2015 um 21:05)

  • Zitat

    ... hab ich vorhin gemacht, mit Link auf dieses Forum/Thema, verbunden mit der Frage, ob sie meinen Wert als plausibel erachten.

    :agree:

    Auch von mir einen guten Rutsch. Nebenbei, die letzte Marone habe ich am 2. Weihnachtsfeiertag gefunden.

    Bestimmungsvorschläge sind immer unter Vorbehalt. Auf keinen Fall sind eine Freigabe zum Verzehr.

  • Hallo Joern, Hallo Thomas,

    ihr habt mich da jetzt echt erwischt, weil ich bezüglich Umweltinstituts München und dem NGO-Background nicht so kundig bin, und auch NGO für mich nicht gleich "gut und objektiv" heißt.

    Trotzdem möchte ich das verteidigen: man muss erst mal Leute finden, die die Zeit haben eine Messung zu wiederholen, und anhand von GPS-Daten, mit Pilze sammeln, einäschern usw … ist schon recht aufwändig.

    Aber ich bin gespannt wie das weitergeht, ein Kontakt ist hergestellt, ein Interesse seitens der Pilzsammler ist da und von daher auch ein gewisser Druck, Messungen zu überprüfen. Und von daher finde ich das gut, Joern, dass du das ins Rollen gebracht hast.

    Dein "Phenoltheorie" bezüglich der Farbe ist ein interessanter Denkansatz. :)
    Ich denke die "Messungs-Geschichte" ist jetzt richtigen Bahnen, jetzt geht es darum wie es weitergeht. Ich finde das spannend. Auch deine Aussage zu den Wildfleisch-Proben ist sehr interessant. Zusammen mit meinen Erfahrungen, dass eben Wild als nicht mehr soo belastet betrachtet wird. Ich bin sehr skeptisch in dieser Frage. Mich persönlich betrifft das jetzt nicht, da wenige Wild esse, aber interessant ist es allemal.

    LG Fred

    langsam fange ich an wie ein Pilz zu denken...

  • Hallo, Fred,

    ich hatte ja auch das Umweltinstitut München zunächst nicht als "unabhängige" Korrektur/Ergänzung zu "offiziellen" Angaben auf dem Schirm.
    Was das Wildschwein angeht: Die Maronen sammelns Cs von der Fläche aus der Humusschicht, die Wilschweine fressen im Gegensatz zu den Wiederkäuern eben lieber Pilze als Gras und junge Triebe.
    Dann geht's halt die Nahrungskette hoch, wobei sicherlich auch viel vom lokalen und gerade aktuellen Nahrungsangebot sowie vom Alter des Tieres abhängt. Bin jetzt nicht ganz sicher, ob 137Cs auch eine Verweildauer (Halbwertszeit) im Körper hat. 90Sr wird ja als Ca-Analogon in die Knochen eingebaut und bleibt da.
    Beim Wildschwein findet sich das Cs auf jeden Fall im Muskel.

    Guten Rutsch ... :party:


    Joern

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (31. Dezember 2015 um 18:03)

  • Neues von der 137Cs-Gammaspektrometrie für den Hausgebrauch... :wink:

    War heute, letzter Urlaubstag mal bisserl von der Kolberger Ostsee-Küste weg, nach Süden die Persante hoch (Mückenplage unerträglich, jede Menge Zecken-Nymphen in der Hose) in den Kiefern-Wald bei Dygowo - wie das früher mal hieß, hab ich jetzt nicht parat.

    Im Dickicht unterwegs auf Wildwechseln fand ich tatsächlich Maronen (Ende Juli bereits...!), so etwa 500g insgesamt.

    Nur die Hälfte davon war nach Putzen reif fürs Einwecken, die vermadeten Teile sowie die Huthäute gingen sofort in den Herd zum trocknen.

    Und danach ins Gammaspektrometer.

    Und das vorläufige Ergebniss ist, dass die pommersche Küste hier von Tchernobyl so gut wie nichts abbekommen hat, in der Kolberger Gegend. Die Count Rate mit dem getrockneten Maronenpulver mag mit gutem willen 10% höher als normal sein, aber ist unterhalb der Messunsicherheit, im Spektrum erkennt man zwar eine Häufung der Pulse bei 662 keV, jedoch nicht deutlich signifikant über dem Rauschen der Bleiabschirmung.

