Ja ist es denn ein Hühnchen? [Eilenriede Nr. 4]

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 7.206 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (7. November 2020 um 08:30) ist von Beorn.

  • Hallo zusammen

    Ich war wieder ein paar Mal unterwegs und könnte eure Bestimmungshilfe gebrauchen.

    Nun habe ich diesen Pilz schon öfters gesehen, kann aber nicht mit Sicherheit sagen, um welche Art genau es sich handelt und wie ich das unterscheide:

    #1 ~~

    Vermutung: Bergporling (essbar)

    Verhält sich wie Hähnchenfleisch, schmeckt auch ähnlich. Poren extrem fein. Aber wie unterscheide ich diesen vom Schwefelporling (essbar) und vom Nadelholzschwefelporling (essbar)? Den Zimtfarbenen Weichporling kann ich aufgrund der Farbe und der Porengröße wohl ausschließen.


    #2 ~~

    Vermutung: Wasserfleckiger Röteltrichterling (essbar) ; auf jeden Fall ein Trichterling

    Geruch angenehm/neutral. Auf Mischwaldboden gewachsen. Relativ groß (~15cm)


    #3 ~~

    Vermutung: Rosablättriger Helmling (ungenießbar) / Voreilender Helmling (ungenießbar)

    Oberfläche feucht/fettig (kann auch die Witterung gewesen sein), Geruch unsicher, aber tendenziell pilzartig und nicht unangenehm


    #4 ~~

    Vermutung: Sparriger Schüppling (ungenießbar)

    Am Wegesrand neben dem Maschsee (Parkareal) gewachsen.

    "Für sachdienliche Hinweise..." bin ich natürlich wie immer dankbar :)

    LG

    Kay

  • Hallo Evergrowing

    Ich kann nur zu 1 was sagen.

    Aber so Recht verstehe ich Deine Frage nicht, wenn Du sogar links mit Fotos und Bestimmungsmerkmalen rausgesucht hast. Steht doch alles da?

    Nadelholzschwefelporling wird äußerlich erstmal nicht (so einfach) für Dich unterscheidbar sein vom normalen Schwefelporling. Aber wenn Du einen Laubbaum von einem Nadelbaum unterscheiden kannst, hast Du Deine Antwort.

    Der Bergporling wiederum ist nicht Schwefelgelb, und insbesondere alt alles andere als weißlich mit fahlgelb Resten. Er ist sehr dunkel.

    Ob Du jetzt einen Bergporling gefunden hast oder einen Riesenporling, erkenne ich auf den Bildern nicht. Die Färbung bei Druck auf die Poren und längerem, anschließenden Warten würde es Dir aber verraten.

    Vielen Grüße

    ReikeT

  • Hi,

    Dein "Wasserfleckiger Röteltrichterling" ist eher ein alter Krempling - Paxillus spec. - somit aus meiner Sicht "auf jeden keinen Fall" ein Trichterling.

    VG, Boris

  • Hallo Evergrowing,

    von einem Nadelholzschwefelporling habe ich noch nichts gehört.Dein 1. Pilz sieht nach einem Riesenporling aus. Die schwärzenden Stellen sind gut zu sehen.

    Und Boris Meinung zum Krempling kann ich unterstützen.

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • Meiner Meinung noch auch ein Riesenporling und ein sperriger Schüppling.


    Liebe Grüße

    Alex

    Wie bei den Pilzen generell, so sind auch meine Angaben grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen!

    Ich bin kein Pilzexperte, nur ein mykologisch interessierter Laie!

    Offizielle Freigaben kann es nur beim Pilzsachverständigen vor Ort geben!

  • von einem Nadelholzschwefelporling habe ich noch nichts gehört.

    Hallo Weisheit,

    doch, den gibt's, und zwar im alpinen Nadelwald. Er wächst dort an Lärche und Fichte. In Österreich (Tamsweg, Salzburger Land) habe ich den schon gefunden. Meinses Wissens heißt der Laetiporus montanus.

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Nun habe ich diesen Pilz schon öfters gesehen, kann aber nicht mit Sicherheit sagen, um welche Art genau es sich handelt und wie ich das unterscheide:

    #1 ~~

    Vermutung: Bergporling (essbar)

    Verhält sich wie Hähnchenfleisch, schmeckt auch ähnlich. Poren extrem fein. Aber wie unterscheide ich diesen vom Schwefelporling (essbar) und vom Nadelholzschwefelporling (essbar)? Den Zimtfarbenen Weichporling kann ich aufgrund der Farbe und der Porengröße wohl ausschließen.

