Minibovist im Wald => Verm. Schwärzender Bovist (B. nigrescens)

Es gibt 17 Antworten in diesem Thema, welches 983 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (29. Mai 2023 um 10:12) ist von StephanW.

  • Hallo!

    Vorgestern war im Wald schier nichts zu finden.

    Auf einem Waldweg aber zwischen Brennesseln und anderm Krautzeug (unter Eichen) lugte ein schneeweißer Bauchpilz unter dem letztjährigen Laub hervor.

    Weitere Fruchtkörper konnte ich nämlich nicht entdecken.

    Von der Erscheinung her würde ich auf einen jungen Riesenbovist tippen.

    Ich habe Riesenboviste bisher nicht gefunden, und dachte, er käme auf Wiesen vor, nicht mitten im Wald.

    Liege ich mit Riesenbovist (Langermannia gigantea) richtig - obwohl er nicht riesig ist - was meint ihr dazu?

    LG, Martin


    Bilder:

    Bild 1 Fundstelle: Ein paar Brennnesseln sind durchaus in der Nähe!

    Bild 2 Von der Seite angepirscht, damit er nicht erschrickt und wegrollt

    Bild 3 FK aus Erde gehebelt und umgedreht - kein Stiel vorhanden, nur ein kleines Erdbätzchen am Ansatzpunkt

    Heute, 2 Tage später, runzelt er ein wenig.

    Bild 4 Bovist auf 5mm-Raster - Durchmesser um 6 cm; Peridie etwas filzig

    Bild 5 Peridie ist zäh-ledrig; Gleba unreif, weiß, klebrig; keine Subgleba vorhanden! (Anwuchspunkt rot markiert). Geruch (außen!) ist widerlich süßlich

    Bild 6 Gleba in Wasser

    Bild 7 Gleba in Kongo gefärbt, um transparente Hyphen besser zu erkennen

    Bild 8 viersporige Basidie mit langen Sterigmen (> 15µm); unreife Sporen um 4-5 µm Durchmesser

  • Hallo Martin,

    ich durfte bisher 2 Mal einen Riesenbovist ernten. Das ist aber schon sehr lange her.

    Ich meine mich erinnern zu können, dass die Oberfläche glatter war. Bei Deinem Fund fällt mir der Hasenbovist ein. Auf dem vierten Bild sieht man, dass er Stippselchen auf der Haut hat.

    Liebe Grüße von der


    Murmel

    Liebe Grüße


    Murmelchen


    Von mir gibts hier im Forum auch keine Verzehrfreigabe.

  • Hallo Martin,

    ein Vorkommen im Wald wäre für den sehr ungewöhnlich. Du kannst deinen Fund ja auch einmal mit den Zwergbovisten um Bovista nigrescens vergleichen.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten

  • Hallo

    Meine Fundstelle von einem Riesenbovist liegt am Rand eines Waldes.

    Ich habe dir hier noch ein Schlüssel beigelegt, da du bereits einige Mikrodaten angegeben hast.

    BG Andy

  • Hallo,


    und erstmal Dank euch dreien, Murmel, Jörg und Andy für eure hilfreichen Wortmeldungen!

    Da war ich weieder mal völlig ahnungslos, wie viele verwandte Arte es hier gibt.

    Damit scheidet der Riesenbovist natürlich aus, alleine schon wegen des Fundortes - so weit klar!

    Dem Schlüssel, den Andy netterweise verlinkt hat, nach ist das Capillitium genau in puncto Septierung, Verzweigungswinkel, Poren et c. zu untersuchen, sowie die Sporen.

    Die Sporen sind leider unreif und haben vielleicht nur deshalb kein Ornament - sind vermutlich nicht auswertbar - warzig sind sie jedenfalls nicht, sondern glatt.

    Das Capillitium hat sicher keine punktförmigen Poren, höchstens längliche.

    Ich hatte die Strukturen allerdings eher für Biegeartefakte der dickwandigen, skeletthyphen-artigen Capillitiumhyphen gehalten.

    Bild N1 Eventuell längliche Pore in Capillitium (oder Biegeartefakte)

    Septen kann ich keine erkennen, schon gar keine eingeschnürten:

    Bild N2 Septen nicht erkennbar, Teilungswinkel wirken beliebig

    Bild N3 Lupen-Aufsicht auf Peridie von außen => verm. Exoperidie, ist bei einem so jungem FK wohl noch nicht abgefallen / aufgeplatzt: kleiig, filzig


    Dem Capillitium nach wäre ich am ehestem beim Handkea-Typ.

