Gifthäubling (?) - was wird aus dem Gift in freier Natur?

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 1.525 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (20. Februar 2023 um 15:06) ist von Inscitus.

  • Hallo liebe Fachleute!

    Ich wohne in der schönen Pfalz (bis 1946 bayerische Kolonie ;)) und bin - wie mein Nutzername sagt - inscitus, also (absolut) unwissend, was Pilze angeht. Und - um es gleich vorwegzunehmen - es geht mir hier auch nicht um das Essen von Pilzen.

    Als ich letzten Herbst (Anfang Oktober) meinen Rasen (AKA Unkrautwiese) im Garten zum letzten Mal gemäht habe, ist mir ein Grüppchen eigentlich hübscher Pilze aufgefallen. Ich habe drumherumgemäht und sie fotografiert. Das war's für damals. Jetzt wollte ich mal wissen, was da gewachsen war (mittlerweile sind sie natürlich weg) und bin auf Stockschwämmchen oder Gifthäubling gestoßen. Der (mögliche) Gifthäubling hat mich wegen seiner Gefährlichkeit auf eine Frage gebracht: Was pssiert eigentlich mit dem Gift, wenn der Pilz zerfällt. Kochen zerstört es ja nicht, die Magensäure auch nicht. Bleibt es wegen seiner chemischen Stabilität erhalten - z. B. im Boden - und kann ggf. an den Schuhen verschleppt oder beim Mähen eingeatmet werden?

    Ich versuche, meine Bilder mal anzuhängen (erster Versuch ist fehlgeschlagen), weiß allerdings (jetzt), dass sie zur Bestimmung nicht viel taugen. Die Stelle, wo die Plize wuchsen, ist stark vermoost, also ziemlich sauer und liegt ca. 2 Meter von einem Nadelholzbaumstumpf entfernt. Vielleicht befindet sich auch ein Stück Rinde in der Erde. Die "beschädigten" Pilze haben wohl einer Schnecke geschmeckt (verdächtige Schleimspuren).

    Wäre euch dankbar für ein paar Infos.

    Liebe Grüße

    Inscitus







  • Hallo Inscitus,

    über dein Problem habe ich selbst noch gar nicht nachgedacht. Ich meine aber, dass das Gift bei Giftpilzen nach der Zersetzung der Selbigen entweder im Boden oder im Holz aufgeht bzw. sich umwandelt durch den Einfluss anderer Substanzen. Die Möglichkeit, dass es an deinen Schuhen haften bleibt und du es beim Mähen einatmen könntest, halte ich für unwahrscheinlich. Du müsstest schon in eine Giftpfütze treten🤣.

    Deine Fotos zeigen eine mögliche Mürblingsart.

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • Hallo,

    deine Pilze sind keine Gifthäublinge. Die sehen mir wie alte Exemplare von Psathyrella multipedata, dem Büscheligen Faserling aus.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten

  • Hallo zusammen,

    die Frage von Inscitus nach dem Verbleib der Gifte hat mich auch immer mal wieder beschäftigt.

    Es gibt ja nicht nur das von Gifthäublingen, sondern viele andere auch hochgiftige, zum Teil tödliche Pilze.

    Mit ganz vorne die Knollenblätterpilze. Man kann wohl annehmen, dass diese bereits, nimmt man auch die Vergangenheit, millionenfach, wenn nicht öfters, fruktifiziert haben.

    Desweiteren auch sämtliche anderen Hochgiftigen wie unter anderem bei den Häublingen und Schirmlingen, da stellt sich schon die Frage, was passiert eigentlich mit all dem Gift, das von denen produziert wurde und wird?

    Man müsste ja fast davon ausgehen, dass die Erde mit diesem Giften durchdrängt sei, was sie aber sicherlich nicht ist.

    Nur was geschieht eigentlich genau mit all den Giften?

    Ich denke mal, das kann nur ein Spezialist/in klären und hoffentlich liest eine/r von diesen diese Frage.

    Ich jedenfalls finde die Frage höchst spannend und es wäre Klasse, wenn man das aufklären könnte.