    Hallo Kay,

    ziemlich seltsame Diagnose, die du aufstellst. Der Bergporling (Bondarziewa mesenterica) ist wie schon der Name sagt ein ausgesprochen montan verbreiteter Pilz, der am Maschsee bzw. in der Eilenriede (das müsste bei Hannover sein, auf ein paar Dutzend Metern ü. NN, oder?) nicht zu erwarten ist. Es handelt sich um einen an Weißtannenholz wachsenden Pilz, doch dein Foto zeigt keine Weißtanne. Der Bergporling ist auch nicht essbar, sondern bitterlich-scharf im Geschmack, also eher nicht wie Hähnchenfleisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Pilzberater den zum Essen freigeben würde. Fast möchte ich mit dir wetten, dass du den Bergporling noch nie gesehen hast. Was du stattdessen gefunden hast, dürfte wie hier schon geschrieben wurde der Riesenporling (Meripilus giganteus) sein, der sehr gern an Eichenholz im Tiefland vorkommt.

    Für mich stellt sich jetzt die Frage, wie man hier zu der Diagnose Bergporling kommen kann, das ist mir ein Rätsel. Da scheint im Bestimmungsprozess irgendwas zentral schiefzulaufen, wie man auch an Pilz 2 (Krempling statt Röteltrichterling) sehen kann. Trifft es zu, dass du deine Bestimmungen nur mithilfe von Bildvergleichen, aber ohne Berücksichtigung von wörtlichen Beschreibungen machst?

    FG

    StephanW

    Für meine hier gemachten Aussagen zu Pilzen übernehme ich keinerlei Haftung, es sind insbesondere keine Essfreigaben.

  • Hallo StephanW,

    vielen Dank für deinen Hinweis. Kein Wunder, dass ich den noch nicht gefunden habe. Der höchste Berg bei mir ist ca. 100m.:D

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • Hallo Veronika

    meine Heimat ist auch Rostock.

    Wenn ich anderen Menschen von Bergen in MV erzähle, ernte ich immer nur verstörte Blicke =D

    Viele Grüße in meine alte Heimat.

    ReikeT

  • Grüß Euch!

    Ich wohne auf 800m Seehöhe. Das ist ja für Euch fast schon Höhentraining! :P

    lg

    alex

    Wie bei den Pilzen generell, so sind auch meine Angaben grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen!

    Ich bin kein Pilzexperte, nur ein mykologisch interessierter Laie!

    Offizielle Freigaben kann es nur beim Pilzsachverständigen vor Ort geben!

  • Hallo ReikeT,

    ist ja interessant, dass du Rostocker bist. Ja, wo einen das Leben so hinverfrachtet. Ich weiß aber, was Berge sind - komme ursprünglich aus dem Erzgebirge, wie sagt alex 800m Seehöhe!

    Viele Grüße

    Veronika Weisheit
    Pilzberaterin Landkreis Rostock


    Hinweis: Hier im Forum wird es von mir keine Verzehrfreigaben geben, weil eine Bestimmung über Bild immer fehlerhaft sein kann.

  • #1 ~~

    Vermutung: Bergporling (essbar)

    Hallo Kay,

    ziemlich seltsame Diagnose, die du aufstellst. Der Bergporling (Bondarziewa mesenterica) ist wie schon der Name sagt ein ausgesprochen montan verbreiteter Pilz, der am Maschsee bzw. in der Eilenriede (das müsste bei Hannover sein, auf ein paar Dutzend Metern ü. NN, oder?) nicht zu erwarten ist. Es handelt sich um einen an Weißtannenholz wachsenden Pilz, doch dein Foto zeigt keine Weißtanne. Der Bergporling ist auch nicht essbar, sondern bitterlich-scharf im Geschmack, also eher nicht wie Hähnchenfleisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Pilzberater den zum Essen freigeben würde. Fast möchte ich mit dir wetten, dass du den Bergporling noch nie gesehen hast. Was du stattdessen gefunden hast, dürfte wie hier schon geschrieben wurde der Riesenporling (Meripilus giganteus) sein, der sehr gern an Eichenholz im Tiefland vorkommt.

