Neues aus dem Flechtenland

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 519 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (24. März 2024 um 11:22) ist von IngeS.

  • Hallo zusammen,


    heute waren wir wieder bei unseren "blühenden" Flechten. Und dazu habe ich auch gleich eine Frage. Kann es sein, dass sie bei Trockenheit "versiegen"?


    Die zweite Stelle, da ist nix mehr zu sehen davon. Ein paar Trompetenflechten ja, aber sonst nix mehr da.

    Wie ist das überhaupt? Diese "blühenden" Flechten, gibts die das ganze Jahr über, oder nur im Frühjahr?

    Ich würde mich freuen, wenn ich dazu was zu lesen bekäme. Dankeschön

    Liebe Grüße

    Murmelchen

    Von mir gibts hier im Forum auch keine Verzehrfreigabe.

  • Hallo Murmel

    Zu den Flechten werde ich dir nicht antworten. Da habe ich keine Ahnung und es interessiert mich auch nicht besonders. Aber ich kann dir einen Tipp geben. Im Naturforum ist ein großer Flechtenexperte.

    Flechten richtig bestimmen - Das neue Naturforum
    Hier schreibe ich mal zusammen, worauf es bei der Bestimmung einer Flechte an kommt. Fotos Fotos sind gut und wichtig. Dabei muss aber der Habitus zu sehen…
    das-neue-naturforum.de

    Und hier die Webseite von Mike!

    start [Lichenologie]

  • Hallo Murmel,

    ich bin zwar kein Lichenologie und schon gar kein großer, aber ich antworte wenigstens. ;)

    Deine Frage, ob Flechten bei Trockenheit versiegen, muss man mit einem klaren Nein beantworten. Tatsächlich sind Flechten DIE Spezialisten im Umgang mit wechselnden Witterungsbedingungen wie Hitze, Kälte, Nässe, Trockenheit, Licht und UV-Strahlung! Ja, sogar Weltraumbedingungen werden - zumindest laut Experiment für mindestens 10 Tage - nahezu schadlos überstanden.

    Was du als "Blüten" an den Cladonien wahrnimmst, sind in Wirklichkeit die roten Fruchtkörper dieser Cladonie (genaugenommen des Pilzpartners der Flechte), in denen Sporen gebildet werden. Es handelt sich um Apothecien, wie du sie von vielen Schlauchpilzen, wie div. Becherlingen oder als Sammelfruchtkörper von Morcheln her kennst. Nur dass die Fruchtkörper der Flechte nicht so schnell vergänglich sind wie die eines Schlauchpilzes, der nicht lichenisiert ist, wie z.B. die der Morchel. Die Fruchtkörper einer Flechte währen jahrelang, jahrzehntelang und produzieren in diesem Zeitraum unentwegt kleinste Mengen an Sporen, während die Morchel es im Vergleich sehr, sehr eilig hat und alle Schläuche im Apothecium etwa gleichzeitig reifen lässt. Der Fruchtkörper der Morchen vergeht nach wenigen Tagen. Er wird nicht mehr benötigt, wenn alle Sporen gebildet und verstreut wurden. Da hat eine Flechte erheblich mehr Zeit! Als Mangelorganismus lebt sie auf Sparflamme und entwickelt sich und ihre Sporen extrem langsam.

    Trotzdem können sich Flechten bis zu deinem nächsten Besuch verändert haben. Wenn es feuchter oder trockner ist, verändert sich die Farbe. Bei feuchten Flechten dominieren hell grünliche oder düster bräunliche Farbtöne, wenn im ersten Fall die Grünalgen oder im zweiten Falle Cyanobakterien durch die feuchte Rinde (und eventuell auch durch das Hymenium der Apothecien) schimmern. Die Farbe der Photobionten überlagert dann die Farbe der Flechtenrinde - oder bei Trockenheit umgekehrt. Auch können manche Flechten bei genügendem Wasserangebot ein Vielfaches an Gewicht und Größe zulegen, dass man sie kaum wieder erkennt. Besonders quellfähig sind z.B. die sogenannten Gallertflechten, die bei Trockenheit regelrecht zusammenschrumpeln.