    Fazit: hier ist nur saubere Ware aus dem Wald - anders als aus der Gegend westlich Rathenows

    Liebe Grüße

    Joern

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (31. Juli 2016 um 23:00)

  • Liebe Pilzfreunde,

    aus aktuellem Anlass, nämlich für einen Nutzer dieses Forums lade ich hier eine Karte mit der Kontamination des ostholsteinischen Hügellandes hoch, die infolge des Reaktorunfalls in Tchernobyl erfolgte.

    Die Karte ist kombiniert aus einer Karte des Bundesamtes für Strahlenschutz und Google Earth. Sie zeigt einen Bereich der Bodenkontamination mit Tchernobyl-Fallout in Ostholstein, wobei die am stärksten kontaminierte Zone westlich Ratekau seinerzeit ein Aktivität um 40 kBq/m² aufwies, was heute gemäß Halbwertszeit noch 20kBq / m² entsprächen. Anhand der per Google Earth eingeblendeten Straßen ist eine Vermeidung der immer noch kontaminierten Wälder möglich.

    Liebe Grüße

    Joern

    P.S. nur 0.01 bis 0.2% des damaligen Reaktorinventars war 137 Cs, was da in der Karte gemessen wurde, aber den Rest hat es dort auch abgeregnet...(Pu, U, Np, Am, Sr, usw...) 137 Cs ist nur ein Kontaminationsindikator.

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (15. August 2016 um 19:17)

  • Vielen Dank für die Karte Joern.
    Mitte September schaffe ich es vllt. mal, in diesem Hotspot Lacktrichterlinge und/oder Maronen zu sammeln und sie dir zu schicken. Ende September bin ich im Oberharz, da hoffe ich dann auch noch auf reichlich Probenmaterial.
    Die Ergebnisse werden hier sicherlich viele interessieren. Mich hat beruhigt, dass sich meine angestammten Sammelgebiete doch eher im unbedenklichen Bereich befinden.
    Ich möchte das og Wildschweinthema noch mal aufgreifen. Die Theorie besagt, dass Wildschweine im Bereich der Kontminationshotspots besonders belastet sind, weil sie nicht nur generell Pilze gerne fressen - das tun Wildwiederkäuer durchaus auch mal- sondern ganz besonders gerne Hirschtrüffeln. Hirschtrüffel sind zwar für den menschlichen Verzehr nicht geeignet, die Frage stellt sich aber, ob T. aestivum ähnliche Beslatungen aufweist. Ich werde das während meines Trüffelkurses im November auf jeden Fall ansprechen. Vllt. gibt es ja dann ein paar Proben aus den Plantagen.
    Bei den Wildschweinen selbst müsste man unbedingt auch Wildschweinleber und -nieren durchmessen, nicht nur Keulenfleisch.
    Saskia

  • Ok. Oberharz. Die Karte des Bundesamtes für Strahlenschutz unter Google Earth gelegt...

    östlich Göttingens im westlichen Harzvorland wurden seinerzeit ca 10 kBq/m² gemessen, heute die Hälfte übrig (wenn die seinerzeitige Messung stimmt)
    Das ist so ziemlich die einzige mit heutigen Internet-Informationen lokalisierbare Stelle von Tchernobyl-Kontamination im Harz
    Der größte Teil des Harzes bis auf einen kleinen Streifen am westlichsten Rand SW-lich Goslars sollte eigentlich weitgehend frei von Kontamination sein, wenn denn die damalige Karte des BfS stimmt.

    Warum soll sich 137Cs in den Nieren oder der Leber ansammeln? Meines wissens ist es als Kaliumanalogon in den Musklen bestens aufgehoben, mit einer physiologischen Halbwertszeit von ca 3 Monaten.
    Die radioaktivsten Wildschweine gibt es also regelmäßig anfang Januar.