    Für mich stellt sich jetzt die Frage, wie man hier zu der Diagnose Bergporling kommen kann, das ist mir ein Rätsel. Da scheint im Bestimmungsprozess irgendwas zentral schiefzulaufen, wie man auch an Pilz 2 (Krempling statt Röteltrichterling) sehen kann. Trifft es zu, dass du deine Bestimmungen nur mithilfe von Bildvergleichen, aber ohne Berücksichtigung von wörtlichen Beschreibungen machst?

    Ich habe weder auf Wikipedia noch auf 123pilzsuche etwas davon gelesen, dass der Bergporling nur in bergigen Regionen wächst. Und nur aufgrund des Namens lässt sich das nicht ableiten, denke ich. Ja, da mein Pilzbuch immer noch nicht angekommen ist und ich erstmal nen Einstieg für die ersten Pilze brauche, gehe ich noch sehr stark (aber nicht ausschließlich) nach Bildern. Der Trichterling war ein Aussetzer, weil es schon so spät war :S. Ist mir bei klarem Verstand nun auch klar, dass ja gar keine Trichterform vorhanden ist. Aber ich kenne ja noch nichtmal alle Gattungen, daher war für mich als verwirrter Anfänger Trichterling das Näheste :P

    Dir sollte doch klar sein, dass ich mich erst seit ein paar Wochen mit Pilzen beschäftige, also ja, natürlich habe ich wohl den Bergporling noch nie gesehen. Aber ich äußere lieber eine Vermutung als keine. Aus Fehlern lernen etc :)

    • Offizieller Beitrag

    MoinMoin!

    Bondarzewia kann man schon mit Fug und Recht als "Bergpilz" bezeichnen. Im Endeffekt ist das so, daß seine Verbreitung ungefähr dem natürlichen Verbreitungsareal der Weißtanne (abies alba) entspricht. Zudem werden halt bestimmte klimatische verhältnisse bevorzugt. Einzelne, sehr seltene Kollektionen im Flachland (aber auch da immer an Tannen) sind möglich, aber ansonsten... >siehe hier<.
    Ist aber ja nicht schlimm, weil Bondarzewia mesenterica (Bergporling) ja auch ohne Substrat bzw. Kenntnis der ökologischen Umgebung eine leicht zu bestimmende Art ist, die sich problemlos von potentiell ähnlichen Porlingen unterscheiden lässt.
    Insofern ist das auch ein Fall, wo die Kartierungsangaben (siehe Link zu PD) tatsächlich einen guten Einblick in die Verbreitung der Art geben, weil die so große, auffällige und ebenso leicht wie sicher bestimmbare Fruchtkörper bildet.


    LG; Pablo.

  • Beorn wenn ich als Laie, ohne persönliche Erfahrung mit Bondarzewia mesenterica im Gebirge einen vermeintlichen Fund habe, und unterscheiden möchte, ob Bergporling oder Riesenporling, was wäre Dein Rat zur Vorgehensweise? Wir haben die Diskussion Bergporling vs. Riesenporling in den vergangenen Monaten ja immer wieder Mal hier im Forum beobachten können...

    Ich persönlich würde mir natürlich erstmal den Wirtsbaum anschauen. Gehen wir aber Mal davon aus, dass mir das keinen eineindeutigen Hinweis gibt. Dann mache ich den Drucktest auf Poren. Riesenporling schwärzt, Bergporling färbt nicht. Sagen wir, warum auch immer, ist das immer noch nicht eindeutig, weil Verschmutzungen o.ä. mich verunsichern. Dann kann ich Geschmacksprobe machen. Bei sehr jungen Fruchtkörpern wird mir das uU nicht weiterhelfen, da jung beide mild sind und Bondarzewia erst in der Jugend scharf wird. Welche Möglichkeiten hätte ich dann noch? Oder müsste ich mich gedulden, bis ältere Fruchtkörper bereit stünden? (Was ja bereits vier, fünf Tage später der Fall sein sollte)

    Danke für Deine Einschätzung

    ReikeT

  • Hi Evergrowing!


    daneben zu liegen ist keine Schande. Als Anfänger nicht und auch als Fortgeschrittene auch nicht. Wie oft ich immer noch daneben liege, könnt ihr ja alle hier immer wieder lesen.


    aber von mal zu mal wird es besser und das ist die Hauptsache!