    Da gibt es lt. Schlüssen zwei Arten:

    1) Handkea utriformis, das wäre Murmels Vorschlag mit dem Hasenbovisten:

    "glatte Sporen" könnte passen

    Subgleba habe ich makroskopisch nicht erkannt (FK ist bereits entsorgt, ich fahre morgen früh in die Bretagne - das Zeug muss weg!)

    Exoperidie mit pyramidalen, groben Stacheln - kann ich nicht erkennen.

    Immer mit Stiel (Subgleba) auf den Bildern - passt eigentlich nicht, für meinen Geschmack.

    2) Handkea excipitliformis mit grob warzigen Sporen und ebenfalls Subgleba und Stiel auf den Bildern - passt auch nicht

    Die Handkea-Arten sind immer mit Stiel (Subgleba) fotografiert.

    Mein FK ist kugelrund ohne sichtbare, sterile Subgleba im inneren.

    Also ohne Subgelba:

    1 Subgleba fehlend => Sekt. Calvatia; die runden Poren im Capillitium habe ich wohl nicht erkannt und die länglichen Strukturen konne wohl doch vom Biegen der dickwandigen Capillitium-Hyphen.

    2* Exoperidie kleiig

    (3 Subgleba rudimentär und kompakt, oder vielleicht besser)

    3* Subgleba fehlend => Gastropila, "Endoperidie derb" kann ich bestätigen, war kaum zu schneiden!

    "Thermophil", kein Widerspruch zum Neckarbecken, wir sind klimatisch begünstigt.

    Vorkommen in "Ödland und Gärten" ? Keine Funde lt. DGfM in BW? Wohl doch nicht.

    Habe ich eine rudimentäre Subgleba übersehen, dann Sektion ev. doch Sektion Langermannia.

    Da die Exoperidie nicht grob schuppig-gefeldert ist eher glatt lande ich bei L. gigantea.

    Da passt immer irgendwas nicht!

    Ich fürchte, der Pilz ist in diesem Entwicklungsstadium nicht zu knacken!

    Trotzdem vielen Dank euch allen, ich habe wieder einiges lernen dürfen!

    So soll es ja sein. ;)

    LG, Martin

  • Heuler22

    Hallo Jörg,

    Bovista nigrescens habe ich noch extra prüfen müssen, der Pilz taucht im Schlüssel von 1998 ja gar nicht auf, ui..

    Die bei 123 angegebenen Eigenschaften passen aber! :thumbup:

    Ich denke, ich lege den Pilz mal als Bovista cf. nigrescens ab!

    Dank nochmals!

    LG, Martin

  • KaMaMa 28. Mai 2023 um 19:58

    Hat den Titel des Themas von „Minibovist im Wald => junger Langermannia gigantea / Riesenbovist?“ zu „Minibovist im Wald => Verm. Schwärzender Bovist (B. nigrescens)“ geändert.
  • Hallo Martin

    Da hast du ja einige Zeit investiert, interessant zu lesen. Der Fall zeigt wieder eindrücklich, warum ich jetzt immer mehrere Fruchtkörper nach Hause zum mikroskopieren mitnehmen werde. -> in verschiedenen Alterstadien, die Mikromerkmale sind auch so verschieden ausgeprägt.

    Bovista nigrescens lässt sich im Feld draussen gut ansprechen, wenn verschiedenen FK zum inspizieren bereit stehen.

    Ich kann dir leider auch nicht gross weiterhelfen, man müsste sich auch hier einlesen in verschiedene Literaturen.

    BG Andy

  • Hallo Andy,

    in diesem Fall hab es halt leider nur einen FK.

    Eigentlich nehme ich meistens eh nur einen (reifen) FK mit, um nicht zu viel Schaden anzurichten. Häufig klappt es trotzdem mit der Bestimmung.

    Falls nicht, nicht schlimm, ich will ja nichts davon essen. ;)

    LG Martin

  • Hallo zusammen

    Das Bestimmen eines Bovistes ist meistens ein aussichtsloses Unterfangen, wenn man nicht sowohl vollreife (staubende) Fruchtkörper als auch unreife Exemplare hat.

    Die beoachteten Sporen sind sonst nicht reif und lassen keinen verlässlichen Rückschluss auf das Ornament zu.

    Die Existenz und Struktur der Subgleba lässt sich an einem unreifen Exemplar auch nur erahnen.

    Die Gestalt der Austrittöffnung ist auch nicht bekannt.