    Joern

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (16. August 2016 um 21:51)

  • Hallo, liebe Mitforisten,

    aktuell beginnen hier in den Hinterpommerschen Wäldern um Kolberg (aka KOLOBRZEG) die Maronen zu sprießen. Was nicht gleich von den Wildschweinen weggefressen wurde kam in den Korb, und danach gestern zunächst für eine Nacht unter den Gammaspektrometer-Messkopf:

    Das Spektrum:

    ist sowas von sauber an der Stelle, wo die 137Cs-Linie zu erwarten ist.
    Hier um Kolberg ist nichts. Nichts und wieder nichts. Das ist jetzt die dritte Probe von unterschiedlichen Wäldern dieser Gegend.

    Die Zählraten unabgeschirmt unterscheidet sich nicht signifikant, im 10 -min-Mittel über 12 Stunden mit Maronen: 81.6 CPM, ohne Maronen 79.6 CPM. Im Bereich der natürlichen Schwankung.

    Bei den Maronen aus Rathenow letzten Herbst hatte ich bereits bei Frischware um den Messskopf beinahe 50% erhöhte Zählrate...

    Jetzt werden die Maronen sauer eingelegt ;) (Korb war zu voll)

    Joern

  • Kaliumverbindungen werden über die Niere mit dem Harn ausgeschieden und die Transaminiereung und Umbau der Muskeleiweiße erfolgt in der Leber. Ich weiß, dass Wildscheinkörper untersucht wurden, deren Muskulatur noch ok war deren Leber aber verworfen werden musste.
    Mein Sammelschwerpunkt im Harz liegt am Nordrand von St. Andreasberg, ist auf der Karte hellrosa, also nicht ganz unbelastet. Ich schicke dir auf jeden Fall Maronen aus dem Gebiet.
    Ich glaube auch, dass die Schwermetallbelastung aufgrund der uralten Bergbauhalden im Harz das eigentlich größere Problem in den Pilzen ist. Dazu, welche Pilzarten welche Schwermetalle ganz besonders anreicherrn, habe ich leider gar keine Infos.
    Saskia

  • Kalium spielt eine sehr große Rolle bei der Reizleitung in Nervenzellen. Ausgeschieden wird's wie alle Alkalimetalle höchstwahrscheinlich als Chlorid, wie Natrium. Der Größenunterschied von Cs zu Kalium macht an der Blut-Harnschranke jedenfalls keinen Unterschied zu jenem - die lässt nur die Anionen nicht so leicht durch (Chlorid ist so klein, das darf dann auch...) und begrenzt stufenweise auf 3 nm, Ethanol und sowas kommt da locker noch durch.
    Neu für mich: Existieren im Körper noch andere Kaliumverbindungen als das K+ Ion mit Hydrathülle?
    Interessant ist die Sache mit der Wildschweinleber. Hat Leber eigentlich auch generell einen erhöhten Kaliumgehalt gegenüber den Muskeln?
    Es könnte ja auch sein, dass das Cs von bestimmten Stoffen so fest und passend komplexiert wird (in der Marone), dass es sich in der Leber anreichert, weil diese Cs-Träger-Stoffe - ich denke an Polyphenole - dann im Wildschwein in die Leber gelangen, wo sie abgebaut werden, und dabei ein Cs-Reservoir dort hinterlassen.

    LG
    Joern

    P.S.: Das mit den Harz-Maronen wäre Spitze! Am besten getrocknet, was nicht mehr essbar ist, Maden bitte mittrocknen, nicht dass sich die mit dem 137Cs auf und davon machen... ;) Adresse per PN...

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (19. August 2016 um 19:53)

  • und hier noch ein Differenz-Gammaspektrum mit 60 kcnt von den Maronen abzüglich 58kcnt Hintergrund ohne Maronen um den Detektorkopf.

    Was man sieht, ist nur das Ergebniss der starken Regenfälle hier von vorgestern Abend, dass bei den Radon-Tochterisotopen der U238-Zerfallsreihe (610keV, 214Bi) ein klein wenig mehr kommt als jetzt bei der Leermessung unabgeschirmt. Die 137Cs-Line dagegen: Fehlanzeige. Der Rest links im niedrigenergetischen Bereich um 150 keV ist : erstmal fehlen noch 2500 counts bis zum Gleichstand Messung / Hintergrund, zum andern: Schwankungen in der natürlichen Hintergrundstrahlung.