    Liebe Grüße und weitermachen!

    Alex

    Wie bei den Pilzen generell, so sind auch meine Angaben grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen!

    Ich bin kein Pilzexperte, nur ein mykologisch interessierter Laie!

    Offizielle Freigaben kann es nur beim Pilzsachverständigen vor Ort geben!

    • Offizieller Beitrag

    Servus!


    Naja, Substrat angucken ist schon immer wichtig. Sollte das mal nicht erkennbar sein: Bondarzewia hat viel größere Poren als Meripilus (dazwischen liegt noch Grifola frondosa / Klapperschwamm). Auch bei jungen fruchtkörpern sind die immerhin so groß, daß man sie wenigstens mit blosen Augen sieht (bei Meripilus normalerweise kaum erkennbar). Bei jungen Fruchtkörpern hat man aber auch ein sehr deutliches Verfärbungsverhalten bei Meripilus. Muss man halt 10 Minuten oder etwas mehr warten, der verfärbt ja langsam.

    Wenn man beide Arten (bzw. drei, Klapperschwamm wäre auch ein verwechslungspartner) gut kennt, sieht man auch ein paar UNterschiede in der Färbung, Struktur der Hutoberflächen usw.

    Achja, und Bondarzewia ist ja auch ein Sprödblättler. Auch das ist ein gutes merkmal: Sporenabwurf machen und einen tropfen Melzer drauf. Die Sporen von Bondarzewia sind wie bei allen Sprödblättlern deutlich amyloid, das geht am Sporenabwurf auch wunderbar makroskopisch zu beobachten.


    LG, Pablo.

  • Danke Beorn für Deine hilfreichen Details.

    Den Klapperschwamm kannte ich gar nicht, Mal sehen, ob ich den je zu Gesicht bekomme. Eichen, Kastanie, Linde wie ich lesen.

    Dass das ein Sprödblättler ist, finde ich ja spannend. Überhaupt, dass auch Porlinge Sprödblättler sein können.

    Viele Grüße

    ReikeT

  • Von mir auch vielen Dank für die Infos.

    Dass das ein Sprödblättler ist, finde ich ja spannend. Überhaupt, dass auch Porlinge Sprödblättler sein können.

    Da werfe ich mal Erkenntnisse aus ganz anderen Bereichen ein: das ist alles sowieso nur menschengemachter "Trennungs-Blödsinn", der in Wahrheit/der Realität ohnehin nicht existiert. Ich war schon immer der Meinung, dass die gesamte Taxonomie Willkür hoch 10 ist. Das ist nur, damit der Mensch das irgendwie schubladenmäßig besser handhaben kann. Wenn ich mal die Mikroevolution von Tieren bedenke, würde es mich nicht wundern, wenn das für Pilze genauso gilt. Und dann gibt es eben so viele verschiedene Pilze, wie es das Kreuzprodukt aus DNA-Varianten hergibt, und das dürften einige sein ;)

    Long story short: ich finde es wenig sinnvoll, sich an menschengemachten, willkürlichen Taxonomien festzuhalten. Diese sind keine Wahrheit.

    So, das war's aus der Kay's Weisheits-Ecke ;)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo, Evergrowing!

    Ja, kann man so sehen.

    Nur irgendwie beurteilen oder einordnen kann man es dann nicht mehr. Was man nicht versteht, weil man sich nicht damit beschäftigt (warum auch immer, ob aus genereller Ablehnung oder einfach nur weil's einen nicht interessiert), kann man nicht kritisieren. Bzw. man kann es natürlich, aber es kommt nichts dabei raus als substanzloser Unsinn.
    Taxonomie und wissenschaftliche Studien sind ebenso veränderlich wie das Leben an sich. Evolution bedeutet, daß es keinen festen Ist - Zustand gibt. Es gibt grundsätzlich - auch in der Taxonomie ebenso wie in der Genetik - nur Vektoren. Das zu beobachten, zu beschreiben, zu verfolgen und zu begreifen ist selbstverständlich komplex. Leben ist komplex. Ohne die wissenschaftlichen Grundlagen kann man nur noch glauben und nichts wissen (erst recht nicht wissen, was man alles nicht weiß). "Wahrheit" im wissenschaftlichen Sinne ist immer ein Prozess aus Verständnisgewinn, kritischer Überprüfung und weiterem, veränderten Erkenntnisgewinn.

