Moin, ThomasL,
bei Gammaspektrometrie unterscheidet man
A) energetische Kalibrierung und
B) Empfindlichkeitskalibrierung.
Erstere ordnet die unterschiedlich hohen Impulse einer Photonen-Energie zu, letztere trifft eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon überhaupt mit dem Detektor interagiert und dadurch messbar wird. B ist einerseits sensorspezifisch und andererseits von der Geometrie und Anordnung der Probe zum Sensor abhängig.
Während es für die energetische Kalibrierung wichtig ist, ein Prüfmaterial mit möglichst nur einer oder zwei Emissionslinien zu haben damit man den Peak im Spektrum eindeutig einer Energie zuordnen kann (siehe meine 137Cs-Probe aus Maronen), muss man für eine Empfindlichkeitskalibrierung - und die ist für quantitative Messungen notwendig (nicht nur was ist drin, sondern wieviel...) möglichst bei unterschiedlichen Energien monoenergetische Prüfstrahler definierter Aktivität in definierter Geometrie zum Detektor einsetzen, um zunächst die sensorspezifische Empfindlichkeitskalibrierung vorzunehmen.
Dies ist für meinen Sensor bereits geschehen, die Kurve steht im Datenblatt. Es ist sogar für Cs angegeben, wieviele Counts / minute pro µSv/h Dosisleistung erhalten werden: min 800 typ. 1000 max 1200 cpm bei 1.0 µSv/h @661,9 keV.
Damit ist auch eine Aussage getroffen, ob die Apparatur überhaupt richtig misst: Die Gamma- Ortsdosisleistung (µSv/h) vom Bundesamt für Strahlenschutz für vergleichbare Küstenorte liegt zwischen 0.065 und 0.09 µSv/h. Was messe ich? Im 5- min Mittel zwischen 65 und 85 counts / min Nullrate. Wäre der Sensor also genau im Mittel der Spezifikation. Die Gamma-ODL lässt sich damit also schonmal nachvollziehen und selber monitoren.
Um Aktivität quantitativ zu messen (spez.Aktivität Bq/kg, Zerfälle pro sek pro kg), muss man zusätzlich rückrechnen, wieviel Prozent des von der Probe kugelförmig ausgehenden Strahlungsfeldes überhaupt den Sensor selber treffen und damit eine Chance haben, gemessen zu werden. Das macht man bei einer Punktquelle duch die Raumwinkelabdeckung des Detektors. Da ich unabgeschirmt messe, brauche ich mir über Rückstreuung wenig Gedanken zu machen. Eine Kugel von 20 mm Radius hat eine Oberfläche von 4*pi*r2 = 5000 mm2, der Detektor eine Fläche von 8*8 mm = 64mm2. Die Raumwinkelabdeckung beträgt damit 1,28%, wenn meine Punktquelle in 20mm Abstand zur Detektoroberfläche sitzt.
Die Sensor-Einfangwahrscheinlichkeit für Photonen der Energie 661 keV (137Cs) beträgt etwa 14% (Datenblatt). Das Cs137 wiederum sendet seine Gammalinie mit 85% Wahrscheinlichkeit je 100 Zerfälle.
Die Zählrate liegt mit Pilzasche bei 200 cpm, Nullrate bei 70 cpm, gehen 130 cpm auf die Braunkappen.
130 cpm / 60s = 2,16 cps (gezählte Ereignisse per sek)
2,16 cps * 5000mm2 / 64mm2 = 169 cps, wenn der Detektor die Probe komplett umhüllen würde.
169cps * 100 / 14 % = 1207 cps, wenn der Detektor nicht nur 14% sondern 100% Einfangwahrscheinlichkeit bei 661 keV hätte.
1207 cps * 100 / 85 % = 1420 cps, wenn nicht nur 85 % aller 137Cs - Zerfälle ein Gammaquant aussenden würde.
Rohmasse Braunkappen: 1 kg.
Verluste durch Veraschung: grob geschätzt ca 20%
1420 Bq / 800g * 1000 = spezifische Aktivität von rund 1800 Bq/kg
Auch wenn obige Hochrechnung mit vielen Fehlerquellen behaftet ist, so ist sie doch kein kompletter Unsinn.
Sie ist nur eine grobe Abschätzung, und kann eine Aktivitätsmessung mit amtlich geeichten Messinstrumenten und genormten Prüfverfahren selbstverständlich nicht ersetzen. Aber als grobe Abschätzung reicht mir das, um zu sagen:
Gut, dass ich diese Maronen nicht verzehrt habe.
Und die Frage, woher, erübrigt sich. Dass es fast ausschließlich Cs-137 ist, ist im Spektrum erkennbar. 137Cs entsteht durch Spaltung von Urankernen durch Neutroneneinfang (Atomreaktor / A-Bombe).
Und da bei Rathenow höchstwahrscheinlich Übungen mit Atomartillerie doch aufgefallen wären, bleibt nur: Tchernobyl...
Achso dawarnoch:
Die Eichkurve aus dem Datenblatt kann man übrigens verifizieren, indem man eine Kohlecomprette zu einem Stück Uranpechblende ein paar Tage in ein kleines Einmachglas legt. Die sammelt dann das ganze ausgedünstete Radon ein. Innerhalb weniger Tage stellt sich darauf dann das Isotopengleichgewicht der Uran-Zerfallsreihe ab Radon ein, ein hervorragender Prüfstrahler, mit einem wohldefinierten Intensitätsverhältniss (Emissionswahrscheinlichkeiten) der zu erwartenden Gammalinien von :
214Pb: 7.3% @242 keV, 18.5% @295 keV, 35.6% @ 352 keV
214Bi: 45.5% @ 609 keV, 14.9% @1120 keV, 15.3% @ 1765 keV
Legt man die Sensor-Eichkurve aus dem Datenblatt an das gemessene Spektrum an, so erhält man mit guter Übereinstimmung die obigen %Peakhöhen (Bezogen auf Basislinie)
Weil ich die Maronen im frisch-Zustand auf einem empfindlichen Betacounter liegen hatte, und da bereits etwa 1,3-fache Nullrate maß (137Cs ist auch Betastrahler), erlaubt mir dies nun eine erste Abschätzung direkt am Pilzkorb.
Beruhigend ist auch, ich in den direkt neben den Maronen gesammelten Täublingen kein Cs fand, ebenso wie im Rötelritteling(?) (400 g roh) und im Scheidenstreifling (300g roh).
Ich gehe ja nicht Pilze sammeln, um sie dann erstmal einzusenden, sondern um sie zu essen!
Was ich jetzt mit einem deutlich sichereren Gefühl machen kann.
Joern.
P.S.: Die 500g Pfifferlinge aus Russland (Frischware, Reichelt / Berlin) waren auch ok.
Die hier in Polen gekauften Moosbeeren (200g, getrocknet, Herkunft nicht auf der Verpackung) allerdings sind mir zu heiß...