    Natürlich können sich die Flechten auch durch Parasitenbefall farblich und habituell verändern, letztlich absterben. Oder der gefräßge Schneck kommt zu Besuch und frisst sich satt. Eine Vielzahl kleiner Lebewesen ernährt sich von Flechten und bewohnt sie zugleich.

    Aber was man gerade jetzt zu Beginn des Frühlings immer wieder liest, wie etwa "oh, die ersten Farbtupfer des Frühlings sind da" und dazu wird noch ein Bild von Flechten gezeigt, stimmt so nicht! Die Flechten sind immer da und immer gleich und verändern sich im Verlauf der Witterung und Jahreszeiten nur wenig. Was sich ändert ist das Licht, das auf die Flechten fällt und die Feuchtigkeit, die sie belebt. Es verändert sich aber eben auch die Aufmerksamkeit und die Erwartungshaltung der Menschen, von denen sich viele im Winterhalbjahr nur wenig in der Natur aufhalten und jetzt Licht und Farbe suchen und finden.

    Wenn die Flechten an deinem zweiten Standort verschwunden sind, denn wurden sie vermutlich entfernt. Wobei ich keinen Fall kenne, in dem Cladonien restlos abgefressen wurden. Wenn sie mitsamt dem Substrat (Ast, Rinde, ..) fehlen, hat sie vielleicht jemand zu Dekorationszwecken oder anderen Zwecken mitgenommen - so etewas soll es ja geben. :(


    Liebe Flechtengrüße vom Neckar, Martin

  • Hallo Martin und alle anderen auch,


    habt lieben Dank für Eure Erklärungen. Jetzt kann ich mir das nur ein klein wenig vorstellen. Aber wirklich nur ein klein wenig.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

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  • Hallo Martin

    Vielen Tausend Dank für deine unermüdlichen Einsatz in diesem Spez Gebiet. ich schätze es sehr deine Hilfsbereitschaft. Ich werde jetzt auch nicht gerade in den nächsten Zeit mich mit Lichen beschäftigen, aber lerne auch immer wieder dazu durch deine Beiträge.

    BG Andy

  • Hallo Martin,


    so jetzt bin ich etwas fitter als gestern.

    Weißt Du für mich sind die Flechten völliges Neuland. In diese Welt muß ich erst etwas mehr eintauchen, damit ich die Zusammenhänge in dieser Welt noch besser verstehen kann. Ich bin Autodidakt. All die Jahre auch in der Pilzwelt. Und ich weiß, dass ich jetzt öfter an meinen zwei Plätzen vorbeischauen werde.

    Dennoch, lieben Dank für Deine tollen Ausführungen, sie waren doch sehr hilfreich für mich. Und vor allen Dingen ein so bezauberndes, tolles Foto dazu. Viiiieeeeel toller als meine. Danke Dir dafür.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

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    Einmal editiert, zuletzt von Murmel (22. März 2024 um 13:45)

  • Den Beitrag empfinde ich als etwas "neben der Spur"!

    Flechten gibt es reichlich und die haben auch genügend Doppelgänger. Warum soll bei jemand, der professionell Flechten bestimmt und kartiert, die Liebhaberei verloren gehen?

    Man zerstört doch nicht die Flechten, sondern entnimmt nur geringe Mengen zur sicheren Bestimmung. Das ist bei Pilzen und Pflanzen doch nicht anders! Flechten sind auch Anzeiger für gute oder weniger gute Umwelt. Wie will man feststellen, wie sich die Klimaänderung auf Flechten auswirkt, wenn man die nicht sicher bestimmt?

    Das mit der Chemie ist für mich Gewalt: ich schütte auch keine Säure auf einen Van Gogh!


    Den letzten Satz hätte man sich wirklich sparen können. Das ist eine Beleidigung für alle ernsthaften Flechtenbestimmer und Kartierer!

  • Hallo, da hat der Uwe Recht. Wissenschaft muss natürlich auch sein. Der Vergleich mit Klimaterroristen war aber falsch; alles andere ist persönliche Meinung. Gruß Henry

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    Meine Fotos sind alle gemeinfrei und dürfen für persönliche Zwecke verwendet werden. Es gelten die üblichen Zitierregeln. Bei Weiterreichung bzw. Verwendung für kommerzielle und nichtkommerzielle Publikationen bedarf es einer persönlichen Abstimmung.