    Wenn der Aufhänger der volkstümliche (nicht wissenschaftliche!) Begriff "Sprödblättler" ist, bitte einfach die taxonomisch korrekte Ordrnungsbezeichnung (Russulales) verwenden. Das ist in dem Fall nicht nur genetisch gestützt, sondern auch morphologisch. Siehe Sporen vom Bergporling:


    LG, Pablo.

  • He Pablo

    Wow krass wieder was dazu gelernt. Das ist ja irre, wie formvariabel Russulares ist. Ich habe dazu ein paar schöne Zeichnungen gefunden. Wikipedia sagt dazu sehr treffend "Die Ordnung der Täublingsartigen umfasst Arten und Gattungen, deren „Fruchtkörper-Baupläne“ völlig unterschiedlich aussehen". Porlinge, Korallen, Blätterpilze usw usf.

    Ich dachte, zu den Sprödblättlern gehören nur Täublinge und Milchlinge, aber das sind die wesentlichen Vertreter der Täublingsverwandten (Russulaceae). Täublingsartige ist die Ordnung oben drüber, Täublingsverwandte ist die Familie, die darunter steht. Hier rächt sich, dass ich in Bio nie aufgepasst habe.

    Ich wusste bereits, dass diese kugelige Zellform für das klassische knackige Zerbrechen verantwortlich ist, was wir von den Täublingen kennen. Weder wusste ich, dass die Amyloidität, also das farbliche Ansprechen bestimmter Zellstrukturen wie Sporen auf Iodtinkturen ein typisches Ordnungsmerkmal ist. Noch dass sich die Verwandtschaftsverhältnisse der Täublingsartigen auf ein derart breites Erscheinungsbild erstrecken.

    Ich finde echt super bemerkenswert, wie Du in Deinen Posts immer noch soviel Anstoß mitgibst.

    ReikeT

  • Was man nicht versteht, weil man sich nicht damit beschäftigt (warum auch immer, ob aus genereller Ablehnung oder einfach nur weil's einen nicht interessiert), kann man nicht kritisieren. Bzw. man kann es natürlich, aber es kommt nichts dabei raus als substanzloser Unsinn.
    Taxonomie und wissenschaftliche Studien sind ebenso veränderlich wie das Leben an sich. Evolution bedeutet, daß es keinen festen Ist - Zustand gibt. Es gibt grundsätzlich - auch in der Taxonomie ebenso wie in der Genetik - nur Vektoren. Das zu beobachten, zu beschreiben, zu verfolgen und zu begreifen ist selbstverständlich komplex. Leben ist komplex. Ohne die wissenschaftlichen Grundlagen kann man nur noch glauben und nichts wissen (erst recht nicht wissen, was man alles nicht weiß). "Wahrheit" im wissenschaftlichen Sinne ist immer ein Prozess aus Verständnisgewinn, kritischer Überprüfung und weiterem, veränderten Erkenntnisgewinn.

    Wenn der Aufhänger der volkstümliche (nicht wissenschaftliche!) Begriff "Sprödblättler" ist, bitte einfach die taxonomisch korrekte Ordrnungsbezeichnung (Russulales) verwenden. Das ist in dem Fall nicht nur genetisch gestützt, sondern auch morphologisch.

    Zum einen ja: ich habe mich nicht monatelang mit der genetischen Zuordnung beschäftigt. Ist aber auch für mein Argument nicht notwendig, wenn es verstanden wird. Allerdings möchte ich mal ein gutes Beispiel geben für das, was ich meine:

    Zitat von Welcher Pilz ist das (Kosmos) S. 33

    Pilze als Symbionten, Gemischte Formen

    Die Abgrenzung von Ekto- und Endomykorrhiza ist keineswegs so scharf und eindeutig, wie man es vielleicht erwarten würde. Es gibt zahlreiche fließende Übergänge [...]. Weiter gibt es noch gemischte Formen, bei denen Pilze ein Doppelleben führen.