    Tchernobyl ist an der pommerschen Ostseeküste hier bei Kolberg nachweislich spurlos vorübergegangen.

    Jorn

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (19. August 2016 um 19:58)

  • Zitat von DocMarten pid='32512' dateline='1471600328'

    ...
    Mein Sammelschwerpunkt im Harz liegt am Nordrand von St. Andreasberg, ist auf der Karte hellrosa, also nicht ganz unbelastet. Ich schicke dir auf jeden Fall Maronen aus dem Gebiet.
    ...

    Na, am Nordrand sollte laut BfS-Karte eigentlich alles fast sauber sein heute noch so um 1.5-3 kBq /m² 137 Cs
    Im Süden von St' Andreasberg dagegen nicht...

  • Zum Vergleich nochmal so ein Spektrum bereits bei nur 2000 cnt, knapp 20 min gelaufen mit Maronen-Resten aus Rathenow:
    (Sensor in Bleiabschirmung)
    Leer-Counts bei 14 CPM, mit der probe: 90 counts per minute,

    Man sieht deutlich, dass die Rathenow-Marone nicht nur die 137-Cs-Line bei 660 keV strahlt, sondern genausoviel auf der aus der U-238 Zerfallsreihe, 214Bi bei 610 keV. Also das obige Spektrum innerhalb der ersten 15-120 Jahre typisch für ein von einem KKW-GAU verseuchtes Gebiet, detektiert anhand der Marone.

    Es wäre durchaus interessant, zu wissen, wie das bei bayrischen Maronen zwischen Ingolstadt und Augsburg ausschaut...

    Liebe Grüße

    Joern

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (19. August 2016 um 23:52)

  • @Wuhlepilzeundco:
    Gibt's in Brandenburg/MäckPomm und an der Wuhle auch schon Maronen?
    Wieder Wildschwein aus der Choriner/Eberswalder Gegend? Weil: mit hoher Wahrscheinlichkeit lecker, lecker, und, darüberhinaus:

    Genau so unbelastet wie die Maronen und Wildschweine die hier um Kolberg wachsen bzw ihr Unwesen treiben ;)
    (von mir in der hiesigen Marone nichts nachweisbar)

    Schau mal den Vergleich der vom BfS seinerzeit gemessenen Flächenkontamination für Rathenow (wo ich letzten Herbst 1 kg Maronen sammelte) sowie die Wuhle und für die Choriner Gegend an:

    wenn man weiß, dass die stärkste Färbung bei Rathenow 40 kBq / m² war heute noch 20, dann weiß man auch, dass diese hellrosa-Färbung alles unter 5kBq/m² , heute noch max 2500 Bq/m² bedeutet. Wenn so eine Marone einen Quadratmeter Waldboden besetzt, und tatsächlich alles aufsammeln würde an Cs was es da gibt, hätte sie im Prinzip (Mycel + Fruchtkörper) im Mittel 1250 Bq aufgesammelt.
    Fragen an die Mykologen:
    Wieviel Prozent Gewichtsanteil ist im Mycel der Marone, wieviel im Fruchtkörper?
    Wie groß ist das Mycel in der Fläche?

    Liebe Grüße

    Joern

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (21. August 2016 um 19:55)

  • Ein Ende ist noch über, der Rest schon verspeist,
    Die Wildschweinwurst von Bekannten aus Stettin.
    Ist wohl aus der Stettiner Heide, kennt die noch jemand: Ein riesiges, sandiges Kiefern-Waldgebiet östlich Stettins.

    Was das Gammaspektrometer mit dem Wurstende auf dem Sensor hergibt, ist eine gerade knapp sichtbare Erhöhung der counts auf der zuvor mit Rathenow-Marone geeichter 137Cs-Gammalinie bei unsignifikant um 5 % erhöhter Zählrate:

    es fehlt jetzt noch der Abzug des Leerspektrums, um eine halbquantitative Aussage zu treffen.
    Aber lecker war sie allemal...