  • Hallo Inge,


    ich für mich lese gerne noch mal nach. Auch damit ich das ein oder andere noch ein wenig mehr verstehen kann. Und jetzt kann ich Martins tollen Beitrag auch verstehen. Das hat er toll geschrieben.

    Was ich jetzt nicht verstehe ist: Warum hast Du Deine zwei Beiträge gelöscht? Jetzt kann ich nicht mehr nachlesen. Schade. Und aus dem Zusammenhang ist es jetzt auch gerissen. Also doppelt schade.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

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    Einmal editiert, zuletzt von Murmel (23. März 2024 um 16:35)

  • Hallo Inge,

    ich möchte nicht missverstanden werden: Auch ich sagte wiederholt, dass eine eindeutige Bestimmung der Flechten meist (nicht immer) Farbreaktionen (also Chemie) und / oder Mikroskopie braucht. Das ist halt so, da es tausende von Flechtenarten gibt und davon sehr, sehr viele nicht nur Doppelgänger sondern vermutlich "Dutzend-" oder "Hundert-"Gänger haben (wenn ich diese Begriffe mal so salopp einführen darf), und makroskopisch UNMÖGLICH alle zu trennen sind.

    Wenn man sich auf nicht invasive Betrachtung beschränken und an der Schönheit der Kreatur erfreuen möchte, so ist das natürlich möglich. Mache ich auch, aber halt nicht nur. Aber man darf nicht erwarten, dass die Flechten nur durch Betrachten eindeutig bestimmbar wären. Häufig ist nicht einmal die Gattung klar. Um zu erläutern, wie schnell man sich nicht nur in der Art, sondern auch in der Gattung vertun kann, wenn man nicht sauber schlüsselt oder alle Details auswendig weiß und erkennt und tiefer blicken kann als andere Lupe, Mikroskop und Chemie, habe ich vorgestern den Beitrag über eine Xanthoparmelia hier eingestellt.

    Wenn man also selbst keine Chemie anwenden möchte, ist das völlig in Ordnung. Man sollte das anderen aber nicht vorwerfen, die es tun. Ich MUSS zwar keine Chemie anwenden, tue es aber dennoch und ich bin auch überzeugt davon, dass dies den Flechten nicht schadet, wenn ich ein wenig von ihrem Thallus entnehme. So ist das halt in der Natur von der auch ich ein Teil bin.

    Hier übrigens mal ein - zugegeben extremes - Beispiel die Probenmenge einer Lecania:

    Wenn eine Schnecke eine Spur durch die Flechte frisst, ist vermutlich mehr vernichtet. Oder wenn der Spaziergänger zufällig einen Stein mit Flechtenbewuchs umstößt. Solche Dinge passieren dauert, die Flechten können das ab. Die abgebildete Menge reicht üppig für eine Bestimmung inklusive Chemie und Mikroskopie und es bleibt sogar das meiste davon übrig.

    LG, Martin

  • Hallo zusammen,

    @ Inge,

    ich danke Dir für Deine Erklärung. Kann allerdings nicht nachvollziehen, warum man so aggressiv reagieren muß, wenn man mal was "gesagt" bzw. geschrieben bekommt. Kampfbegriffe? Ich glaube nicht, dass ich mich auf einem Schlachtfeld befinde. "Neben der Spur" ist für mich ein ganz alltäglicher Begriff. Und gar nix böses.

    Hier gibt es User, die sind teils schon mehrere Jahre dabei. Wir "kennen" einander und schätzen uns wert. Dich würde ich gerne etwas kennen lernen wollen. Ich kann ja auch von Dir sicherlich noch sehr viel lernen. Und das ist Sinn und Zweck des Forums.


    Lass uns wieder zu den Flechten zurück kehren und ein schönes gemeinsames Miteinander haben. Wir wollen uns freuen, wenn wir hierher kommen. Danke.

    Liebe Grüße

    Murmelchen

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