    Aha, es gibt also alle möglichen Zwischenformen für die gleiche Art. Ja gut, dann ist diese "Unterteilung" (und darum geht es mir) ziemlich nutzlos. Wie der Text schon sagt, sind die Übergänge immer fließend und nicht digital. Ich möchte damit auch nicht die Wissenschaft mit ihren Erkenntnisgewinnen kritisieren, da stimme ich dir ja vollkommen zu. Nur, in dem Moment, wo ich etwas dualistisch beschreibe/auseinandernehme, ist es nicht mehr die Realität. Es wird eine Abstraktion der Realität, nicht mehr die Realität selbst. Man hätte ja die Klassen, Gattung etc auch völlig anders festlegen können, zB nach Farben oder nach Gerüchen. Ich hoffe, wir sind uns einig, dass die Zuordnungen allein menschengedacht/-gemacht und 100% willkürlich sind. Der Kuchen ist da, aber es gibt unendlich viele Möglichkeiten, ihn zu zerschneiden. Naturvölker würden die Pilze wohl komplett anders kategorisieren als wir. Und ich bin mir nicht sicher, ob Naturvölker ihre Pilze schlechter kennen als wir ;)

    • Offizieller Beitrag

    Hi...

    Ach ja, das ist dieses Argument, wenn man sonst keine Argumente hat. Daß das ja eben so eine Perspektive sei und man es ja auch ganz anders sehen könnte.
    Das lässt aber außen vor, daß es eben sehr wohl um reproduzierbare Parameter geht. Natürlich gibt es immer unendlich viele Perspektiven auf ein und die selbe Sache. Die Sache an sich ist davon aber nicht betroffen, sondern verhält sich in dem ihr eigenen Rahmen. Beobachten kann man das schon, und interessant wird's eben dann, wenn man aus unterschiedlichen perspektiven zu den selben Schlussfolgerungen kommt.

    Also um mal bei dem bildlichen Beispiel zu bleiben: Wenn der kantonesische Doktorant an seiner Fakultät mit seinen genetischen methoden zu den selben Ergebnissen gelangt wie der indigene Stammesschamane aus Füssen (ist ein urbayrischer Schamane), der seine Pilze im Wald seit dreihundert jahren nur morphologisch beobachtet.

    Das Zitat oben bitte streichen, da geht's um eine völlig andere Thematik. Die Formen der Mykorrhizabildung zwischen Bäumen und Pilzen haben erstmal nichts mit der genetischen und morphologischen Systematik innerhalb des Pilzreiches zu tun.

    Und - wenn's denn philosophisch sein soll (Ja, Philosophie ist auch eine Wissenschaft): Natürlich gibt es immer und überall fließende Übergänge. Panta rhei. Das wussten die Gelehrten auch schon vor 2500 Jahren, ist keine Erkenntnis der modernen Molekularbiologie - sondern die moderne MOlekularbiologie nur eine Fortsetzung dieser Erkenntnis.

    Um bei dem Beispiel mit den Russulales und dem Bergporling zu bleiben: Da hat die genetische Forschung einfach nur das bestätigt, was Mykologen morphologisch schon lange vorher beobachtet hatten.


    LG; Pablo.

  • Wow krass wieder was dazu gelernt. Das ist ja irre, wie formvariabel Russulares ist

    Hallo ReikeT,

    ich glaube es gibt sogar einen trüffelartigen Russula, wenn ich mich recht erinnere. Ich suche den Namen morgen raus und schreibe nochmal.

    Viele Grüße

  • Hallo,

    Beorn: Danke für's zeigen der schönen amyloiden Sporen des Bergporlings. Da erkennt man bekannte Strukturen wieder ^^. Ich hab bisher nur die Sporen von einem anderen Täublingsartigen, dem Igel-Stachelbart, angeschaut. Leider haben die kein sichtbares Ornament, wenn sie auch klar amyloid sind.

    ich glaube es gibt sogar einen trüffelartigen Russula, wenn ich mich recht erinnere. Ich suche den Namen morgen raus und schreibe nochmal.

    Lactarius borzianus wäre eine Art welche quasi trüffelartige Fruchtkörper ausbildet, die weißen Milchsaft bei Verletzung abgeben. Genetisch ist dieser fast identisch mit dem Milden Orange-Milchling. :cool:

    LG Thiemo

    Bestimmungsvorschläge anhand von Fotos sind immer unter Vorbehalt und mit Restrisiko!

    Eine Freigabe zum Verzehr können nur Pilzsachverständige vor Ort geben! -> Pilzsachverständige finden