    Joern

  • Hallo, liebe Pilzgemeinde,

    weil ich noch etwas mehr Material zur Herstellung einer 137Cs-Eichquelle für meine Gammaspektrometrie brauchte, war ich gestern nocheinmal morgens von Berlin nach Rathenow gefahren, um Maronen zu sammeln:
    In 4 Stunden genau 6 kg!

    Es tut mir in der Seele weh, wenn ich diese Pilze sammle, nicht etwa um sie anschließend zu verspeisen, sondern um daraus Proben herzustellen. Denn zum Verzehr empfehlen würde ich sie nur in geringen Mengen. Da war alle 5 Schritte eine Marone, und das flächendeckend. Nach einem Waldkilometer, und Sammelbreite von ca 8 m resultierend 6 kg Rohware.

    Der ist jetzt in 2-kg-Portionen im Backofen, um sein Wasser zu verlieren.
    und der Messkopf, auf die verbleibenden 4 kg aufgelegt, zeigt auch bereits ohne weitere Anreichung die 137 Cs-Linie bei 662 keV:

    Die Zählrate (125 cpm) liegt dabei bereits 25% oberhalb der Nullrate (95 cpm).
    Auch in diesem Spektrum ist deutlich zu erkennen, dass die aus der Uran 238-Zerfallsreihe stammende 214-Bi-Linie bei 610 keV fast genauso intensiv ist wie die 137Cs-Linie. D.h. das Cs ist nur ein Indikator für den Fallout, der alle anderen Reaktorbestandteile (238U, 235U, 239Pu, Europium, Neptunium, Americium usw.,, usw) genauso enthielt wie das 137Cs.

    Bin sehr gespannt, wie die Anreicherung der Cs-Probe verlaufen wird, ich werde diesmal versuchen, das 137 Cs gezielt von den Schwermetallen abzutrennen.

    Zur Sammelstelle:
    Genau im Zentrum der höchsten Kontamination westsüdwestlich Rathenows. Die Koordinaten sind:
    52°33'48"N 012°12'33"E bis 52°34'38"N 012°12"03"E und zurück.

    Ich hatte diesmal das mobile Gammaspektrometer mit, um die Ortsdosisleistung in jener Gegend auf auffällige lokale Unterschiede hin zu untersuchen. Und die waren tatsächlich vorhanden. Verifiziert durch hin- und Rückweg. Die Gamma-ODL schwankte tatsächlich im 10 min-Mittel ortsabhängig zwischen 0.055 µSv / h und 0.085 µSv/h. Und erstaunlicherweise: an den Stellen, wo ich eine hohe Gamma-Ortsdosisleistung nahe dem Boden verzeichnete, waren die meisten Maronen.

    Zu den 6 kg Maronen kamen noch 600g Kahler Krempling, an einer der am höchsten belasteten Waldstellen mit 0.085µSv/h ODL. Der Kahle Krempling ist auch bekannt als Cs-Sammler.

    Liebe Grüße

    Joern

    Einmal editiert, zuletzt von heisystec (16. Oktober 2016 um 19:15)

  • Alles vergeht ?
    Wieso das denn?
    Ich hab im gleichen Gebiet gestern zwei wunderhübsche Butterpilze (von 10) eingesammelt und eine krause Glucke (von drei gesichteten). Die landen selbstverständlich in der Pfanne.
    137 Cs hat eine Verweildauer von ca 3 Monaten im menschlichen Körper.
    Na ja, das 90Sr länger (Knocheneinlagerung...) insofern hast du recht:
    In vielen Gebieten Bayerns sollte man keine Maronen oder 90Sr-Sammler sammeln.
    Nur hab ich noch keine Veröffentlichung gesehen, in denen unter den Pilzen 90Sr-Sammler benannt werden. Die kann man leider nur mit Beta-Countern erkennen, nicht mit einem Gamma-Spektrometer.

    Joern

  • die Krause Glucke lagert sicher nicht viel ein - ich bevorzuge ja auch die Schopftintlinge aus diesem Grund.
    Strontium-Sammler? Gibt es eine Liste? LgK

    langsam fange ich an wie ein Pilz zu denken...