    Zur Bestimmung gibt es ein ausgezeichnetes Buch (Puffballs of northern and central Europe), mit einem Schlüssel der sehr gut funktioniert.

    Das lohnt sich für jeden interessierten Laien. Plötzlich macht es nämlich richtig Spass Boviste zu bestimmen, nachdem man sich mit der Materie etwas beschäftigt hat.

    Für die Mikroskopie braucht man nur die vollreifen Fruchtkörper. Die unreifen nur makroskopischen Beurteilung.

    Natürlich gibt es auch ein paar Arten, die man makroskopisch sicher ansprechen kann.

    Viele Grüsse

    Raphael

  • Dann trage ich einfach mal noch bei, dass ich einmal einen Riesenbovist recht im Wald gefunden habe . Grob 100-200 m vom Waldrand .

    War auch recht erstaunt .

    Ausnahmen bestätigen die Regel heisst es ja so schön…

    Lg jens

  • Hallo Martin,

    .. ich glaube Uwe58 hat gerade durch sein "Like" Jörgs Vorschlag bestätigt!

    bestätigt ist damit gar nichts. Es ist nur eine Idee von mir. Den kleinsten Riesenbovist, den ich jemals gefunden habe hatte einen Durchmesser von 10 cm. Daher kommt meine Skepisis

    Hallo Jens,

    Dann trage ich einfach mal noch bei, dass ich einmal einen Riesenbovist recht im Wald gefunden habe .

    wow, ich habe den bisher nur auf Wiesen, Weiden oder Parkanlagen entdeckt. Danke für die Info:thumbup:.

    VG Jörg

    Weil Pilze keine Bücher lesen sehen sie selten so aus wie sie sollten

  • Hallo Jörg Heuler22 ,

    "bestätigt" war ganz sicher die falsche Wortwahl.

    Ich hätte es so ausdrücken sollen, dass die Zuordnung passen könnte.

    Skepsis ist natürlich immer angebracht.

    LG, Martin

  • Hallo Raphael Clavaria ,

    vielen lieben Fank für der Buchtipp.

    Wenn ich zukünftig öfter Puffbälle finden sollte (bisher ist das leider nicht der Fall), werde ich mich an das Buch erinnern!

    LG, Martin

    Der Transport von vollreifen Exemplaren kann bestimmt eine mordmäßige Sauerei werden.

  • Der Transport von vollreifen Exemplaren kann bestimmt eine mordmäßige Sauerei werden.

    😆 Was macht man nicht alles um einen FK einen Namen zu geben......

    BG Andy

  • ach der Transport ist kein Problem. In Alufolie tun und einer Plastikdose transportieren, dann passiert da nichts.

    Mache ich mit jedem Pilz den ich bestimmen will so, dadurch kommen sie unbeschadet zu Hause an und vor allem ohne Fremdsporen aus einem Pilzkorb oder so.

    Gruss Raphael

  • Hallo Kamama,

    obwohl hier viele schon viel Hilfreiches geschrieben haben, gebe ich nun noch meinen Senf dazu.

    Für die Bestimmung von "Puffballs" bzw. Stäublingen, wie man diese Pilzgruppe deutsch nennt, muss man zunächst untersuchen, ob eine Subgleba vorhanden ist oder nicht, damit man in die richtige Gattung gelangt. Ist man in der Gattung, sollte man die Struktur der Exoperidie untersuchen, also etwa ob sie flockig oder glatt ist, ob sie eine Ornamentation zeigt, ob sie zum Abblättern neigt oder nicht usw. Sporen und Capillitium lassen sich nur an vollreifen, also bereits stäubenden Exemplaren sicher beurteilen, daher immer ein vollreifes Exemplar mitnehmen!

    Nun zu deinem Pilz: obwohl dieser schon recht weit entwickelt ist, zeigt er keine Subgleba. Hasenstäubling oder eine andere Handkea scheiden damit bereits aus. Vascellum hätte eine stark flockige Exoperidie mit abwischbaren Warzen, scheidet also aus. Langermannia scheidet deswegen aus, weil in dieser Größe die Gleba noch vollkommen weiß und fest wäre, die hier gezeigte Gleba ist aber schon wattig weich. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für die Gattung Bovista.

    Wegen der Literatur hätte ich noch als Tipp die Großpilze Baden-Württembergs Band 2. Da finde ich den Abschnitt über die Stäublinge sehr gut und informativ gemacht. Ansonsten ist natürlich ein spezielles Stäublingswerk noch besser.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

    Einmal editiert, zuletzt von StephanW (29. Mai 2023 um 19:15)