    Viele Grüße

    Thomas

    Auch von mir selbstverständlich keine Essensfreigabe. Sämtliche Darlegungen und Aussagen sind subjektiv und unverbindlich.

  • Hallo Bernhard,

    danke, Sorgen mache ich mir überhaupt keine.

    Aber es interessiert mich sehr, wie es mit den Giften in der Natur weitergeht.

    Werden die Gifte "zerlegt", abgebaut, von anderen Organismen aufgenommen, sickern sie tief ins Erdreich, werden sie in andere Stoffe umgewandelt, etc.?

    Für mich hoch interessante Fragen.

    Viele Grüße

    Thomas

    Auch von mir selbstverständlich keine Essensfreigabe. Sämtliche Darlegungen und Aussagen sind subjektiv und unverbindlich.

  • Hallo,

    Amanitin ist ein ein zyklisches Oligopeptid. Nur weil der Mensch es nicht "verdauen" kann, muss das noch lange nicht für andere Organismen gelten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diverse Bakterienstämme das Molekül mit ihren Peptidasen "knacken" können. Die EInzelbausteine, also die Aminosäuren werden dabei letzlich wieder frei. Diese können alle Lebewesen dann gebrauchen und verwerten.

    LG Thiemo

    Bestimmungsvorschläge anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Eine Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben! -> Pilzsachverständige finden

  • Hallo zusammen,

    zunächst mal ganz herzlichen Dank an alle, die mir geantwortet haben - auch für die Hinweise, um was für Pilze es sich gehandelt haben könnte!

    Ich habe nochmal etwas gegoogelt und dabei festgestellt, dass ich nicht der einzige bin, der diese Frage hat. Hier (ich hoffe, ich darf verlinken) wurde sie 2006 schon einmal gestellt:

    Abbau von Pilzgiften ??? - Pilze und Wissenschaft - Pilzforum.eu

    Der Beitrag ist als "Erledigt" gekennzeichnet, die eigentliche Frage ist aber nicht beantwortet.

    Auch interessant: ein Aufsatz von Th. Wieland "Über die Giftstoffe der Gattung Amanita":

    http://https//www.dgfm-ev.d…manita/download

    Er schreibt, dass "durch die kurze Einwirkung starker Säuren" z. B. Phalloidin zu ungiftigem Seco-15-phalloidin wird. Ähnliches hat er bei den Amatoxinen festgestellt (--> Seco-alpha-aminitin).

    Naja, mit starken Säuren kommt mein Rasen natürlich nicht Berührung, aber sauer ist er ja schon. Sollte das vom SO2 aus dem Regen herrühren, wäre schweflige Säure (H2SO3) am Werk. Ob die vielleicht die giftigen Verbindungen durch längere Einwirkung knackt? Allerdings gibt es ja durchaus organische Verbindungen, die so etwas problemlos aushalten (z. B. PMMA = Acrylglas).

    Die Überlegungen von Fuddler und Steigerwaldplizchen habe ich natürlich auch schon angestellt.

    Ich bin jedenfalls weiterhin neugierig auf Ideen und wünsche ein schönes WE

    Inscitus

  • Hallo Inscitus,

    Peptidbindungen können natürlich per Hydrolyse unter Katalyse einer starken Säure gepalten werden. Allerdings reicht dafür das bisschen Schwefeldioxid im Regen nicht aus. Genau genommen bildet sich hierbei nicht die instabile Schwefelige Säure, sondern das schwach saure Hydrogensulfit-Ion (HSO3-).

    LG Thiemo

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  • Hallo zusammen,

    prima, was jetzt schon zusammenkam.

    Die Ausführungen von Thiemo leuchten mir problemlos ein, danke.

    Auch dir inscitus danke für deine Ausführungen und die Links.

    Mal schauen, ob auch Andere noch etwas dazu sagen.

    Viele Grüße

    Thomas

    Auch von mir selbstverständlich keine Essensfreigabe. Sämtliche Darlegungen und Aussagen sind subjektiv und unverbindlich.

  • Hallo zusammen, interessante Diskussion in der pilzigen "saure-Gurken-Zeit".

    Die "Giftigkeit" von irgendwelchen in der Natur vorkommenden Substanzen beurteilen wir stark aus unserer menschlichen Perspektive. Dabei blenden wir oft aus, dass die "Gifte" von anderen Organismen vertragen und verstoffwechselt/abgebaut/genutzt werden können. Viele für uns giftige Pilze - bzw. deren Fruchtkörper - werden ja z. B. auch von Schnecken gefressen, die das vertragen, weil sie einen komplett anders funktionierenden Stoffwechsel (keine Leber!!) haben. Auch von manchen Vögeln werden Früchte und Beeren aufgenommen, die für Menschen unverträglich sind. Insofern ist Bernhard/Fuddler zuzustimmen, für alles (organische) finden sich ein oder mehre Abnehmer, die das verwerten können. Eine Anreicherung von Giften ist nicht zu befürchten, solange wir Menschen diese natürlichen Stoffkreisläufe nicht stark stören oder zerstören. Da sind wir allerdings auf einem unguten Weg ...

    Viele Grüße aus Mittelfranken, Marcus

    P.S. Meine Beiträge sind Meinungsäußerungen und Diskussionsbeiträge, keine Wahrheiten.

  • Danke Pilzmax.

    Aus dem bisher Geschriebenen darf ich vermuten, dass die bisher "erforschten" und/oder auch für uns giftigen Substanzen in der Natur eventuell nicht nur sinnvoll sind, sondern in bestimmten Konstellationen für andere Organismen nutzlich sein könnten.

    Dabei scheinen viele Faktoren, wie z.B. eine Umwandlung der Gifte, oder deren Zersetzung, wie auch die oft sehr unterschiedlichen physiologischen Prozesse in den verschiedenen Organismen und Sonstiges eine Rolle zu spielen.

    Jedenfalls verstehe ich als Laie dies jetzt so.

    Mit Sicherheit ist das Ganze um ein Vielfaches komplexer, aber dann wohl nur noch für Spezialisten verständlich.

    Aber ich finde es eine Leistung, komplexe Zusammenhänge so darzustellen, dass Laien es verstehen, ohne dass der Wahrheitsgehalt darunter leidet.

    Viele Grüße

    Thomas

    Auch von mir selbstverständlich keine Essensfreigabe. Sämtliche Darlegungen und Aussagen sind subjektiv und unverbindlich.

  • Moin.

    Bleibt mir nur noch hinzuzufügen, dass organische Verbindungen, zumal solche aus Aminosäuren, nicht unbedingt besonders stabil sind, auch nicht gegenüber physiko-chemischen Einflüssen. Was im menschlichen Körper bei kontrollierten Bedingungen für Chaos sorgt ist im Lauf eines Jahres durch Feuchtigkeit, UV-Strahlung, Temperaturschwankungen und Einflüssen von Säuren, Basen etc. eher zwangsläufig nicht stabil. Dazu kommen dann noch Unmengen sekretierter Enzyme und Verbindungen (z.B. zum Selbstschutz) von unterschiedlichen Lebewesen, und die Organismen, die sich direkt davon ernähren.

    Da akkumuliert nichts.

  • Hallo zusammen,

    Ich schließe mich Fuddler an:die Gifte sind letztendlich organische Moleküle die von Haus aus nicht ewig halten und zum Teil einfach auch von alleine zerfallen.Und erst recht wenn sie den normalen Witterungsbedingungen und Zersetzungsfaktoren ausgesetzt sind.

    Lg Kathrin

  • Guten Tag,

    nochmal ganz herzlichen Dank an euch alle, die ihr bis hierher so konstruktiv mitdiskutiert habt - was nicht heißen soll, dass die Diskussion damit zu Ende sein muss.

    Eins ist natürlich klar: Was in der Chemie als Reaktionsgleichung und ggf. auch noch unter genau definierten Laborbedingungen in einer bestimmten Weise abläuft, wird in der Natur unter vielfältig und zufällig wechselnden Einflussfaktoren vermutlich nie (vollständig) so ablaufen. Was also wo, wann und in welcher Menge an Gift übrigbleibt, wird sich also ebenfalls nie sicher beantworten lassen.

    LG Inscitus